Eine Ex-Grüne macht Karriere bei der SPD: Bilkay Öney, Deutschlands zweite Integrationsministerin mit ausländischen Wurzeln, regiert bald in Stuttgart. Von T. Steffen
Bilkay Öneys Lebenslauf passt perfekt zum Stellenprofil für das Spitzenamt: Die künftige Integrationsministerin von Baden-Württemberg baut bereits heute Brücken zwischen Deutschen und Migranten. Seit Jahren erklärt sie in türkischsprachigen Zeitungen, warum es sich für Zuwanderer lohnt, sich für die deutsche Gesellschaft zu interessieren. Im Auslandsbüro von TRT, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunksender der Türkei, arbeitete sie am „Bericht aus Deutschland“. Oft sei sie dafür auch im Südwesten Deutschlands unterwegs gewesen, sagt sie.
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Wenn die 40-jährige Berlinerin jetzt in das grün-rote Kabinett des designierten baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann einrückt, bringt sie also bereits Landeskenntnis mit. Die wird sie brauchen, denn die Probleme der Einwanderer in Baden-Württemberg sind andere als die in der Bundeshauptstadt, wo Integration oft am fehlenden Arbeitsplatz scheitert. „Die Situation in Baden-Württemberg ist da viel komfortabler als in Berlin“, sagt sie. Dennoch gibt es für Öney viel zu tun: Auch im Südwesten haben Einwanderer und ihre Kinder geringere Bildungschancen, viele sprechen nicht gut deutsch. „Ich möchte sehen, was sich da noch verbessern lässt“, sagt Öney. „Integration ist eine Frage von Wollen, Können und Dürfen.“
Das ist zugleich Leitbild ihrer Arbeit. Migranten nicht zu erklären, „wie blöd sie sind“, sondern ihnen zu zeigen, dass sie mindestens genauso weit kommen können wie Deutsche. So positionierte sie sich auch in der Diskussion über die Thesen des Sozialdemokraten Thilo Sarrazin, die die SPD fast spaltete. Nicht alle Integrationskritiker seien auch Rassisten, sagt Öney. Dass viele Mitglieder im Ärger über den erfolglosen Rauswurf des früheren Bundesbankers austraten, fand sie „unmöglich“. Schon vor drei Jahren, als der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch härtere Strafen für kriminelle Ausländer forderte, plädierte sie für eine unaufgeregte Diskussion, statt Koch zu verdammen. Die Hessen-CDU frohlockte damals, ihre grünen Fraktionskollegen isolierten sie. So etwas prägt.
Geboren in Anatolien, wuchs Öney in Westberlin auf. Ihre Eltern arbeiteten als Lehrer, sprachen türkisch und deutsch mit den Kindern, legten Wert auf gute Ausbildung, das Kopftuch war Nebensache. Eine Bank stellte die Diplom-Kauffrau ein. Öney wechselte dann aber in den Journalismus. 2006 zog sie für die Grünen ins Berliner Abgeordnetenhaus ein. Für Aufsehen sorgte drei jahre später ihr Wechsel in die SPD-Fraktion, aus Ärger über die schwarz-gelb-grünen Gedankenspiele ihrer damaligen Partei. Den Vorwurf, zu wendig zu sein, weist sie zurück. Sie habe durchaus eine Linie, sie stehe für „rot-grüne Inhalte“. Die SPD band sie schnell ein, sie arbeitete mit Berlins Regierenden Bürgermeister zusammen in der Zukunftswerkstatt der Bundes-SPD. Die lange von den Grünen vertretene Multikulti-Politik lehnt sie ab.
Publizisten feierten sie als Vorbild für eine erfolgreiche Integration und nannten sie gemeinsam mit der Schauspielerin Sibel Kekilli, der Moderatorin Nazan Eckes, Niedersachsens Integrationsministerin Aygül Özkan oder der Unternehmerin Nina Öger als Kern einer neuen Gesellschaftsgruppe: jung, muslimisch, weiblich.
Am Montag verkündete die SPD-Bundesführung, ihre Gremien künftig zu 15 Prozent mit Migranten zu besetzen. Intern war da bereits klar: Öney wird Integrationsministerin – nach ihrer niedersächsischen Ressortkollegin Aygül Özkan von der CDU die zweite in Deutschland mit einem Migrationshintergrund. SPD-Landeschef Nils Schmidt hatte ihr das Amt am Freitag angeboten, schnell war klar: Öney zieht nach Stuttgart.
Es gab mehrere Gegenkandidaten, heißt es aus der SPD. Doch Schmidt suchte nach einer Frau, was den Kreis der Kandidaten deutliche einschränkte. Die neue Landesregierung will Integration nun „als Querschnittsaufgabe“ definieren. Öneys Arbeit soll sich auch in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, im Kulturellen und Sozialen niederschlagen.
„Das ist schade für Berlin und gut für Stuttgart“, kommentierte Bürgermeister Klaus Wowereit den Wechsel. Fraktions- und Landeschef Michael Müller gratulierte den Südwest-Kollegen zur „erstklassigen Wahl“. Im Web macht sich der Wechsel auch schon bemerkbar: Öneys Homepage war am Mittwoch im Umbau begriffen.
via Baden-Württemberg: Bilkay Öney, eine deutsche Karriere | Politik | ZEIT ONLINE.