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  • Türkei – der Tiger vom Bosporus

    Türkei – der Tiger vom Bosporus

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    Bundespräsident Christian Wulff auf Staatsbesuch in der Türkei: Am Vormittag empfingen sein türkischer Amtskollege Abdullah Gül und seine Frau Hayrünnissa das deutsche Staatsoberhaupt nebst Gattin Bettina auf seinem Amtssitz in Ankara.

    Wirtschaftsboom
    Türkei – der Tiger vom Bosporus

    VON NILS DIETRICH –
    zuletzt aktualisiert: 19.10.2010 – 13:44

    Düsseldorf/Ankara (RPO). Bislang wurde kein Staatsbesuch von Bundespräsident Christian Wulff so sehr beachtet wie seine Visite in der Türkei. Die laufende Integrationsdebatte überschattet alle anderen Themen. Dabei hat die Türkei in den letzten zehn Jahren einen enormen Wandel vollzogen. Aus dem Armenhaus an der Südostflanke Europas ist ein politisch stabiler und wirtschaftlich prosperierender Staat geworden.
    Bei dem Empfang von Bundespräsident Christian Wulff am Dienstagmorgen in Ankara war alles ein wenig anders. Als Staatspräsident Abdullah Gül zusammen mit seinem Gast mit militärischen Ehren die Ehrengarde abschreitet, folgen ihnen die Ehefrauen. Darauf hatte Gül seit dem Amtsantritt vor drei Jahren mit Rücksichtnahme auf das laizistische Militär verzichtet, denn seine Frau Hayrünnissa trägt das islamische Kopftuch.
    Bis vor zwei Wochen wäre das in der Türkei ein Problem gewesen. Seinerzeit hatte die Hochschulbehörde den Studentinnen des Landes grundsätzlich erlaubt, das Kopftuch in den Hörsälen der Universitäten zu tragen – und hierdurch mit einer kemalistischen Tradition gebrochen. Diese Entscheidung zeigt, dass sich die Türkei im Wandel befindet. Das ist nicht nur im politischen, sondern auch im wirtschaftlichen Sinne der Fall.
    10,3 Prozent Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal – die Rede ist nicht von China, sondern von der Türkei. In den letzten Jahren hat das Land zwischen Bosporus und Araratgebirge einen grandiosen wirtschaftlichen Aufschwung hingelegt. Das nominale Pro-Kopf-Einkommen Einkommen der Türken hat sich auf über 10.000 US-Dollar mehr als vervierfacht. Die Arbeitslosigkeit ging deutlich zurück, lag 2009 aber noch bei 12,4 Prozent.
    Recep Tayyip Erdogan ist ein einer der Macher des türkischen Aufschwungs der letzten Jahre. Seine AKP (Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) wird von den säkular orientierten Eliten des Landes und den Militärs, die die Trennung von Staat und Religion überwachen, kritisch beäugt. Die Aufweichung des Kopftuchverbotes in Universitäten und öffentlichen Gebäuden war eines von Erdogans zentralen Anliegen, das seine Gegner eine Aufweichung der laizistischen Staatsordnung fürchten lässt.
    Reformen brachten Wirtschaftsboom
    Doch es ist nicht in erster Linie die Frömmigkeit, durch die sich die AKP auszeichnet – auch wenn viele Kritiker die Partei darauf reduzieren. Viel mehr hat sich die konservative Gruppierung seit ihrer Machtübernahme 2002 durch einen wirtschaftsfreundlichen Reformkurs ausgezeichnet, der den Aufstieg erst möglich machte. Erdogan dämmte die Inflation ein und privatisierte Staatsbetriebe, die vorher als unantastbar galten. Außerdem intensivierte die Regierung den Handel mit Russland, China und dem Nahen Osten.
    Doch nicht nur das: Die AKP brachte der Türkei die lang ersehnte politische Stabilität. Immerhin hatte das Militär nach dem Zweiten Weltkrieg dreimal geputscht. Unter den lange Zeit regierenden Kemalisten herrschten zudem Vetternwirtschaft und Korruption. Erst Erdogans Vor-Vorgänger Bülent Ecevit packte Ende der 90er Jahre tiefgreifende Reformen an: Todesstrafe und Folter wurden verboten, die Rechte der kurdischen Minderheit gestärkt. Unter der AKP wurde dieser Kurs fortgesetzt und der politische Einfluss des Militärs sukzessive zurückgedrängt.
    Dabei handelte es sich auch um Vorbedingungen für die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen. In einem Interview mit der „Hürriyet“ bekräftigte Wulff, die Gespräche müssten „fair und ergebnisoffen“ geführt werden. Doch in der türkischen Politik wächst der Unmut über die Hinhaltetaktik der Brüsseler Diplomaten. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy hatten sich sogar offen gegen einen Beitritt ausgesprochen.
    Führungsrolle in Nahost
    Ewig wird Ankara sicherlich nicht warten. Dabei gilt die Türkei als ein Bindeglied zwischen Orient und Okzident. Erdogan spricht ebenso mit syrischen, iranischen und israelischen Politikern, was ihm eine gewisse Mittlerrolle ermöglicht. Außerdem ist das Land mit seiner Wirtschaftskraft, den 72 Millionen größtenteils jungen Einwohnern und der strategischen Lage für eine Führungsrolle prädestiniert.
    Der Bundespräsident betonte die Bedeutung der Türkei als Land zwischen Ost und West. Viele Menschen setzten ihre „Hoffnungen auf die Türkei als Modell eines modernen säkularen Staates, der sich seiner Wurzeln bewusst ist“. Gleichzeitig mahnte er mit der religiösen Toleranz einen wunden Punkt an: „Wenn die Türkei als ein Land mit überwiegend muslimischer Bevölkerung zeigen kann, dass sie Toleranz und Religionsfreiheit nicht nur für den Islam, sondern auch für andere Religionen wie Christentum und Judentum in vollem Umfang verwirklichen kann“, dann werde sie eine „wichtige Vorbildfunktion erfüllen“.
    URL: www.rp-online.de/politik/ausland/Tuerkei-der-Tiger-vom-Bosporus_aid_920129.html

  • „Das Christentum gehört zur Türkei“

    „Das Christentum gehört zur Türkei“

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    Bundespräsident spricht vor Parlament
    „Das Christentum gehört zur Türkei“
    19.10.2010

    Ankara (RPO). In der ersten Rede eines Bundespräsidenten vor dem türkischen Parlament hat Christian Wulff die Türkei zu mehr Toleranz gegenüber den Christen aufgerufen. „Das Christentum gehört zweifelsfrei zur Türkei“, sagte Wulff am Dienstag in Ankara. Aus Deutschland erntet Wulff Lob. In der Türkei sieht dies ein wenig anders aus.
    Es war ein historischer Tag in Ankara. Und Wulff wählte bei seiner Rede vor dem Parlament deutlich Worte. „Die Religionsfreiheit ist Teil unseres Verständnisses von Europa als Wertegemeinschaft“, sagte Wulff. In Deutschland könnten Muslime ihren Glauben „in würdigem Rahmen praktizieren“, was an der wachsenden Zahl der Moscheen in der Bundesrepublik ablesbar sei.
    Klare Worte an die Türkei
    „Gleichzeitig erwarten wir, dass Christen in islamischen Ländern das gleiche Recht haben, ihren Glauben öffentlich zu leben, theologischen Nachwuchs auszubilden und Kirchen zu bauen“, sagte Wulff, der damit auf die rechtlichen Probleme der Christen anspielte, die weniger als ein Prozent der Menschen in dem 70-Millionen-Land Türkei ausmachen.
    In der Türkei stoßen diese Aussagen offenbar auf ein gemischtes Echo. Beobachter sprechen von einem „eisigen Schweigen“, das bei diesen Passagen im Parlament geherrscht habe. Staatspräsident Abdullah Gül rang in der anschließenden Pressekonferenz lange nach Worten und gab dann eine ausladende Stellungnahme ab. Am Ende rang sich Gül zu der Aussage durch, er sei natürlich das Staatsoberhaupt für alle Christen im Land.
    Die Grünen feiern Wulff
    Bei den Grünen in Deutschland stieß Wulffs Rede auf ein positives Echo. „Der Bundespräsident hat eine wichtige Rede gehalten“, erklärte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin in Berlin. „Erfreulich klar“ habe Wulff unterstrichen, dass er der Präsident aller in Deutschland lebender Bürger sei. „Der Beitrag türkischer Zuwanderer für Deutschland ist nicht wegzudenken, und wir sind Ihnen zu Dank verpflichtet“, ergänzte Trittin. Der Grünen-Politiker lobte außerdem die Äußerungen Wulffs zu Toleranz und Religionsfreiheit: „Damit hat er dem unseligen Gerede von Leitkultur eine deutliche Absage erteilt.“
    Der Bundespräsident hatte zuvor in einem Interview mit der Zeitung „Hürriyet“ an Ankara appelliert, Toleranz und Religionsfreiheit nicht nur für den Islam, sondern auch für andere Religionen wie Christentum und Judentum „in vollem Umfang“ zu verwirklichen. Am Donnerstag will der Bundespräsident an einem ökumenischen Gottesdienst in der Paulus-Kirche im südtürkischen Tarsus teilnehmen, um sein Engagement bei diesem Thema zu unterstreichen. Am Freitag steht ein Treffen in Istanbul mit dem griechisch-orthodoxen Patriarchen Bartholomäus I. auf dem Programm, der symbolisches Oberhaupt von rund 300 Millionen orthodoxen Christen in aller Welt ist.
    Problem türkischer Nationalisten
    Türkische Nationalisten betrachten die Christen als potenzielle Gefahr für die Einheit des Landes. Die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte in den vergangenen Jahren einige Reformen zugunsten der Christen auf den Weg gebracht, doch gibt es erhebliche Probleme bei der Umsetzung. Gül sagte bei einer Pressekonferenz mit Wulff, dass es in der Türkei natürlich auch christliche und jüdische Staatsbürger gebe: „Ich bin auch deren Präsident.“
    Wulff ging in seiner Rede auch auf die Integrationsdebatte in Deutschland ein. Die türkischen Zuwanderer in der Bundesrepublik „gehören zu unserem Land“, machte er deutlich. „Einwanderer haben Deutschland vielfältiger, offener und der Welt zugewandter gemacht. “ Es gebe aber Integrationsprobleme wie „das Verharren in Staatshilfe, Kriminalitätsraten, Machogehabe, Bildungs- und Leistungsverweigerung“, sagte der Bundespräsident. Bei der Pressekonferenz mit Gül rief Wulff Deutsche und Türken auf, bei allen Problemen nicht die Gemeinsamkeiten zu vergessen: „Das Verbindende ist mehr als das Trennende“.

    URL: www.rp-online.de/politik/ausland/Das-Christentum-gehoert-zur-Tuerkei_aid_920339.html