Der Erweiterungskommissar der Europäischen Union, Štefan Füle, kündigt im Interview mit der „Presse“ EU-Beitrittsverhandlungen mit den Ländern des Westbalkans an und setzt auf eine neue Dynamik mit der Türkei.
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Die Presse: Sie haben vor wenigen Tagen den Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit Kroatien empfohlen. Doch in diesem Land gibt es nach wie vor starke radikal-nationalistische Gruppen, es gibt Korruption, ein Ex-Regierungschef sitzt in Haft. Ist es wirklich reif für den Beitritt?
Štefan Füle: Kroatien ist reif, sonst hätten wir das Schließen der letzten verbliebenen Verhandlungskapitel nicht empfohlen. Wir hätten das auch nicht getan, wenn Kroatien seine Glaubwürdigkeit während dieses Beitrittsprozesses nicht unter Beweis gestellt hätte. Wir haben aus den Erfahrungen der Vergangenheit gelernt. Diesmal wurden die bisherigen Mitgliedstaaten deutlich stärker eingebunden. Über diese stärkere Kooperation versuchen wir, auch die Bürger besser einzubinden. Wir haben mit Kroatien einen Status erreicht, der die rechtliche Umsetzung des Beitritts nachhaltig und irreversibel macht.
Sie haben keine Sorge, dass die Korruption weiterhin ein Problem bleibt?
Das haben wir natürlich im Fokus. Es wurden von Kroatien alle notwendigen Reformen umgesetzt. So ist beispielsweise heute das Justizsystem frei von politischer Einflussnahme. Im Kampf gegen Korruption gibt es von der Ermittlung bis zur gerichtlichen Bearbeitung ein System, das in Zusammenarbeit mit uns verbessert wurde und über dessen Fortschritte Kroatien selbst informieren muss. Über die abgeschlossenen Verhandlungspunkte gibt es noch ein Monitoring durch die EU-Kommission, das bis zum Tag des Beitritts fortgesetzt wird. Die Mitgliedstaaten werden auch dabei eingebunden.
Wird der Beitritt von Kroatien die Aufnahme der Länder des Westbalkans beschleunigen?
Ich hoffe das für die gesamte Region. Heute ist Radko Mladić vor dem internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag, Kroatien steht vor dem Abschluss seiner Beitrittsverhandlungen. Das alles trägt dazu bei, dass sich die Glaubwürdigkeit des Erweiterungsprozesses erhöht. Es wird ersichtlich, dass sich Reformen auszahlen.
Wann werden die Beitrittsverhandlungen mit Serbien starten?
Dieses Jahr könnte für all diese Länder wichtig werden. Wir könnten auf Grund der großen Fortschritte Ende dieses Jahres nicht nur für ein oder zwei, vielleicht sogar für drei Länder den Start von Beitrittsverhandlungen empfehlen.
Sie meinen Mazedonien, Montenegro und Serbien?
Ja. Aber es gibt noch keine Garantie dafür. Wir werden dieses Jahr die Fortschrittsberichte zu diesen Ländern früher fertigstellen. Diese Zeit können die Regierungen der Mitgliedstaaten nutzen, gemeinsam mit ihren Parlamenten die Entscheidung vorzubereiten.
Es gibt in einigen Ländern massiven Widerstand gegen jede neue Erweiterung. So fordert etwa die deutsche CSU einen Stopp nach der Aufnahme von Kroatien. Gibt es denn überhaupt den politischen Willen in der Europäischen Union, noch weitere Länder aufzunehmen?
via EU-Kommissar Füle: „Geben Sie der Türkei eine Chance“ « DiePresse.com.