Schlagwort: Integrationspolitik

  • Mehrheiten mobben Minderheiten

    Mehrheiten mobben Minderheiten

    Schützt die Kartoffeln!
    Foto: ZB/Patrick Pleul

    13.10.2010 / Inland
    Mehrheiten mobben Minderheiten
    Der Begriff »Deutschenfeindlichkeit« ist in der Debatte um Integrationspolitik verfehlt
    Von Regina Stötzel

    Mit ihrer Warnung vor »Deutschenfeindlichkeit« benutzt Familienministerin Kristina Schröder einen Begriff aus einer Debatte der GEW, der bereits als untauglich verworfen wurde.
    Familienministerin Kristina Schröder (CDU) hat einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit. Wenn andere Frauen fördern, fördert sie Jungen und Männer. Programmen gegen Rechtsextremismus setzt sie Programme gegen »Linksextremismus« entgegen. Und wenn andere Ausländerfeindlichkeit beklagen, warnt sie vor »Deutschenfeindlichkeit«.
    Bei der Verteidigung ihres Unionskollegen Horst Seehofer, der für eine Zuzugsbeschränkung von Arbeitskräften aus der Türkei und den arabischen Ländern plädiert hatte, kam ihr wohl eine Tagung der Berliner GEW mit dem Titel »Der Streit um die sogenannte Deutschenfeindlichkeit« Anfang Oktober gerade recht. Wenn schon Berliner Lehrer berichten, dass deutsche Kinder auf den Schulhöfen gemobbt werden, wird man das ja auch mal so sagen dürfen.
    Nun klopfen sich Unionspolitiker auf die Schulter, dass sie das Thema nicht den Nazis überlassen haben. Die freuen sich dennoch. In einem offenen Brief der NPD an die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, heißt triumphierend: »Noch vor vier Wochen hätten Sie jeden, der auf die realexistierende Inländerfeindlichkeit von Ausländern in unserem Land hingewiesen hätte, glattweg als ›rechte Dumpfbacke‹ oder Schlimmeres abgekanzelt.«
    Der eigentliche Auslöser der Debatte um »Deutschenfeindlichkeit« war ein Artikel in der »Berliner Lehrerzeitung« vom November 2009. Obwohl darin der Begriff recht unbedarft verwendet wird, taugt die Analyse nicht zur Vereinnahmung durch Rechtsradikale. Die Autoren sprechen darin von einer »verstärkten Segregation der Schülerschaft«. Während »Deutschstämmige und aufstiegsorientierte Migrantenfamilien« aus bestimmten Schulbezirken flüchteten, blieben die Kinder und Jugendlichen »aus armen, bildungsfernen Familien, vor allem mit Migrationshintergrund« zurück. Es komme zu »wechselseitiger Abschottung«, zu Beschimpfungen und Konflikten. »Die Auseinandersetzungen scheinen auch eine Art Machtspiel zu sein, bei dem die eigentlich privilegierte Gruppe diese Privilegien durch die Mehrheitsverhältnisse verloren hat.«
    Bei der Tagung der GEW Anfang des Monats einigten sich die Diskutanten darauf, dass der Begriff »Deutschenfeindlichkeit« unangebracht sei. Tatsächlich versuchten benachteiligte Jugendliche, gegenüber den noch schwächeren Stärke zu zeigen. Es gehe letztlich um Schichtzugehörigkeiten, nicht um die ethnische Herkunft.
    Auch Marianne Demmer, die stellvertretende Vorsitzende der GEW, findet den Begriff »Deutschenfeindlichkeit« schlicht »daneben«. Es gehe um »Mobbingprobleme unter Pubertierenden«, die immer dann entstünden, wenn es »Spannungen zwischen Mehrheiten und Minderheiten« gebe. »Die Familienministerin instrumentalisiert in der Debatte die vermeintlich linke GEW als Kronzeugin für eine Ethnisierung der Integrationsprobleme«, sagt Demmer, und spricht von »einseitigen Schuldzuweisungen« gegenüber den Einwanderern.
    Die Entstehung von Problembezirken und die frühe Aufteilung der Kinder in verschiedene Schultypen führe zu einer »ständigen Konzentration von Problemen«. Abhilfe schaffen könnte die Veränderung der Schuleinzugsbereiche und ein großer Einsatz von Lehrern und Sozialpädagogen. Vor allem aber müsse diese Gesellschaft es schaffen, allen Jugendlichen eine Perspektive zu bieten.
    »Die sogenannte Deutschenfeindlichkeit von Muslimen ist ein Bildungsproblem«, sagt auch Christian Pfeiffer, der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, in der »Süddeutschen Zeitung«. Türkische Realschüler und Gymnasiasten äußerten kaum Stereotype gegenüber Deutschen.
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  • Parteien entdecken die Integrationspolitik

    Parteien entdecken die Integrationspolitik

    Neues Deutschland
    04.09.2010
    Parteien entdecken die Integrationspolitik
    Gipfel bis Ende des Jahres angekündigt
    Nach dem angekündigten Rauswurf Thilo Sarrazins bei der Bundesbank werden Rufe nach einer ernsthaften Auseinandersetzung mit Integrationsproblemen laut.

    Berlin (Agenturen/ND). Der Streit um die Thesen von Noch-Bundesbanker Thilo Sarrazin (SPD) hat eine neue Integrationsdebatte ausgelöst. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte der türkischen Zeitung »Hürriyet«, Integration sei eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. Nach einem Bericht der »Saarbrücker Zeitung« soll noch in diesem Jahr der erste Integrationsgipfel unter Federführung der schwarz-gelben Bundesregierung stattfinden.

    Merkel machte den Türken gegenüber deutlich, dass sie Sarrazins Thesen ablehnt. Dessen Argument, Deutschland werde durch türkische und andere muslimische Einwanderer dümmer, sei »Unsinn«, erklärte sie. Es müsse aber in der Integrationspolitik noch mehr getan werden als bisher. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte der »Saarbrücker Zeitung«, nach der beschlossenen Abberufung Sarrazins als Bundesbankvorstandsmitglied sei es jetzt an der Zeit, »dass wir uns dem eigentlichen Thema widmen«. Die Integration der hier lebenden Migranten sei einer der wichtigsten Herausforderungen.

    SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles verteidigte derweil das Parteiausschlussverfahren. Sarrazin habe eine Grenze überschritten, schrieb Nahles laut Presseberichten in einem Brief an alle SPD-Mitglieder. Der angestrebte Rausschmiss sei aber »keine Absage an eine intensive Debatte über Integrationspolitik«. In diesem Punkt gebe die SPD Sarrazin recht: »Es liegt noch vieles im Argen.« So gebe es noch immer teils erhebliche Bildungs- und Sprachdefizite bei jungen Migranten.

    Über den Antrag des Bundesbankvorstandes, Sarrazin abzuberufen, muss Bundespräsident Christian Wulff entscheiden. Der verlangt unterdessen eine Stellungnahme der Bundesregierung. Wulff warnte vor Verallgemeinerungen, die auf kulturelle, religiöse oder ethnische Gruppen abzielten. »Sie richten sogar großen Schaden an«, sagte der Bundespräsident. Es sei besser, einander zunächst näher kennenzulernen. Er bedauerte, dass die große Vielfalt unter den Muslimen in vielen Diskussionen keine Rolle spiele.

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