Der Auftritt von Geert Wilders während der Gedenkfeiern am 11. September 2010 in New York war ein deutliches Zeichen für den geglückten „Zusammenschluss von Anti-Islamisten dies- und jenseits des Atlantiks“, schreibt Thomas Kirchner.
Islamfeinde in Europa und den USA
Internationale des Hasses
Es hat lange gedauert, bis der rabiate Islamhass à la Geert Wilders in den USA Fuß gefasst hat. Doch jetzt agieren die Islamgegner dies- und jenseits des Atlantiks gemeinsam. Über die Hintergründe informiert Thomas Kirchner.
Bundeskanzlerin Merkel fordert Bekenntnis zum Christentum
INTEGRATION | 16.10.2010
Merkel erklärt „Multikulti“ für gescheitert
Führende Unionspolitiker befeuern die Debatte über Integration von Ausländern in Deutschland. Kanzlerin Merkel erklärt die multikulturelle Gesellschaft für „gescheitert, absolut gescheitert“.
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Quelle:
Die Europäische Union wird am 9. November den Fortschrittsbericht veröffentlichen. Im Vorfeld der Veröffentlichung reiste Staatsminister und Chefunterhändler für Kontakte nach Brüssel. Nach seinen Kontakten in Brüssel wird Staatsminister Bagis in die ungarische Hauptstadt Budapest weiterreisen. Ungarn wird ab Neujahr die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen.
Die türkische Botschaft in Berlin wird auch dieses Jahr die erfolgreichsten türkischstämmigen Gymnasiasten in Deutschland auszeichnen. Die 13 türkischen Generalkonsulate in Deutschland wurden von dem Botschafter beauftragt, die erfolgreichsten türkischstämmigen Gymnasiasten zu finden, um sie bei einer Feier auszuzeichnen. Der türkische Botschafter Ahmet Acet dazu: „Es ist ein symbolischer Akt. Von 500 Tausend türkischstämmigen im deutschen Schulsystem besuchen gerade 25 Tausend die Hochschulen. In den deutschen Universitäten studieren dagegen 250 Tausend Ausländer. Die türkischen Studenten machen lediglich 10 Prozent aus, es ist viel zu wenig“, so Botschafter Acet.
Blind für die Geschichte: Laut Almut Shulamit Bruckstein Coruh „gab es keine jüdisch-christliche Tradition, sie ist eine Erfindung der europäischen Moderne und ein Lieblingskind der traumatisierten Deutschen.“
„Es bedarf einer erneuten Liaison der jüdischen Intellektuellen mit den Muslimen dieses Landes. Es ist wieder Zeit, dass wir bekennen müssen. Wo Muslime Fremde sind, sind wir es auch“, meint Bruckstein Coruh.
Qantara.de – Dialog mit der islamischen Welt
Islam-Debatte in Deutschland
Die jüdisch-christliche Tradition ist eine Erfindung
Auf dem derzeitigen Kampfplatz gibt es vor allem einen Gegner: den Islam. Dabei bedarf es einer neuen Liaison der jüdischen Intellektuellen mit den Muslimen dieses Landes, schreibt die Philosophin Almut Sh. Bruckstein Coruh in ihrem Essay.
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„Wo Muslime Fremde sind, sind wir es auch“
Die Fronten haben gewechselt. Was lesen wir heute? „Beim Islam handelt es sich um einen militanten Monotheismus, der seine Herkunft aus der Welt kriegerisch-arabischer Nomaden nicht verleugnen kann“ – und „sechs Millionen Muslime in der Bundesrepublik werfen Assimilations- und Integrationsprobleme auf“.
In Zeiten, in denen muslimische Traditionen unter Generalverdacht stehen, bedarf es einer erneuten Liaison der jüdischen Intellektuellen mit den Muslimen dieses Landes. Es ist wieder Zeit, dass wir bekennen müssen. Wo Muslime Fremde sind, sind wir es auch.
Almut Sh. Bruckstein Coruh
Almut Shulamit Bruckstein Coruh ist Fellow am Käte-Hamburger-Kolleg in Bonn und Professorin für jüdische Philosophie mit zahlreichen Veröffentlichungen im In- und Ausland. 2009 kuratierte sie die Ausstellung „Taswir – Islamische Bildwelten und Moderne“ im Martin-Gropius-Bau.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat schärfere Strafen für integrationsunwillige Ausländer abgelehnt und sich damit gegen Forderungen aus der Union gestellt. „Wir brauchen keine neuen Sanktionen“, sagte die FDP-Politikerin der „Süddeutschen Zeitung“.
Wer nicht zum Integrationskurs gehe, müsse schon nach geltendem Recht mit gravierenden Folgen rechnen, von der Nichtverlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis über Geldbußen bis zu Leistungskürzungen im Sozialrecht, sagte die Ministerin.
In der Debatte über angebliche Integrationsverweigerer müsse viel genauer hingesehen werden, warum jemand beim Integrationskurs fehle, etwa wegen Arbeit, Krankheit oder der Betreuung von Familienangehörigen, sagte die Justizministerin. Die schwarz-gelbe Bundesregierung will im Ausländer- und Zuwanderungsrecht den Druck auf integrationsunwillige Migranten erhöhen. Das Kabinett will am Mittwoch kommender Woche dazu einen Gesetzentwurf beschließen.
Unterdessen hat der stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Olaf Scholz davor gewarnt, die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte zu sehr zu erleichtern. Wenn man etwa die Einkommensgrenze, ab der Fachkräfte von außerhalb der EU ohne Vorrangprüfung einwandern können, zu stark senke, werde sich dies auf den Arbeitsmarkt für junge Akademiker auswirken, schreibt Scholz in einem Gastbeitrag für die „Financial Times Deutschland“.Anzeige„Es besteht die Gefahr, dass deren Gehälter sinken, wenn eine preiswertere Konkurrenz aus anderen Ländern möglich ist. Aus diesem Grund darf die Schwelle nicht zu weit nach unten gesenkt werden Lohndumping kann nicht unser Ziel sein“, so der ehemalige Bundesarbeitsminister. Bei klassischen Lehrberufen bestehe zudem nur deshalb ein Fachkräftemangel, weil die Unternehmen ihrer Verantwortung im Bereich der Ausbildung nicht nachkämen. „Wenn dieses Problem aber über Zuwanderung gelöst würde, dann kann es in Deutschland nicht gelingen, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren.“dpa
Foto: Wirtschaftsminister Rainer Brüderle
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WIRTSCHAFT | 21.10.2010 Amerikaner bewundern deutschen Boom
Früher galt die deutsche Wirtschaft als überreguliert, verkrustet und unflexibel. Doch nun setzt US-Präsident Obama auf Industrieproduktion und Export. Das ist kein Zufall, schreibt unsere Korrespondentin aus Washington.
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Quelle:
Sachbuch, Islam Der Untergang der islamischen Welt
Reformen notwendig, aber auch möglich?
Hamed Abdel-Samad diagnostiziert nicht nur eine gestörte Kommunikation zwischen islamischen und den westlichen Ländern. Er schreckt nicht zurück vor fundamentaler Islamkritik – und fordert eine neue Streitkultur, eine differenzierte Debatte über Muslime und Migration.
Neben der herrschenden Terrorgefahr führen die sich im Westen seit Jahren ausbreitende Gleichgültigkeit und das chronische Beleidigtsein der Muslime zu einem Klima des Misstrauens und der Angst auf beiden Seiten. (…) Aber wer hat Schuld daran, dass dieses Klima entstanden ist? Sind es wirklich nur die westlichen Medien und Populisten wie Thilo Sarrazin, die angeblich antimuslimische Ressentiments schüren, oder tragen die muslimischen Fanatiker (…) nicht ebenfalls Schuld daran? (…) Es fehlt eine Atmosphäre, in der ehrliche Kritik zulässig ist und die frei ist von Stimmungsmache, Apologetik und Überempfindlichkeit.
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Quelle:
In Deutschland startete eine neue Medienkampagne: Elf Prominente mit ausländischen Wurzeln werben mit schwarz-rot-goldener Zunge für Deutschkurse. Mit dabei ist etwa der Rapper Sido.
Elf Prominente zeigen auf Plakaten in Deutschland schwarz-rot-goldene Zunge: Sie sind „Botschafter“ mit ausländischen Wurzeln und werben in der Bundesrepublik für die deutsche Sprache. Die Kampagne nennt sich „Raus mit der Sprache. Rein ins Leben“. Ihre Nachricht lautet „Beherrschung der deutschen Sprache ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Integration“.
Zu sehen sind die niedersächsische Sozialministerin Aygül Özkan (CDU), der Fußballer Jerome Boateng, die Rapper Sido und Harris, die Sportgymnastin Magdalena Brzeska, die Tänzerin Nikeata Thompson, Moderatorin Jana Ina, die Boxer Firat Arslan und Arthur Abraham, der Schauspieler Elyas M’Barek und der Musiker Denyo von „Absolute Beginner“.
„Wer kein Deutsch kann, ist nur Zaungast“
Die Integrationsbeauftragte der deutschen Regierung, Maria Böhmer, stellte die zweite Staffel der Kampagne am Mittwoch im Kanzleramt vor. „Wer kein Deutsch kann, ist nur Zaungast in unserem Land“, sagte die CDU-Politikerin. Deshalb appelliere sie an alle Migranten, Deutsch zu lernen. „Sprache ist mehr als bloße Kommunikation – sie ist das Band, das uns verbindet.“
Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger hat 2008 die Deutschlandstiftung Integration ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, die Chancen von Mitbürgern mit Migrationshintergrund zu fördern.
Gute Resonanz bei erster Kampagne
Die erste Staffel für bessere Deutschkenntnisse wurde im März 2010 gestartet. Sie hat nach den Worten von Böhmer, die im Vorstand der Stiftung sitzt, gute Resonanz bekommen. Verlage unterstützten die Kampagne mit 200 kostenlos geschalteten Anzeigen in 100 Zeitschriften und Zeitungen.
Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Olaf Scholz lehnt einen zu unbürokratischen Zuzug von ausländischen Fachkräften ab – und denkt dabei an junge deutsche Akademiker. Zustimmung gibt es von der CSU.Wenn man etwa die Einkommensgrenze zu stark senke, ab der Fachkräfte von außerhalb der EU ohne Vorrangprüfung einwandern können, werde sich dies auf den Arbeitsmarkt für junge Akademiker auswirken, schrieb Scholz laut Vorabbericht in einem Beitrag für die „Financial Times Deutschland“ vom Donnerstag. „Es besteht die Gefahr, dass deren Gehälter sinken, wenn eine preiswertere Konkurrenz aus anderen Ländern möglich ist. Aus diesem Grund darf die Schwelle nicht zu weit nach unten gesenkt werden – Lohndumping kann nicht unser Ziel sein“, argumentierte Scholz.
Bei klassischen Lehrberufen bestehe zudem nur deshalb ein Fachkräftemangel, weil die Unternehmen ihrer Verantwortung im Bereich der Ausbildung nicht nachkämen, kritisierte der ehemalige Bundesarbeitsminister. „So werden in den Pflegeberufen nicht nur zu geringe Löhne gezahlt, es wird auch zu wenig ausgebildet. Wenn dieses Problem aber über Zuwanderung gelöst würde, dann kann es in Deutschland nicht gelingen, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren“, urteilte Scholz.
Friedrich gegen Punktesystem
CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich sagte, die bestehenden Zuwanderungsmöglichkeiten reichten aus, um den Bedürfnissen der Wirtschaft gerecht zu werden. Ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild lehnte er ab. „Damit würden wir nicht beim tatsächlichen Arbeitskräftebedarf ansetzen, sondern über eine willkürliche Punktebewertung Menschen ins Land holen, ohne zu wissen, ob sie tatsächlich gebraucht werden“, sagte Friedrich der „Passauer Neuen Presse“.Friedrich sagte, er sehe genügend Stellschrauben, um das Problem des bestehenden Fachkräftemangels in Deutschland zu lösen. Neben der besseren Ausbildung junger Leute und lebenslangem Lernen werde es mehr Fachkräfte auch dann geben, wenn die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen verbessert werde. Außerdem könne Deutschland ab dem 1. Mai 2011, wenn uneingeschränkte Freizügigkeit auf dem europäischen Arbeitsmarkt gilt, das Fachkräftepotenzial aus Polen, Tschechien und anderen EU-Beitrittsländern nutzen.
Staatsbesuches veröffentlichte die Zeitung „Hürriyet“ gestern ein Interview mit Christian Wulff. Darin würdigt er die Reformen unter Atatürk, dem Gründer der modernen Türkei. Am Vormittag, noch vor der Begrüßung mit militärischen Ehren, besucht Wulff in Ankara das Atatürk-Mausoleum. Er legt einen Kranz nieder – und verharrt anschließend schweigend vor dem gewaltigen marmornen Sarkophag. Soldaten geleiten das deutsche Staatsoberhaupt zum Gedenkbuch für Atatürk. „Er war Schöpfer der modernen Türkei und Wegbereiter nach Europa“, trägt Wulff in das Buch ein. Er würdigt Atatürks Werk „in Hochachtung“.
Lob und Ehrerbietung für Atatürk, den Vorkämpfer des Laizismus und den Gründer der säkularen Türkei, kommen indes ein wenig seltsam daher während dieses Staatsbesuchs. So sehr sich Deutsche und Türken in den vergangenen Jahrzehnten stets hinter Atatürk und dessen Verdiensten versammelt haben, so überholt erscheint heute die beschworene Trennung von Staat und Kirche. Die Religion ist aus ihrer Nische herausgetreten. Zuweilen erscheint sie als das wichtigste Thema zwischen beiden Staaten. Ausgerechnet heute, zur Begrüßung Wulffs, schreitet Hayrünnisa Gül, die Ehefrau des türkischen Staatspräsidenten, die militärische Ehrenformation mit einem Kopftuch ab. Aus laizistischer Sicht begeht die Ehefrau des ersten Mannes im Staate einen Traditionsbruch. Die Kemalisten sind der Ansicht, das Kopftuch habe im öffentlichen Raum nichts verloren. Hayrünnisa Güls Bekenntnis dürfte deshalb in der Türkei Wellen schlagen.
Doch die Religion erfährt nicht nur über das Kopftuch Aufmerksamkeit. Auch der Bundespräsident widmet Islam und Christentum allerlei Platz. Sein Wort vom 3. Oktober, wonach der Islam inzwischen auch zu Deutschland gehöre, ist in der Türkei positiv registriert worden. Und so wie Wulff, etwas simplifizierend, in seiner Bremer Rede sagte, Christentum, Judentum und Islam gehörten zu Deutschland, so konstatierte er gestern in Ankara: „Vielleicht wissen wir zu wenig von den Gemeinsamkeiten der drei monotheistischen Weltreligionen.“ Wulff also gibt eine Art Nathan den Weisen des 21. Jahrhunderts ab. Er wirbt für Toleranz wie einst Gotthold Ephraim Lessing in der berühmten Ringparabel. Einen „echten“ Ring, eine „echte“ Religion, gibt es für Christian Wulff nicht. Das ist für manch einstigen Parteifreund starker Tobak. Wenngleich es wohl Wulff amüsieren dürfte, dass konservativ-klerikal argumentierende Landsleute zwar den Islam für seine Rückständigkeit attackieren, aber ebenso fremdeln mit einer Frau an der Spitze von CDU und Regierung. Zumal es sich gar um eine kinderlose Protestantin handelt! Ein solches Denken liegt dem westdeutschen, einstigen CDU-Politiker Wulff fern.
Den Religionen widmet sich Wulff auch, als er zu seiner Rede vor der türkischen Nationalversammlung ansetzt. Nicht einmal jeder zweite orangefarbene Sessel im Parlament zu Ankara ist besetzt. Nur sehr gemächlich erheben sich die Abgeordneten, während der Bundespräsident den Saal betritt – und wieder, als er ihn 22 Minuten später verlässt. Wulff ist der erste Bundespräsident, der hier spricht. Während der Rede klingeln allerlei Mobiltelefone. Wie üblich eilt Wulff so schnell durch sein Manuskript, dass er manch klugen Gedanken unter Wert verkauft. Nur an einer Stelle bleibt Raum für einen Zwischenapplaus, als er der Türkei dankt, von den Nationalsozialisten verfolgte Deutsche aufgenommen zu haben.
Zur Beruhigung im eigenen Land benennt der Bundespräsident in Ankara Probleme etwas prägnanter, als er es am 3. Oktober tat. Über „Verharren in Staatshilfe“ und „Machogehabe“ klagt er, mit dem Zusatz, dies gebe es nicht nur bei Einwanderern. Von „multikulturellen Illusionen“ spricht Wulff, bezieht diese aber, rhetorisch geschickt, auf die Vergangenheit. Er scheut sich nicht, ausgerechnet seinen stark kritisierten Satz vom Islam zu paraphrasieren, indem er heute feststellt: „Das Christentum gehört zweifelsfrei zur Türkei.“ Wulff lässt aber ebenso unerwähnt, dass der Apostel Paulus auf heute türkischem Boden, in Tarsus, geboren wurde. Die christlichen Wurzeln der heutigen Türkei liegen auf der Hand. Konstantinopel galt als das östliche Rom. Die Türkei war christlich, bevor sie von den Muslimen erobert wurde. Die Christen wurden hier verfolgt und vertrieben.
In Tarsus werde er, kündigt Wulff an, morgen einen ökumenischen Gottesdienst mitfeiern. Die dortige Paulus-Kirche ist ein Museum, soll aber wieder zur Kirche werden. „Wir erwarten“, sagt Wulff selbstgewiss, „dass Christen in islamischen Ländern das gleiche Recht haben, ihren Glauben öffentlich zu leben, ihren eigenen theologischen Nachwuchs auszubilden und Kirchen zu bauen.“ Den Kemalisten gefällt solch ein Satz nicht. Doch auch in Deutschland, in der traditionell kirchenfernen FDP, dürfte Wulffs Akzent auf dem Religiösen nicht auf Beifall stoßen.
Bei all seinen Sätzen zu Christen und Muslimen, zu Kirchen und Moscheen spricht Wulff am Ende seiner Rede von seiner Hoffnung auf eine friedliche Welt im 21. Jahrhundert. „Frieden im Lande und Frieden in der Welt“, beendet er seine Rede mit einem Zitat. Erst auf Deutsch, dann auf Türkisch. Das Zitat stammt von – Mustafa Kemal Atatürk.
Bundespräsident spricht vor Parlament „Das Christentum gehört zur Türkei“
19.10.2010
Ankara (RPO). In der ersten Rede eines Bundespräsidenten vor dem türkischen Parlament hat Christian Wulff die Türkei zu mehr Toleranz gegenüber den Christen aufgerufen. „Das Christentum gehört zweifelsfrei zur Türkei“, sagte Wulff am Dienstag in Ankara. Aus Deutschland erntet Wulff Lob. In der Türkei sieht dies ein wenig anders aus.
Es war ein historischer Tag in Ankara. Und Wulff wählte bei seiner Rede vor dem Parlament deutlich Worte. „Die Religionsfreiheit ist Teil unseres Verständnisses von Europa als Wertegemeinschaft“, sagte Wulff. In Deutschland könnten Muslime ihren Glauben „in würdigem Rahmen praktizieren“, was an der wachsenden Zahl der Moscheen in der Bundesrepublik ablesbar sei.
Klare Worte an die Türkei
„Gleichzeitig erwarten wir, dass Christen in islamischen Ländern das gleiche Recht haben, ihren Glauben öffentlich zu leben, theologischen Nachwuchs auszubilden und Kirchen zu bauen“, sagte Wulff, der damit auf die rechtlichen Probleme der Christen anspielte, die weniger als ein Prozent der Menschen in dem 70-Millionen-Land Türkei ausmachen.
In der Türkei stoßen diese Aussagen offenbar auf ein gemischtes Echo. Beobachter sprechen von einem „eisigen Schweigen“, das bei diesen Passagen im Parlament geherrscht habe. Staatspräsident Abdullah Gül rang in der anschließenden Pressekonferenz lange nach Worten und gab dann eine ausladende Stellungnahme ab. Am Ende rang sich Gül zu der Aussage durch, er sei natürlich das Staatsoberhaupt für alle Christen im Land.
Die Grünen feiern Wulff
Bei den Grünen in Deutschland stieß Wulffs Rede auf ein positives Echo. „Der Bundespräsident hat eine wichtige Rede gehalten“, erklärte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Trittin in Berlin. „Erfreulich klar“ habe Wulff unterstrichen, dass er der Präsident aller in Deutschland lebender Bürger sei. „Der Beitrag türkischer Zuwanderer für Deutschland ist nicht wegzudenken, und wir sind Ihnen zu Dank verpflichtet“, ergänzte Trittin. Der Grünen-Politiker lobte außerdem die Äußerungen Wulffs zu Toleranz und Religionsfreiheit: „Damit hat er dem unseligen Gerede von Leitkultur eine deutliche Absage erteilt.“
Der Bundespräsident hatte zuvor in einem Interview mit der Zeitung „Hürriyet“ an Ankara appelliert, Toleranz und Religionsfreiheit nicht nur für den Islam, sondern auch für andere Religionen wie Christentum und Judentum „in vollem Umfang“ zu verwirklichen. Am Donnerstag will der Bundespräsident an einem ökumenischen Gottesdienst in der Paulus-Kirche im südtürkischen Tarsus teilnehmen, um sein Engagement bei diesem Thema zu unterstreichen. Am Freitag steht ein Treffen in Istanbul mit dem griechisch-orthodoxen Patriarchen Bartholomäus I. auf dem Programm, der symbolisches Oberhaupt von rund 300 Millionen orthodoxen Christen in aller Welt ist.
Problem türkischer Nationalisten
Türkische Nationalisten betrachten die Christen als potenzielle Gefahr für die Einheit des Landes. Die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte in den vergangenen Jahren einige Reformen zugunsten der Christen auf den Weg gebracht, doch gibt es erhebliche Probleme bei der Umsetzung. Gül sagte bei einer Pressekonferenz mit Wulff, dass es in der Türkei natürlich auch christliche und jüdische Staatsbürger gebe: „Ich bin auch deren Präsident.“
Wulff ging in seiner Rede auch auf die Integrationsdebatte in Deutschland ein. Die türkischen Zuwanderer in der Bundesrepublik „gehören zu unserem Land“, machte er deutlich. „Einwanderer haben Deutschland vielfältiger, offener und der Welt zugewandter gemacht. “ Es gebe aber Integrationsprobleme wie „das Verharren in Staatshilfe, Kriminalitätsraten, Machogehabe, Bildungs- und Leistungsverweigerung“, sagte der Bundespräsident. Bei der Pressekonferenz mit Gül rief Wulff Deutsche und Türken auf, bei allen Problemen nicht die Gemeinsamkeiten zu vergessen: „Das Verbindende ist mehr als das Trennende“.
CSU-Chef Horst Seehofer lässt sich von der Kritik von Bundespräsident Christian Wulff an seinen umstrittenen Zuwanderungsthesen nicht beirren. «Ich habe eine Meinung zu dieser Thematik. Die Meinung liegt sehr im Interesse der in Deutschland lebenden Menschen – und ich werde diese Meinung beibehalten», sagte Seehofer am Dienstag am Rande einer CSU-Fraktionssitzung in München. Zu den Aussagen Wulffs wollte er aber keine Stellung nehmen. «Ich bewerte den Bundespräsidenten und Aussagen von ihm nicht», sagte er.
Wulff hatte sich zum Auftakt seines Besuches in Ankara gegen einen Zuzugstopp für Zuwanderer aus der Türkei gewandt, wie er von Seehofer verlangt worden war. Wulff sagte in einem Interview der türkischen Zeitung «Hürriyet»: «Zu behaupten, eine ganze Gruppe könne und wolle sich nicht integrieren, halte ich für falsch. Ich wende mich gegen jedes Pauschalurteil.»
Seehofer hatte zuvor im «Focus» gesagt: «Es ist doch klar, dass sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie aus der Türkei und arabischen Ländern insgesamt schwerer tun.» Daraus ziehe er den Schluss, «dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen».
Auf dem Höhepunkt der Integrationsdebatte in Deutschland besucht Bundespräsident Christian Wulff die Türkei. Foto: dapd, dapd
Türkei-Besuch startet Dienstag
Die Erwartungen an Wulff sind riesig
zuletzt aktualisiert: 18.10.2010
Ankara (RPO). Bundespräsident Christian Wulff trifft am Dienstag bei seinem ersten Staatsbesuch in der Türkei mit Staatspräsident Abdullah Gül und Regierungschef Recep Tayyip Erdogan zusammen. Am Nachmittag soll Wulff als erstes deutsches Staatsoberhaupt eine Rede vor dem türkischen Parlament in Ankara halten. Die Erwartungen an Wulff sind riesig.
Außerdem steht eine Kranzniederlegung am Mausoleum des türkischen Staatsgründers Kemal Atatürk sowie ein Treffen mit dem Chef der türkischen Religionsbehörde auf dem Programm. Die bis Freitag dauernde Türkei-Reise des Bundespräsidenten wird vor allem wegen der Integrationsdebatte in Deutschland mit Spannung verfolgt.
Grünen-Chef Cem Özdemir (Grüne) forderte Wulff am Montag auf, konstruktiv über die Integration zu reden und sich von „Rechtspopulisten“ wie Horst Seehofer (CSU) zu distanzieren. Özdemir sagte dem „Hamburger Abendblatt“, der Bundespräsident müsse deutlich machen, dass in Deutschland ein parteiübergreifendes Interesse an einer rationalen Debatte bestehe.
Der integrationspolitische Sprecher der SPD, Rüdiger Veit, sagte der Zeitung, Wulff solle „den Türken sagen, dass sie hier in Deutschland willkommen sind“. Außerdem sei Panik vor einem Zuviel an Zuwanderung unangebracht, so Veit. Die Zahl der Türken, die wieder in ihre Heimat zurückkehren, sei höher als die Zahl der Einwanderer.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz (CDU), appellierte an den Bundespräsidenten, er solle auf bessere Bedingungen für Christen in der Türkei drängen. Der Bundespräsident könne seinen Gastgebern vermitteln, dass sie „stolz sein können auf ihr christliches Erbe“, sagte Polenz der unserer Redaktion. Wesentliche Wirkstätten des Urchristentums lägen in der Türkei. Wulff müsse die Türkei dazu ermuntern, ihr christliches Erbe als Schatz zu pflegen. Damit könne sie auch näher an Europa heranwachsen.
Der Präsident der Gesellschaft für bedrohte Völker International (GfbV), Tilman Zülch, sieht den Bundespräsidenten auch bei der Kurdenfrage gefordert. Denn gleichzeitig mit der Ankunft Wulffs in der Türkei beginne auch der Prozess gegen 151 kurdische Politiker, schreibt Zülch in einem Brief an den Bundespräsidenten. Wulff solle spürbare Fortschritte bei der Durchsetzung der Rechte der Kurden einfordern und so die schwindenden Hoffnungen auf eine friedliche Lösung der Kurdenfrage wiederbeleben.
Die muslimischen Verbände in Deutschland erhoffen sich vom Besuch des Bundespräsidenten in der Türkei Impulse für die Integration des Islam in Deutschland. Wulff könne dabei die Beziehungen Deutschlands mit der islamischen Welt erweitern und fördern, sagte der Beauftragte für interreligiösen Dialog der „Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion“ (DITIB), Bekir Alboga, dem Berliner „Tagesspiegel“.
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman A. Mazyek, erwartet von Wulffs Besuch auch Auswirkungen auf die Frage des Beitritts der Türkei zur Europäischen Union: „So wie der Islam Teil Deutschlands ist, ist die Türkei Teil Europas“, sagte er der Zeitung. Er freue sich, „dass der Bundespräsident mit seinem Besuch die deutsch-türkische Freundschaft festigt“.
Der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kizilkaya, betonte „wenn die Integration des Islam in Deutschland auch Thema während seines Besuchs in der Türkei ist, freut uns das“ entschieden werde die Frage nach der Integration in Deutschland selbst, so Kizilkaya.
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, hat in der Integrationsdebatte die Rückkehr zur Sachlichkeit angemahnt. Deutschland erlebe derzeit bei diesem Thema „einen Überbietungswettbewerb in populistischen Phrasen“, kritisierte Mazyek in der ZDF-Sendung „Maybrit ILLNER“. Das Land laufe Gefahr, insbesondere sein „Bild nach außen“ kaputt zu machen. „Wir müssen wieder zurück zur Sachlichkeit.“
Die Gäste:
Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), Parteivorsitzender
Markus Söder (CSU), Bayerischer Staatsminister für Umwelt und Gesundheit, ehemaliger CSU-Generalsekretär
Wolfgang Huber, ehemaliger EKD-Ratsvorsitzender
Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD)
Michael Schmidt-Salomon, Atheist, Religionskritiker und Philosoph
Im Publikum: Fadi Saad, Quartiersmanager und Streetworker in Berlin-Reinickendorf
Stadtpolitik soll sich nach schwarz-gelben Plänen wieder aufs Baggern und Mauern beschränken.
Foto: ZB/Sauer
15.10.2010 / Schwarz-Gelb spart sich die Integration
Im Rahmen von Kürzungen bei der Städtebauförderung wird es für benachteiligte Stadtteile weniger Geld geben
Von Velten Schäfer
Während Schwarz-Gelb eine vermeintliche Integrationsdebatte befeuert, plant die Regierung zugleich massive Einschnitte in der Städtebauförderung. Betroffen sind ausgerechnet die Anbieter integrativer Maßnahmen in »Problem-Stadtteilen«.
Ob Augsburg, Potsdam, Aachen, Castrop-Rauxel, Worms oder Rostock: Die Klagen kommen aus der ganzen Republik – und sie häufen sich in diesen Tagen: Im Rahmen von Sparmaßnahmen bei der Städtebauförderung fürchten deutsche Stadtpolitiker um die Zukunft von Projekten im Rahmen des Programmes »Soziale Stadt«.
Durch dieses Bundesprogramm, das 1999 von der rot-grünen Bundesregierung gestartet worden war, um der »Abwärtsspirale« in benachteiligten städtischen Quartieren Einhalt zu gebieten, wurden bisher sowohl bauliche Maßnahmen gefördert als auch soziokulturelle Projekte wie Nachbarschaftsläden, Begegnungszentren oder das Quartiersmanagement gefördert.
Zurück zum Beton
Nun hat der Bauausschuss im Bundestag beschlossen, die Förderkriterien des Programms entscheidend zu verändern: Gelder sollen künftig nur noch in »investive« Vorhaben fließen – und die Kriterien dafür sind eng gesteckt. »Die Bundesregierung will in der Städteförderung ein Zurück zum Beton verordnen«, klagt Regine Lück, Arbeitsmarktexpertin der Linkspartei im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern.
Vergangene Woche hatte der Bauausschuss des Bundestages beschlossen, die Städtebauförderung um insgesamt 155 Millionen Euro zu kürzen. Im Programm »Soziale Stadt« soll dazu der Artikel umgeschrieben werden, der die Förderkriterien definiert. Demnach stehen nur noch Vorhaben zur baulichen »Verbesserung des Wohnumfeldes«, zur »sozialen Infrastruktur« im Sinne von Schulen, Kitas oder Spielplätzen und die Umnutzung von Brachen und leerstehenden Gebäuden im Fokus – darüber hinausgehende Projekte, die Nachbarschaft und Zusammenleben stärken und Rahmen setzen für ehrenamtliches Engagement, gelten nicht länger als förderwürdig. »Mit den beschlossenen Kürzungen stehen Projekte zur Integration von Migrantinnen und Migranten vor dem Aus. Kommunen werden zukünftig mit diesen Problemen allein gelassen«, bilanziert Heidrun Bluhm, die Städte- und Wohnungspolitikerin der Bundestags-Linksfraktion.
Regine Lück, die auch Mitglied der Rostocker Bürgerschaft ist, spricht von einer »de-facto-Abschaffung« des Programms. Als Beispiel für bedrohte Integrationsangebote nennt sie die Stadtteil- und Begegnungszentren in ärmeren Rostocker Stadtteilen wie Toitenwinkel: »Dort können gerade Kinder aus den finanzschwachen oder aus Einwandererfamilien kostenfreie Sprach-, Koch- und andere Kurse machen oder eine Fahrradwerkstatt nutzen.«
Forcierte Gettobildung
»Unlauter und dreist« ist aus der Sicht der Landespolitikerin Lück zudem das Geschiebe um die »Kosten der Unterkunft« für Hartz-IV-Empfänger. Die Bundesregierung brüstet sich derzeit mit der Ankündigung, ihren Anteil an diesen Kosten 2011 auf 25,1 Prozent anzuheben – nachdem sie ihn für das laufende Jahr auf durchschnittlich 23,6 Prozent abgesenkt hat.
Nach Lücks Rechnung entspricht das Bundes-Engagement auch im kommenden Jahr »gerade mal dem seit 2005 gesetzlich vorgeschriebenen Minimum« und liege auf seinem absoluten Tiefstand. Von einer angemessenen Beteiligung des Bundes an dieser Grundaufgabe könne da nicht mehr gesprochen werden. Am Ende lasse man die finanzgebeutelten Kommunen auch damit im Stich – und riskiere so, dass diese den Umzug von Hilfeempfängern in ihre Billig- und Problemviertel schon aus Kostengründen weiter forcieren.
Dabei fordert der Bundesrat schon seit einem Jahr eine neue Berechnungsgrundlage für die Kosten der Unterkunft. Gestern war das Thema auch im Vermittlungsausschuss, bereits zum zweiten Mal.
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Hochschulen Tübingen und Münster
Imam-Ausbildung für die Integration
14.10.2010
Berlin (RPO). Deutschland startet im kommenden Jahr eine fundierte Hochschulausbildung islamischer Theologen. Ab dem Wintersemester 2011/12 soll in Tübingen, Münster und Osnabrück ein neuer Fachbereich „Islamische Studien“ die Ausbildung von islamischen Religionslehrern für die Schulen sowie von Imamen mit theologischer Forschung verbinden, wie Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) am Donnerstag in Berlin ankündigte.
Die CDU-Politikerin warb für den Schritt auch als Beitrag zur Integration und zur „Weiterentwicklung des Islam als Religion“. Große muslimische Verbände wie die Türkisch-Islamische Union (DITIB) lehnen das Vorhaben entschieden ab. Anders als bei den Theologen der christlichen Kirchen existieren für Imame in Deutschland bisher keine anerkannten Ausbildungswege. Seit kurzem gibt es lediglich erste Angebote zur Ausbildung islamischer Religionspädagogen für Schulen.
Eine islamische Theologie in Deutschland könne zur „Selbstreflexion, Selbstkritik, Klärung und Aufklärung“ der Religion beitragen und sei ein „guter Beitrag zur Ausbildung von europäisch-muslimischer Gelehrsamkeit“, sagte Schavan. Angesichts der derzeit hitzig geführten Integrationsdebatte sei es dringend notwendig, zwischen dem Islam als Religion und dem politischen Islamismus zu unterscheiden. Zugleich sei es wichtig, dass sich die islamische Religion weiterentwickeln könne. Deutschland habe durch die lange Tradition mit den christlichen Theologien „die geeigneten Erfahrungen, um ein solches Kapitel zu schreiben“.
In Tübingen soll der neue Studiengang eigenständig, in Münster und Osnabrück in einer Kooperation der Hochschulen angeboten werden. Der Bund finanziert dabei für die nächsten fünf Jahre mit jeweils mindestens vier Millionen Euro Forschungsprofessuren, Mitarbeiterstellen und Nachwuchsgruppen. Die Standorte wurden von einer Jury des deutschen Wissenschaftsrates ausgewählt.
700.000muslimische Schüler in Deutschland
Der Bedarf dafür ist in Deutschland enorm: Derzeit werden an deutschen Schulen schätzungsweise 700.000 muslimische Schüler unterrichtet. Bei einer flächendeckenden Einführung des islamischen Religionsunterrichts würden rund 2000 Lehrkräfte benötigt. Auch Religionsgelehrte sollen künftig vermehrt an deutschen Hochschulen ausgebildet werden. Derzeit kommen in Deutschland fast alle Imame, die in den Moscheen für das Freitagsgebet zuständig sind, aus dem Ausland. Darüber hinaus sollen Absolventen der neuen Studiengänge in die Sozialarbeit gehen können und den wissenschaftlichen Nachwuchs für die neue Disziplin bilden.
Bei einer zweiten Auswahlrunde im März sollen laut Schavan zwei weitere Hochschulen als Islamstudien-Standorte ausgewählt werden. Zum nächsten Wintersemester könnten dann insgesamt rund 400 Studenten das neue Fach studieren. Die Universität Erlangen, die sich ebenfalls beworben hatte, wurde gebeten, ihr Konzept nachzubessern und im März erneut vorzulegen. Der Antrag Hessens für den Standort Marburg/Gießen konnte die Jury dagegen nach den Worten Schavans „nicht überzeugen“.
Umstritten bleibt die Rolle der muslimischen Beiräte, die jeden der neuen Islamstudiengänge begleiten sollen. Nach der Vorstellung des Wissenschaftsrates sollen die Universitäten die akademischen Standards garantieren und die Bewerber für Forschung und Lehre auswählen. Ein muslimischer Beirat soll dann klären, ob es aus religiösen Gründen Einwände gegen die Kandidaten gibt.
Zentralrat der Muslime begrüßt Ausbildung
Der Zentralrat der Muslime begrüßt die eingeläutete Ausbildung von Imamen in Deutschland. „Das ist ganz in unserem Sinne“, sagte der Zentralratsvorsitzende Aiman Mazyek dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Imame seien „Vorbeter, Wissensvermittler, Seelsorger und auch Integrationslotsen“. Deshalb sei es wichtig, „dass sie von hier kommen, eine universitäre Ausbildung haben und qualifiziert auf die gesellschaftlichen Herausforderungen in Deutschland eingehen können“.
Kritisch äußerte sich der Zentralrat der Muslime über die von Schavan angeregte „Weiterentwicklung“ des Islam als Religion. „Der Islam muss nicht verändert werden, sondern die Muslime müssen hier heimisch werden“, sagte Mazyek. Dazu gehöre, dass man den Islam als gleichberechtigte und anerkannte Religionsgemeinschaft sehe. Das sei noch nicht der Fall. „Die Ausbildung von Imamen ist ein wichtiger Baustein auf dem Weg der Anerkennung.“
Zentralrat der Ex-Muslime: Deutsche Imam-Ausbildung ein „Skandal“
Der Zentralrat der Ex-Muslime hat die geplante Imam-Ausbildung an drei deutschen Universitäten scharf kritisiert. „Die Imam-Ausbildung als Integrationsbeitrag zu verkaufen, ist ein Skandal. Diese Imam-Ausbildung bringt keinerlei Fortschritte bei der Integration der Muslime in Deutschland. Im Gegenteil: Es verfestigen sich Parallelkulturen“, sagte Zentralratsvorsitzende Mina Ahadi der „Leipziger Volkszeitung“.
Auch eine deutsche Imam-Ausbildung würde nicht verhindern, dass der Einfluss der islamischen Verbände in Deutschland wachse, die die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen von Religion und Unterdrückung radikal verändern wollten. „Wir erleben leider wieder eine neue Form der Verharmlosung von Scharia und Frauenfeindlichkeit des Islam. Das erniedrigt und enttäuscht all die Menschen, die glauben, in Deutschland in einer aufgeklärten Demokratie des 21. Jahrhundert zu leben“, so Ahadi weiter. Mit Sorge betrachte sie diese Fehlentwicklungen in der Politik. „Unter der guten Absicht der Integration werden die brutalen Auswüchse des Islamismus einfach ignoriert. Aber auch die Muslime sollten sich der Kultur und den gesellschaftlichen Werten ihres Gastlandes anpassen und nicht ständig neue Rechte einfordern.“
Der türkische Premier Erdogan mahnt in Berlin Fortschritte bei den EU-Verhandlungen an und nennt die Integration „sehr wichtig“. Ankara fühlt sich seit geraumer Zeit im Beitrittsprozess hingehalten.
BERLIN –
Die Türkei erwartet von Deutschland eine stärkere Unterstützung auf ihrem Weg in die Europäische Union. Nach einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel hob Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan in Berlin die „exponierte Lage“ der Bundesrepublik in der EU hervor und bat um Fürsprache: „Es darf keine Verlangsamung des Beitrittsprozesses geben.“
Ankara fühlt sich seit geraumer Zeit bei dem im Jahr 2005 eingeleiteten Beitrittsprozess von seinen Partnern hingehalten. Die in insgesamt 35 Themen-„Kapitel“ unterteilten Verhandlungen stocken aus mehreren Gründen: weil zahlreiche Dossiers irgendwie mit der Zypern-Frage verknüpft werden, bei der sich sowohl das EU-Mitglied Zypern stur zeigt als auch die Türkei selbst, die den Nordteil der Mittelmeerinsel kontrolliert. Und weil mehrere Alt-Mitglieder, allen voran Frankreich, die Türkei schlichtweg nicht im 27-er Club sehen wollen.
Seinem Land sei eine Vollmitgliedschaft in Aussicht gestellt worden, und dieses „Versprechen“ müsse gehalten werden, betonte Erdogan. Merkel, die wie auch die große Mehrheit von CDU und CSU diesem Anliegen im Grunde ablehnend gegenüber steht, sicherte ihrem Gast Fairness zu. Die Beitrittsverhandlungen sollten vereinbarungsgemäß „ergebnisoffen“ geführt werden. Sie stellte auch in Aussicht, dass demnächst weitere Beitrittskapitel geöffnet werden könnten; diese Bemerkung kann durchaus als Zugeständnis gegenüber Ankara gewertet werden, da etwa Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy in diesem Punkt ein klares Nein propagiert.
Die Kanzlerin machte keinen Hehl daraus, dass für den Stillstand in der Zypern-Frage mehrere Seiten mitverantwortlich seien. Sie werde bei einem Besuch der Insel im kommenden Januar „eine hilfreiche Rolle“ Deutschlands anbieten und dabei auch „sehr klar“ mit der Regierung der südlichen (der EU angehörenden) Republik reden. Die Türkei setzt seit Jahren das sogenannte Ankara-Protokoll nicht um und verweigert der griechischen Republik Zypern damit den Zugang zu ihren Häfen und Flughäfen. Die Republik wiederum sperrt sich seit ihrem EU-Beitritt 2004 dagegen, dem Nordteil seit langem zugesagte Handelserleichterungen zu gewähren.
In einer Umfrage lehnt eine klare Mehrheit der Bundesbürger einen EU-Beitritt der Türkei ab. In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid für Bild am Sonntag sprachen sich 69 Prozent der Befragten gegen einen EU-Beitritt Ankaras aus. 27 Prozent waren dafür. Besonders groß ist die Ablehnung der Umfrage zufolge bei Senioren sowie den Anhängern von CDU und CSU.
Merkel und Erdogan kündigten eine kritische Bilanz zum Stand der Integration an. Der 50. Jahrestag des Anwerbeabkommens für türkische Gastarbeiter im Oktober 2011 solle zum Anlass genommen werden, den Blick auch auf „die unverkennbar bestehenden Probleme“ zu lenken, sagte Merkel. Erdogan machte deutlich, dass die Integration seiner Landsleute in Deutschland „sehr wichtig“ sei und dass „Defizite“ abgebaut werden müssten. Er appellierte an die hier lebenden Türken, neben ihrer Muttersprache unbedingt auch Deutsch zu erlernen sowie den Werten in ihrem Gastland „Respekt“ zu zollen.
Von seiner vor knapp zwei Jahren bei einem Auftritt in Köln gemachten Warnung vor einer „Assimilation“ war bei Erdogan jetzt keine Rede mehr. Dafür lobte er in den höchsten Tönen, dass Bundespräsident Christian Wulff kürzlich „Realitäten“ in Bezug auf die Rolle des Islam in Deutschland zur Sprache gebracht habe.
Merkel bat Erdogan nach Angaben aus Regierungskreisen darum, gegen Zwangsverheiratungen junger Türkinnen vorzugehen. Gesprächsbedarf bestehe daneben, was die Kontrolle über Islamschulen in Deutschland sowie die Terrorismusbekämpfung betreffe. Auch das Anliegen Ankaras nach umfassenden Visaerleichterungen für türkische Staatsbürger, die in die EU reisen wollen, sei noch nicht spruchreif, hieß es.
Der Arbeitgeberverein in Deutschland hat davor gewarnt, mit der Migrationsdebatte dringend benötigte ausländische Fachkräfte zu vergraulen. Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt sagte hinsichtlich der anhaltenden Debatte: „Wir sind alle verpflichtet, die Diskussion so zu führen, dass negative Auswirkungen auf Interessenten anderer Länder nicht entstehen. Der Fachkräftemangel wird mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und durch den demografischen Wandel noch verstärkt. Deutschland benötigt auch in Zukunft Fachkräfte aus dem Ausland“, so Hundt. Angesichts der 400.000 fehlenden Facharbeiter ist Zuwanderung dringend nötig, sagte auch DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann gegenüber dem Südwestrundfunk.