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    PKK reckt die Fäuste

    Reformen gestoppt
    PKK reckt die Fäuste

    Der türkische Regierungschef Erdogan hat die kurdenfreundlichen Reformen gestoppt – jetzt bricht der Konflikt in der Türkei wieder auf. Züge entgleisen – Garnisonen gehen in Flammen auf.
    Der Kurdenkrieg in der Türkei ist wieder aufgeflammt. Am Montag sprangen im Osten des Landes sieben Waggons eines Passagier- und Güterzugs aus den Schienen. Die Behörden vermuten, dass Rebellen der kurdischen PKK den Zug nahe der Stadt Erzincan mit Hilfe eines Sprengsatzes entgleisen ließen.

    Der Konflikt hat in den vergangenen Wochen an Schärfe gewonnen. Fast täglich brennen Einheiten des radikalen Flügels der kurdischen Arbeiterpartei PKK kleinere Garnisonen der türkischen Armee in den Grenzgebieten zu Syrien, dem Irak und dem Iran nieder. Auch an der Schwarzmeerküste, in der Westtürkei und den Hafenstädten des Mittelmeeres operieren Trupps der PKK. Und der PKK-Führer Murat Karayilan hat gerade seine Drohung erneuert, auch in den Touristenhochburgen zwischen Kemer und Antalya anzugreifen.

    Jahrelang hatte die PKK einen einseitigen Waffenstillstand nach dem anderen verkündet und stets darauf bestanden, dass es sich bei sporadischen Scharmützeln nur um Notwehrreaktionen auf türkische Angriffe gehandelt habe. Nun spricht die Kurdenpartei von der „vierten Phase unseres Kampfes“, an deren Ende „der Sieg stehen wird“.

    Die Türkei greift zugleich auf die Methoden des schmutzigen Krieges der 90er Jahre zurück. Spezialeinheiten operieren in den Kurdengebieten, bei Angriffen leidet zunehmend wieder die Zivilbevölkerung, Dörfer gehen in Flammen auf, Kinder kommen beim Vieh-Hüten ums Leben. Zusammen mit iranischen Truppen bombardiert die türkische Armee die PKK-Rückzugsgebiete im Nord-Irak. Berichte über Truppenbewegungen legen eine bevorstehende Offensive dort nahe.

    Die PKK gibt sich enttäuscht über das Ende der „demokratischen Öffnung“ durch die islamische AKP-Regierung in Ankara, die noch 2009 viele Hoffnungen auf eine dauerhafte Beilegung des Konflikts geweckt hatte. Demonstrativ waren kurdische Kämpfer aus den Bergen als „Friedensdelegation“ herabgestiegen, kurdische Rundfunksendungen wurden erlaubt, sogar kurdische Fakultäten an den Unis versprochen.

    Doch unter dem Druck der nationalistisch-kemalistischen Opposition und des Militärs ließ Regierungschef Reccep Tayyip Erdogan die zaghaften Reformen sanft entschlafen. Stattdessen wurden Hunderte Kommunalpolitiker der kurdennahen Partei BDP verhaftet – unter dem alten Vorwurf der Verbindung zur verbotenen PKK. Deren inhaftierter Chef Abdullah Öcalan ließ aus der Einzelhaft auf der Insel Imrali mitteilen, die „demokratische Öffnung“ sei nur eine Tarnung für ein „abscheuliches Vernichtungskonzept“ gegen die Kurden gewesen.

    Die Kurden setzen jetzt auf den EU-Beitritt der Türkei: Er verheißt Selbstverwaltung

    Die PKK hat schon vor Jahren begonnen, eine lokale Selbstverwaltung aufzubauen. Mit dem Argument, die türkischen Behörden kümmerten sich nicht, versuchten dem kurdischen Nationalkongress KNC nahestehende Kräfte etwa die Wasser- und Krankenversorgung oder die Müllabfuhr zu übernehmen. Nun zeigt sich, dass die PKK damit ein strategisches Ziel verfolgte, das mit dem türkischen Beitrittsprozess zur EU zusammenhängt. Sie zielt auf die Europäische Charta über Lokale Selbstverwaltung (ECLSG) der EU. Ursprünglich auf Länder wie Belgien, Spanien oder Großbritannien gemünzt, könnte das ECLSG auf die Türkei angewandt auch den Kurden Selbstverwaltung bringen.

    Die kurdischen Bürgermeister hatten sich im Frühjahr explizit auf das ECLSG berufen und betont, dass die Türkei dieses Dokument 1988 und erweitert 1991 unterzeichnet habe. Die PKK setzt darauf, dass die Türkei die Unterschrift nicht widerrufen wird, die in den Augen der Kurden die Basis für eine historisch neue, legale politische Selbstverwaltungsstruktur unter Einfluss der PKK legen würde. Solche Denkspiele wurden bereits von PKK-fernen Kurdenpolitikern und der nordirakischen Barsani-Administration gutgeheißen. Die PKK will nun ihren Anspruch offenbar mit militärischem Druck untermauern.

    Erdogan steckt jetzt in der Zwickmühle: Will er den EU-Beitritt nicht gefährden, muss er sich mit den kurdischen Wünschen ernsthaft beschäftigen. Tut er dies aber, gerät er erneut unter massiven Druck der nationalistischen Opposition aus CHP und MHP. Einstweilen scheint dem Regierung in Ankara dazu nichts Besseres einzufallen, als auf die militärische Karte zu setzen. ( mit dpa)
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