Kategorie: Rechtsextremismus

  • Internationale des Hasses

    Internationale des Hasses

    Der Auftritt von Geert Wilders während der Gedenkfeiern am 11. September 2010 in New York war ein deutliches Zeichen für den geglückten „Zusammenschluss von Anti-Islamisten dies- und jenseits des Atlantiks“, schreibt Thomas Kirchner.

    Islamfeinde in Europa und den USA
    Internationale des Hasses

    Es hat lange gedauert, bis der rabiate Islamhass à la Geert Wilders in den USA Fuß gefasst hat. Doch jetzt agieren die Islamgegner dies- und jenseits des Atlantiks gemeinsam. Über die Hintergründe informiert Thomas Kirchner.

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  • „Rassismus mit Krawatte“

    „Rassismus mit Krawatte“

    Von Boris Kálnoky und Freia Peters

    Istanbul/Berlin – „Türkische Migranten befürchten Anstieg von Ausländerfeindlichkeit in Deutschland“ – mit dieser Schlagzeile veröffentlichte die türkische Zeitung „Hürriyet“ gestern einen Artikel ihrer englischsprachigen Online-Version. In jüngster Zeit waren mehrere Studien über die Einstellung der Deutschen gegenüber Ausländern, insbesondere gegenüber Türken und Muslimen erschienen. Manche türkische Medien sehen in den Ergebnissen den Beweis für einen neuen deutschen Rassismus.

    Der Artikel in der „Hürriyet“ beruft sich vor allem auf die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung „Die Mitte in der Krise“ über rechtsextreme Einstellungen in Deutschland. Forscher der Universitäten Leipzig und Siegen hatten in einer repräsentativen Umfrage Deutsche nach der Zustimmung zu verschiedenen Aussagen gefragt. 32 Prozent etwa bejahten den Satz „Wo es zu wenige Arbeitsplätze gibt, da sollten Ausländer nach Hause geschickt werden“. 34 Prozent stimmten dem Satz zu, Ausländer kämen nur nach Deutschland „um das deutsche Sozialsystem auszunutzen“. 35 Prozent waren der Meinung, dass Deutschland einem gefährlichen Niveau „ausländischen Einflusses ausgesetzt“ sei. Auch nach islamfeindlichen Aussagen wurde gefragt. Gut 55 Prozent hatten dem Satz „Ich kann es gut verstehen, dass manchen Leuten Araber unangenehm sind“ zugestimmt. 58 Prozent gaben an, die Religionsausübung für Muslime sollte erheblich eingeschränkt werden.

    Vor dem Hintergrund der Sarrazin-Debatte und einer anderen Studie, wonach deutsche Jugendliche keine türkischen Nachbarn haben wollen, schreibt „Hürriyet“, stärke die Studie Ängste unter Deutschtürken, sie seien die nächsten Juden. In diesem Sinne wird der Wortführer der deutschtürkischen Gemeinschaft, Kenan Kolat, zitiert: „Am gefährlichsten ist, dass Rassismus in Deutschland sich wandelt von einem Nazi-Aussehen hin zu einem ‚Rassismus mit Krawatte‘. Der existierende Rassismus bewegt sich auf die Mitte der Gesellschaft zu, wird zu einem kulturellen Mittelklasserassismus.“ Neu sei die Bereitschaft, solche einst verdeckten Ressentiments offen auszudrücken. Kolat klagt in dem Artikel: „Wir haben große Bedenken. Könnte es zu Gewalt führen? Ich hoffe nicht, aber es ist eine Möglichkeit, die wir nicht ausschließen können“.

    Auf Nachfrage der WELT bekräftigt Kolat seine Aussagen. „Ich habe Angst, das ist richtig. Die ganze Situation erinnert mich an die unsägliche Asyldebatte. Man darf und soll mich hart kritisieren – aber ich werde seit einigen Wochen bedroht, ich sei ein Scheißausländer, dabei bin ich deutscher Staatsbürger.“

    Die Beschimpfungen hätten in den vergangenen Wochen eine ungeahnte Härte bekommen, sagt Kolat. „Ich bekomme anonyme Anrufe, Verunglimpfungen per Mail. ‚Wie können Sie von Frau Merkel etwas fordern? Sie sind ein Türke und werden es immer bleiben!‘ Ich traue mich im Moment nicht, alleine U-Bahn zu fahren, ich schlafe schlecht, das geht meinen Mitarbeitern ähnlich. Es ist genau wie Anfang der 90er-Jahre – da hat es wenig später gebrannt.“

    „Hürriyet“ zitiert auch Bekir Alboga von der Türkisch-Islamischen Union (Ditib). Die staatliche türkische Organisation betreibt von der Türkei aus den Großteil der Moscheen in Deutschland und entsendet Imame. „Antisemitismus wird durch Islamophobie ersetzt“, sagt Alboga in dem Artikel. „Es ist erschreckend, dass antiislamische Gefühle in Deutschland zunehmen, trotz aller Bemühungen der deutschen Regierung, das Integrationsproblem zu lösen.“

    „Hürriyet“ verweist in ihrem aktuellen Artikel auf die offizielle türkische Politik, Deutschtürken zur Integration zu ermutigen, aber sie auch darin zu bestärken, sich gegen „Assimilation“ zu wehren. In diesem Zusammenhang sei der Staatsbesuch des deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff in der kommenden Woche in der Türkei eine weitere Gelegenheit, über Integrationsprobleme zu sprechen. Wulff hatte zuvor mit einer kontroversen Rede in Deutschland Wirbel und in der islamischen Welt Freude ausgelöst: Auch der Islam gehöre zu Deutschland, hatte der Bundespräsident darin erklärt.

    In Deutschland haben unterdessen Migrantenverbände den Ruf nach einer Deutschpflicht auf Schulhöfen heftig kritisiert. „Dies führt zu Stigmatisierung der Migrantensprachen“, hieß es am Freitag in einer gemeinsamen Erklärung. Die Kultusminister kamen am Morgen in Berlin mit Migrantenvertretern zu Gesprächen über Chancengleichheit für Kinder zusammen. Für eine Deutschpflicht hatte sich unter anderem die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), ausgesprochen.

    „Die Erstrangigkeit der deutschen Sprache ist für uns selbstverständlich“, erklärten die Verbände weiter. „Nur über die Wege dazu sollte gesprochen werden.“ Es sei ein Skandal, dass Schulen ausgezeichnet werden, weil sie Kindern mit ausländischen Wurzeln in der Pause die Benutzung ihrer Muttersprache verbieten. Die Fokussierung allein auf den Erwerb der deutschen Sprache lenke von den eigentlichen Problemen wie selektives Bildungssystem, geringe Ausbildungsbeteiligung aufgrund von Diskriminierungen und hohe Arbeitslosigkeit unter Menschen mit Migrationshintergrund ab. Zu den Unterzeichnern der Erklärung zählen die Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände, der Verband Deutsch-Arabischer Vereine und die Türkische Gemeinde in Deutschland.

    Quelle: Die Welt

  • »Irgendwann wird auch das Original gewählt«

    »Irgendwann wird auch das Original gewählt«

    15.10.2010
    »Irgendwann wird auch das Original gewählt«
    Parteien, die gegen Migranten mobil machen, werden Stimmen an NPD und andere verlieren. Gespräch mit Sevim Dagdelen
    Interview: Ralf Wurzbacher

    Sevim Dagdelen ist Sprecherin für Migrations- und Integrationspolitik der Bundestagsfraktion Die Linke
    Ein Viertel der deutschen Bevölkerung ist ausländerfeindlich eingestellt, jeder Vierte wünscht sich gar eine »deutsche Volksgemeinschaft«. Die Ergebnisse einer am Mittwoch vorgestellten Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung (jW berichtete) sind beängstigend. Waren sie auch absehbar?
    Ja. Seit dem 11. September 2001 und besonders nach dem Mord am niederländischen Regisseur Theo van Gogh erleben wir weltweit eine extreme Zunahme islamfeindlicher Einstellungen –auch hierzulande. Der Islam wird seither völlig verzerrt und einseitig mit Terrorismus gleichgesetzt. Zu dieser Stimmungsmache gegen Migranten und Muslime im besonderen hat die herrschende Politik maßgeblich beigetragen. Die Debatten in Politik und Medien sind von Klischees, Vorurteilen und Ressentiments durchsetzt. Es war eine Frage der Zeit, bis sich das auch in der Stimmung der Bevölkerung niederschlägt.
    Die besagte Studie stützt sich auf Umfragen vor der Diskussion um Thilo Sarrazins rassistische Thesen. Wie schätzen Sie die Lage aktuell ein?
    Die Politik wird gewiß von noch größerer Aggressivität geprägt sein. Daß Leute wie Sarrazin, Horst Seehofer oder Sigmar Gabriel Migranten rechtspopulistisch als »Integrationsunwillige« oder »unnütze« denunzieren, ist kein Zufall. Angesichts der anhaltenden Wirtschaftskrise wird das zunehmen. Um von den Schuldigen und Nutznießern der Krise abzulenken, wird gegen Migranten auf rassistische und sozialdarwinistische Weise gehetzt. Hinter dieser Kampagne stecken sowohl die herrschende Politik als auch große Medienkonzerne wie Bertelsmann und der Springer-Verlag. Die Leidtragenden der Krise sollen gespalten und Sündenböcke präsentiert werden. Soziale Konflikte werden wahrheitswidrig ethnisiert und kulturalisiert.
    Das geht aus Sicht der Machthaber immerhin so lange gut, wie die Leute nur rechts denken und nicht wählen, oder?
    Nach meiner Ansicht ist es nur eine Frage der Zeit, bis irgendwann auch das Original gewählt wird, also die NPD oder ähnliches. Andererseits ist es so, daß die etablierten Parteien zentrale Positionen solcher Parteien bereits übernommen haben – immer mit der Maßgabe, sie nicht den Rechten überlassen zu dürfen. Der ganze Nützlichkeitsrassismus wird bereits seit Jahren von der Union, der FDP und selbst von SPD und Grünen propagiert und umgesetzt. Ihre Botschaft lautet: Seht her, wer etwas gegen Migranten hat, befindet sich in der Mitte der Gesellschaft und braucht nicht die NPD zu wählen. Aber Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, daß man nicht im braunen Fahrwasser mitschwimmen kann, ohne Stimmen an die Rechte zu verlieren.
    Aber auch Wähler der Linken denken in Teilen fremdenfeindlich, insbesondere im Osten, wie die Studie ergeben hat.
    Auch unsere Wähler leben nicht im luftleeren Raum. Auch ihr Bewußtsein ist vom Sein bestimmt, und auch sie sind den alltäglichen Manipulationen, Lügen und Halbwahrheiten über Migranten ausgesetzt. Wer seine Arbeit verliert und von Armut bedroht wird, der ist oft empfänglicher für falsche Schuldzuweisungen an den türkischen Nachbarn oder Arbeitskollegen. Daß solche Denkmuster in Ostdeutschland so verbreitet sind, ist allerdings grotesk – dort leben ja weniger Migranten als im Westen. Dafür sind aber die sozialen Abstiegsängste besonders groß.
    Was kann Die Linke da tun?
    Sie muß die wahren Konfliktlinien in unserer Gesellschaft vermitteln. Daß es nicht die Migranten sind, die der Bewahrung der Lebensgrundlagen im Wege stehen, sondern die Logik einer Wirtschaft, deren höchstes Ziel der Profit ist, die den sozialen Frieden ebenso bedroht wie die Lebensgrundlagen von Deutschen sowie Migranten. Daß die Konfliktlinien nicht zwischen Deutschen und Migranten, den Kulturen oder Religionen verlaufen, sondern zwischen denen, die für ihre Arbeitsleistung gerade einmal einen mäßigen Lohn bekommen, und denen, die sich an der Arbeit ihrer Mitmenschen hemmungslos bereichern. Zwischen denen, die nur ihre Arbeitskraft am Markt anbieten können, und jenen, die diesen Markt mit reichlich Kapital steuern. Zwischen denen, die ohne Arbeit leben und bleiben, und jenen, die ihren Beschäftigten Überstunden und Mehrarbeit abverlangen.

    Kurzum: Sie muß vermitteln, daß Integration eine soziale Frage ist.

    Quelle: