Unter Erdogan wird die Türkei zum Polizeistaat
Die Türkei hat die Wahl – zwischen der Demokratie nach westlichen Normen und einer islamistisch-faschistischen Mentalität.
Bei der am 12. Juni 2011 anstehenden Parlamentswahl in der Türkei geht es für die Regierungspartei AKP in erster Linie sicherlich nicht um die Etablierung demokratischer Verhältnisse in der türkischen Gesellschaft nach westlichen Normen. Regierungschef Recep Tayyip Erdogan möchte eine vollständig neue Verfassung verabschieden und eine Herrschaft etablieren, die eine Kombination aus islamistischer und faschistischer Mentalität darstellt.
- Foto: AFP Türkische Polizisten in Zivil nehmen einen Aktivisten fest: Unter Premierminister Erdogan hat sich die Lage der Menschenrechte in der Türkei nach Meinung seiner Kritiker zum Nachteil verändert
Diese Mentalität setzt sich in der gesamten Türkei durch, die Gesellschaft wird zunehmend konservativer, geschlossener und anti-westlicher. Die Regierung Erdogan hat die Türkei in den vergangenen acht Jahren vom Westen gelöst und führt sie in eine völlig neue Phase. Das Land wird komplett umgewandelt und verdrängt Frauen, religiöse und kulturelle Minderheiten, Intellektuelle sowie Denker, Künstler und Umweltaktivisten und ihre Belange massiv aus der Öffentlichkeit.
Erdogans Demokratie – Demokratie ohne Opposition
Wer an der Vorgehensweise oder Regierungsarbeit von Tayyip Erdogan Kritik ausübt, ein Buch oder einen Aufsatz schreibt, wird sofort zum Putschisten erklärt. Kritik und Opposition werden nicht geduldet. Demonstrierende Studenten und Intellektuelle landen reihenweise im Gefängnis. Journalisten werden verhaftet, weil sie kritische Bücher und Aufsätze schreiben. Die Türkei wird unter der Führung von Tayyip Erdogan von Tag zu Tag autoritärer und wandelt sich zum Polizeistaat.
Die türkische Öffentlichkeit ist mittlerweile davon überzeugt, dass die türkische Polizei überwiegend vom „Imam Fetullah Gülen“ kontrolliert und gesteuert wird. Daher handelt die türkische Polizei laut zahlreichen Studien, Berichten und Meinungen von namhaften Kreisen im Auftrag der Regierung und der religiöse Sekte „Fetullah Gül Bewegung“. So werden in der Türkei seit etwa einem Jahr namhafte Persönlichkeiten auf der Oppositionsseite mit lancierten Sexvideos gezielt geschwächt.
IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn ist bei weitem nicht der erste Politiker, der sich Vorwürfen sexueller Verfehlungen ausgesetzt sieht:
BILL CLINTON
Der damalige US-Präsident wurde von der Staatsangestellten Paula Jones beschuldigt, er habe sie 1991, als er Gouverneur von Arkansas war, in einem Hotelzimmer sexuell belästigt. Sie verlangte zwei Millionen Dollar Schadenersatz und …
… eine ausdrückliche Entschuldigung des US-Präsidenten, was dieser entschieden ablehnte. Die Klage wurde im April 1998 abgewiesen.
Im August 1998 gestand Clinton, eine „unangemessene Beziehung“ mit der Praktikantin Monica Lewinsky gehabt zu haben. Ihm wurde Falschaussage im Fall Paula Jones und Behinderung der Justiz in der Lewinsky-Affäre vorgeworfen.
Im Februar 1999 wurde Clinton in einem Amtsenthebungsverfahren freigesprochen.
SILVIO BERLUSCONI
Italiens Regierungschef steht im Mittelpunkt zahlreicher Sexaffären. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 74-Jährigen Begünstigung der Prostitution von Minderjährigen sowie Amtsmissbrauch vor.
Berlusconi soll im vergangenen Jahr die damals minderjährige Marokkanerin Karima el Mahroug alias Ruby Rubacuori bei Partys in seiner Villa in Arcore für Sex bezahlt haben.
Im vergangenen Mai setzte er laut Staatsanwaltschaft durch, dass die wegen Diebstahls festgenommene Nachtklub-Tänzerin freigelassen wurde.
MOSCHE KATZAV
Der damalige israelische Präsident musste im Juni 2007 wegen eines Sexskandals zurücktreten. Im Dezember vergangenen Jahres wurde er wegen zweifacher Vergewaltigung einer ehemaligen Mitarbeiterin und …
… sexueller Belästigung zweier weiterer Angestellter während seiner Amtszeit als Tourismusminister und während seiner Präsidentschaft zu sieben Jahren Haft sowie zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Katzav weist alle Vorwürfe zurück und ging in Berufung.
CANAAN BANANA
Simbabwes Ex-Präsident wurde im Mai 2000 wegen „Sodomie und anderer Sexualvergehen“ zu einem Jahr Gefängnis verurteilt.
Er soll die Straftaten während seiner Präsidentschaft von 1980 bis 1987 begangen haben. Im Januar dieses Jahres kam er vorzeitig aus der Haft frei.
ANWAR IBRAHIM
Dem früheren malaysischen Vize-Regierungschef und späteren Oppositionsführer drohen in einem laufenden Verfahren wegen homosexueller Beziehungen mit einem Ex-Mitarbeiter bis zu 20 Jahre Gefängnis.
Homosexualität ist im muslimischen Malaysia illegal. Anwar war bereits Ende der 90er Jahre wegen Homosexualität und Betrugs zu sechs Jahren Haft verurteilt worden.
JACOB ZUMA
Der heutige südafrikanische Präsident wurde im Mai 2006 von dem Vorwurf freigesprochen, 2006 eine HIV-positive Frau vergewaltigt zu haben.
Quelle: AFP
Am 1. Juni 2001 wurde ein pensionierter Lehrer und Umwelt-Aktivist Opfer der Polizeigewalt als er bei einer Kundgebung Erdogans in der Schwarzmeerstadt Hopa in Tränengasschwaden starb. MIttlerweile geht die Polizei überall mit massiver Gewalt gegen Anti-Erdogan-Demonstranten vor. So werden alle Telefonate des ganzen Landes von Sonderpolizisten abgehört und fast jedes Haus durchsucht, wo ein Oppositioneller vermutet wird.
Die Haltung des Westens und die Zukunft der Türkei
Es muss nicht nur im Interesse des türkischen Volkes, sondern auch des Westens liegen, eine verfassungsändernde Mehrheit der Regierungspartei unter der Führung von Erdogan auf alle Fälle zu verhindern. Erdogan und seine Partei haben keine demokratische, sondern eine islamistische Vergangenheit, welche nach wie Grundlage der AKP-Politik ist. Und diese Politik hat nicht gelernt, dass die Verfassung eines Landes im Grunde genommen einen Konsens darstellt.
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Wie das jüngste Beispiel mit der Volksabstimmung vom 12. September 2010 gezeigt hat, ging es für Erdogan und seine AKP nicht um die Etablierung der Demokratie, wie es fälschlicherweise in Teilen der deutschen Medien stand. Ziel war die Eroberung der türkischen Justiz, die im Regierungsauftrag sämtliche Hürden auf dem Weg zur Schaffung eines islamistisch-faschistischen Herrschaftssystems beseitigen soll. So versucht die Regierung alle Kräfte, von Militärs bis zu Journalisten und Hochschullehrer, die mit Erdogans Herrschaftssystem nicht einverstanden sind, von Tag zu Tag einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen.
Aus diesen Gründen muss Regierungschef Erdogan von den türkischen Wählern unbedingt daran gehindert werden, nach den Wahlen am 12. Juni 2011 ein „System“ einzuführen, das ihm und seiner Partei den legalen Weg für eine Diktatur auf Dauer frei machen soll. Um dies zu verhindern, braucht die Türkei auch die Hilfe westlicher Staaten, die eine Demokratie nach hiesigen Normen fordern und die Türkei zwinge müssen, sich in jeder Form von islamistischen Plänen und anti-westlichen Politiken Erdogans zu distanzieren.
Dr. Aydin Findikci ist Lehrer und Lehrbeauftragter für Soziologie an der LMU-München