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    Muslima mit Kopftuch machen Karriere

    Foto: Ulrich Baumgarten / vario images (2), privat (3) Erfolgreich in Deutschland: Rufeida Al-Mustapha (o.l.), Yeliz Kesmen (u.l.), Nurhan Soykan (M.), Ayse Uslu-Marschalskowsi (o.r.) und Hülya Dogan (u.r.)

    Diese Muslima haben trotz Kopftuch Karriere gemacht

    Jung, erfolgreich, gläubig: Fünf muslimische Frauen erzählen, was es heißt, als Kopftuchträgerin in Deutschland Karriere zu machen.

    Von Sonja Vukovic

    Was diese Frauen gemeinsam haben, ist ihr Glaube und das Kopftuch, mit dem sie diesen betonen. Ihre Lebenswege in Deutschland sind jedoch genauso verschieden, wie ihr Umgang mit den Vourteilen und Hürden, denen sie als Kopftuchträgerin ausgesetzt waren. Jede auf ihre Art hat Karriere gemacht.

    Die Architektin

    Die Selbstzweifel kamen 2005. Ayse Uslu-Marschalkowski hatte damals ihr Architektur-Studium mit 2,0 abgeschlossen. Trotzdem blieben die meisten ihrer Bewerbungen unbeantwortet. Bundesweit hatte sie sich bei etwa 30 Büros beworben. „Ich war mir sicher, dass man mich einladen und kennen lernen wollen würde.“ Doch nur drei antworteten. Eingestellt hat sie niemand.

    „Plötzlich fragte ich mich, was meinen Wert als Menschen ausmachte – das, was auf meinem Kopf ist oder darin?“, sagt die Dortmunderin. Die muslimische Kurdin hatte eigentlich geglaubt, vor Diskriminierung sicher zu sein, seit sie im Alter von zwölf Jahren mit ihren Eltern und den vier Geschwistern aus politischen Gründen die osttürkische Provinz Bingöl verlassen und in Deutschland Asyl beantrag hatte. Ihrem Vater hatte das Gefängnis gedroht, weil er als Lehrer die Geschichte und das Rechtssystem der Türkei kritisiert hatte.

    Die Anwältin

    Nurhan Soykan wusste zuerst nicht, was ein Gymnasium ist. Aber ihr Lehrer in der Kölner Grundschule hatte die meisten ihrer deutschen Klassenkameraden dafür empfohlen. „Wir Ausländer sollten alle zur Hauptschule“, sagt die heute 40-jährige gebürtige Türkin. Das fand sie ungerecht. Auch, „dass wir Kinder mit Migrationshintergrund die Tests nicht mitschreiben brauchten. Unser Lehrer war nett. Er dachte wohl, wir wären überfordert.“ Aber Nurhan Soykan wollte geprüft werden. Und sie wollte auf ein Gymnasium gehen. Leistung ist wichtig, das hatte sie von ihren Eltern gelernt.

    Die Designerin

    Yeliz Kesmen hat 13.000 Fans bei Facebook. Genauer gesagt ihre Firma Styleislam. Das Label steht für legere Freizeitmode mit einem Touch Orient. In einer ehemaligen Zahnarztpraxis in Witten entwirft Yeliz Kesmen zusammen mit ihrem Mann Melih Kesmen T-Shirts, Pullover, Taschen, Schlüsselanhänger und andere Accessoires. Mit Sprüchen wie „Make Çay Not War“, oder: „Terrorism has no Religion“.

    Die Geschäftsidee entstand im Sommer 2005 in England. Islamistische Terroristen hatten Bomben in der Londoner U-Bahn gezündet. Die Kesmens lebten damals in der britischen Hauptstadt. Als Kinder türkischer Gastarbeiter waren sie in Deutschland geboren und aufgewachsen. Melih war früher als Hip-Hopper bei „Emi Electrola“ unter Vertrag, Yeliz hatte Grafikdesign studiert.

    In London „wollten wir etwas Neues ausprobieren und haben in einer Werbeagentur den Design Bereich geleitet“, sagt Yeliz Kesmen. Dann entbrannte der Karikaturenstreit. Und Melih schrieb sich auf ein Shirt „I love my Prophet“ (Ich liebe meinen Propheten). „Die britischen Muslime waren begeistert. Sie hätten ihm das Shirt fast vom Leib gerissen“, erzählt Yeliz Kesmen.

    Zurück in Deutschland gründeten sie „Styleislam“. Yeliz Kesmen, 31 Jahre alt und Mutter eines zweijährigen Sohnes, bekennt sich seit ihrem 26. Lebensjahr mit einem Kopftuch zum islamischen Glauben. Ganz anders, als ihre Mutter, ihre Tanten oder ihre Schwester. Für Yeliz Kesmen rundet es „das Muslima-Sein ab.“ So fühlt sie, seit sie 2006 mit ihrem Mann und Freunden nach Mekka pilgerte. Intoleranz und Rassismus kennt sie nicht aus persönlicher Erfahrung, dafür aber die Ohnmacht angesichts angeblicher Glaubensbrüder, die den Islam missbrauchen.

    „Zeigt, wer wir sind“, fordert sie daher ihre Fans auf Facebook auf, mit den Kleidern „ein positives Zeichen zu setzen“. Mit Erfolg: Shops der Firma gibt es nun in Istanbul und in der saudiarabischen Prophetenstadt Medina.

    Die Soziologin

    Mutig und selbstbewusst ist der Blick dieser sonst eher zart anmutenden Frau. Ihre Stimme ist fest, ihre Wortwahl locker. „Meine Mutter hat mir immer vertraut, auch wenn ich auf einer Party war“, sagt Rufeida Al-Mustapha. „Ich war nie ein Party-Girl, das ständig um die Häuser zog. Aber ich habe schon öfter mal bis spät in die Nacht gefeiert.“ Und das Vertrauen ihrer Mutter stärkte ihr Selbstvertrauen. „Ich bin ich. Ich habe ein Recht dazu. Und ich will deshalb nicht gleich in eine Schublade gesteckt werden.“

    Rufeida Al-Mustapha, 34 Jahre, mit syrischen Wurzeln, geboren im westfälischen Heiligenhausen, ist Deutsche. Und sie ist Muslima. Es ist für sie eine Selbstverständlichkeit, Partys zu feiern. Das gehe schließlich auch ohne Alkohol und mit Kopftuch, sagt sie. Seit ihrem 13. Lebensjahr trägt sie Kopftuch – aber auch auffällige Ohrringe und Ketten. „Ich habe mich immer wie eine Ausländerin gefühlt, weil es mir mein Umfeld so vermittelt hat“, sagt die Soziologin. Aber das sei kein schlechtes Gefühl gewesen. Im Gegenteil: „Ich war oft etwas Besonderes, was für mich auch von Vorteil war.“

    Und auch ihre Lehrerinnen waren anders: Sie trugen Nonnentracht samt Kopfbedeckung. Denn ab der 5. Klasse besuchte Rufeida Al-Mustapha eine katholische Mädchenschule in Bonn. Kurz zuvor war ihr Vater gestorben und die Mutter mit den Kindern in die damalige Bundeshauptstadt gezogen. Rufeida Al-Mustapha hat gelernt, Schicksalsschläge als Ansporn zu nehmen. Inzwischen hat sie Islamwissenschaften studiert und arbeitet bei einem Bonner Markt- und Sozialforschungsinstitut. Ihre beiden Töchter sind vier und fünf Jahre alt. Später, da ist sich Rufeida Al-Mustapha sicher, sollen sie auch feiern gehen dürfen: „Ich versuche, meinen Kindern ein Vorbild zu sein, menschlich und religiös. Später dürfen sie sich ihren Weg suchen. Sie sollen das Gefühl haben, dazuzugehören, so wie sie sind. Sonst werden sie nicht weiterkommen – wir sind Deutsche und gehören zu dieser Gesellschaft, auch als Muslime.“

    Die Stadträtin

    Hülya Dogan hält ihr Ohr in der Hand. Es ist eine plastische Nachbildung, mit dessen Hilfe die Audiologin-Assistentin erklärt, wie das Hörorgan funktioniert. Ihre echten Ohren sind von einem Kopftuch verdeckt. Hülya Dogan, 34 Jahre und freie Mitarbeiterin in einer Bonner HNO-Praxis, ist muslimische Deutsche mit türkischen Vorfahren.

    Sie war erst zehn Jahre alt, als sie sich entschloss, das Kopftuch zu tragen – freiwillig, wie sie sagt. Und doch sei es keine leichte Entscheidung gewesen. Klassenkameraden rissen ihr immer mal wieder das Tuch vom Kopf, ein Lehrer am Gymnasium lobte sogar die „arische Reinheit“ ihrer nicht muslimischen Mitschüler – damit habe er sie klar ausgrenzen wollen, meint Dogan. Schwer sei diese Zeit für sie gewesen, sagt sie.

    Es liegt kein Groll in ihrer Stimme, wenn sie davon erzählt. Nicht einmal Enttäuschung. Denn ganz anders war die Stimmung später an der Universität Bonn. Ihr Kopftuch spielte keine Rolle mehr. Auf dem Campus lernte sie ihren späteren Ehemann kennen: Damals hieß er noch Sebastian Eichelbaum. Jetzt heißt er Sinan Sebastian Dogan. Kurz nachdem sie sich kennen gelernt hatten, konvertierte er zum Islam

    Aus dem ersten Mädchen mit Kopftuch in der Schule von einst ist inzwischen die erste Frau mit Kopftuch in einem deutschen Kommunalparlament geworden. Vor den Wahlen in Nordrhein-Westfalen Ende August 2009 überlegte Hülya Dogan, wen sie wählen sollte, wer ihre Interessen am Besten vertreten könnte. Seit Jahren arbeitet sie ehrenamtlich für den Rat der Muslime sowie beim Arbeitskreis Muslime und Christen. Gemeinsam mit Freunden aus diesen Kreisen gründete sie zwei Monate vor der Wahl die Partei „Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit“, kurz BIG. Fast 2800 Stimmen erhielten sie, und damit zwei Sitze im Bonner Stadtrat. Vor der ersten Sitzung sei sie aufgeregt gewesen, sagt sie. Ihr Kopftuch zog viele Blicke an. Aber daran hätten sich die „Stadtratskollegen mittlerweile gewöhnt“.