22.09.2010 / Ausland / Seite 7Inhalt
Kurdische Schüler im Streik
Forderung nach muttersprachlichem Unterricht. PKK verlängert Waffenruhe
Von Nick Brauns
Während der Beginn des neuen Schuljahres in Istanbul zu einem Verkehrschaos führte, blieben in den kurdischen Landesteilen viele Klassenzimmer leer. Unterstützt von der prokurdischen Partei für Frieden und Demokratie (BDP) und der Lehrergewerkschaft Egitim Sen hatte die »kurdische Sprachbewegung« zu einem einwöchigen Schulboykott aufgerufen, um für das Recht auf muttersprachlichen Schulunterricht einzutreten. Kurdisch darf bislang nur an privaten und für die Masse der Bevölkerung unerschwinglichen Sprachschulen gelehrt werden, während der Unterricht an den staatlichen Einrichtungen in türkischer Sprache erfolgen muß. Die Bildungsministerin der Regierung in Ankara,Nimet Çubukçu, drohte Eltern Strafen an, die ihre Kinder aufgrund des Boykotts nicht zur Schule schicken. Trotz derartiger Ankündigungen und eines Großaufgebots von Polizisten rund um die Schulen verweigerten viele Schüler in Diyarbakir, Urfa, Hakkari, Van, Agri, Mus, Igdir, Bitlis und Kars den Unterricht, berichtete die Agentur Firat. In einigen Städten schlossen sich auch die Lehrer den streikenden Schülern an.
Wohl auch, um den Protest nicht mit bewaffneten Auseinandersetzungen zu belasten, verlängerte die Guerilla der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) am Montag ihren auslaufenden Waffenstillstand um mindestens eine Woche. Eine Bilanz der Guerilla zeigt jedoch, daß der türkische Staat bislang nicht positiv auf die am 13. August verkündete Waffenruhe reagiert hat. Bis zum 20. September waren demnach bei 28 Militäroperationen 19 Guerillakämpfer gefallen. Zudem wurden in der vergangenen Woche in Hakkari neun Zivilisten durch eine offenbar von einer Konterguerillaeinheit der Armee gelegte Mine getötet. 26 Artilleriebeschüsse wurden registriert und an zehn Orten die Wälder von der Armee in Brand gesetzt. 554 Aktivisten der BDP und anderer ziviler Gruppierungen wurden in den kurdischen Landesteilen festgenommen. Einem Bericht der Zeitung Hürriyet zufolge wird außerdem der Chef des Geheimdienstes MIT, Hakan Fidan, in Kürze in die USA reisen, um mit dortigen Regierungsvertretern Maßnahmen gegen die PKK zu beraten. Insbesondere sollen die Vereinigten Staaten stärker auf ihre europäischen Verbündeten einwirken, damit diese Finanzmittel der kurdischen Befreiungsbewegung blockieren.
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