Kategorie: Featured Stories

  • Erdogan: Die Attacke auf gemischte Studenten-WGs

    Erdogan: Die Attacke auf gemischte Studenten-WGs

    Was eure Kinder so treiben

    Türkischer Kulturkampf: Premier Erdoğan will nicht, dass Studenten beiderlei Geschlechts zusammenwohnen VON ÖZLEM TOPÇU

    Küsse während einer Demonstration in Istanbul  |  © Ozan Kose/AFP/Getty Images

    Etwa 100 Meter vom Gezi-Park entfernt sitzt Gökhan Biçici im Café Kumbara (Sparbüchse) und versucht zu erklären, wie der türkische Vater im Allgemeinen so funktioniert. Um ihn herum Studenten; einige lachen und scherzen miteinander, andere sind tief in ihre Bücher versunken. Auf den Tischen liegen unter Glasplatten lauter kleine Zettel mit Botschaften wie „Wer mir Englisch beibringt, dem will ich 40 Jahre lang ein Sexsklave sein“ oder „Kämpfe für deine Freiheit, lebe und lass leben“. Dies ist eine elternfreie Zone, in der man sich sogar die Getränke leisten kann. „Der typische türkische Vater ist stockkonservativ, solange seine Kinder zuhause wohnen, haben sie zu gehorchen und nach seinen Werten zu leben“, sagt der 35-jährige Journalist. „Wenn sie zum Studieren in eine andere Stadt ziehen, will er gar nicht wissen, was sie treiben, obwohl er genau weiß, was da abgeht. Hauptsache sie treiben es nicht in seinem Viertel.“

    Das ist der türkische Generationenvertrag: Die Eltern fragen nicht genau nach, und die Kinder blamieren die Eltern nicht vor den Nachbarn oder der Verwandtschaft.

    via Erdogan: Die Attacke auf gemischte Studenten-WGs | ZEIT ONLINE.

  • Aus der Deutschland-taz: Linke Lebenslügen

    Aus der Deutschland-taz: Linke Lebenslügen

    Linke Lebenslügen

    Die drei dogmatischen Mythen der deutschen Linken in Sachen Einwanderung und Integration.

    Integration

    Der U-Bahnhof Kottbusser Tor in Berlin. Norbert Bolz meint, hier gebe es keine „Linken“.  Bild: dpa

    Nicht alle Probleme, die unser Land bewegen, sind heillos komplex. Manchmal würden schon ein wenig historische Bildung und gesunder Menschenverstand genügen, um sie zu lösen. Das zeigt sich vor allem in der Integrationsdebatte. Dass es hier keine Fortschritte gibt, liegt nicht an den Dummen und Ewig-Gestrigen, die man an den Stammtischen vermutet, sondern an den Linken. Das ist erstaunlich, denn Linke sind in der Regel intelligent und gebildet. Was ihr Denken blockiert, lässt sich aber sehr genau bestimmen. Es sind drei dogmatische Mythen, die wir hier kurz skizzieren wollen.

    Erstens: der Mythos der Ausländerfeindlichkeit. Kranke Hirne unter Glatzen, Springerstiefel und Kampfhunde gibt es überall in der Welt. Aber diese Verrückten, für die wir in Deutschland aus historischen Gründen natürlich besonders sensibel sind, sollten doch nicht den Blick dafür trüben, dass wir in einem der ausländerfreundlichsten Länder leben. Das wahre Problem, das der Mythos von der Ausländerfeindlichkeit verschleiert, hat der türkische Ministerpräsident Erdogan im Februar auf eine prägnante Formel gebracht: „Assimilation ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.“

    So lange diese Anti-Assimilationspolitik gilt, gibt es das Integrationsproblem. Erdogan verkörpert ein Roll-back des heroischen Projekts von Kemal Atatürk, die Türkei zu modernisieren und die Türken zu Europäern zu machen. Und vieles wäre gewonnen, wenn einer der klugen Repräsentanten der türkischen Gemeinde einmal den Mut aufbringen würde, das auszusprechen.

    Der Mythos von der Ausländerfeindlichkeit verschleiert auch das Problem der Gewalt „mit Migrationshintergrund“. Die Linken flanieren zwar gerne durch die türkischen Gemüsemärkte in ihrem „Kiez“, aber den U-Bahnhof Kottbusser Tor oder den Hermannplatz kennen sie nicht. Buschkowsky steht hier als heroischer Alleinunternehmer auf verlorenem Posten. Und die Lehrer in den Schulen der „sozialen Brennpunkte“ haben längst resigniert. Unter den Schülern dort sucht man die Kinder der Linken, so sie welche haben, übrigens vergebens. Und das könnte optimistisch stimmen. Denn fast jeder, der ein schulpflichtiges Kind hat, fängt an, vernünftig zu werden.

    Zweitens: der Mythos des Multikulturalismus. Zwei Schlagworte markieren die festgefahrene Integrationsdebatte: „Multikulti“ auf der Linken und „Leitkultur“ auf der Rechten. Multikulturalismus ist das Fazit einer mit dem Kolonialismus des 19. Jahrhunderts beginnenden Selbstkritik des Westens, die das Abendland als einen Schuldzusammenhang konstruiert, aus dem uns nur „die Anderen“ erlösen können.

    Aber dieser Multikulti-Kult der guten Anderen ist so undialektisch wie die Gegenparole „Leitkultur“. Am Multikulturalismus ist wahr, dass wir die Anderen brauchen. An der Leitkultur ist wahr, dass wir die Anderen nur anerkennen können, wenn wir unserer Toleranz eine Grenze setzen. Nur wer selbstbewusst ist, kann auch offen sein. Wer keine eigenen Werte zu verteidigen hat, kann auch nicht tolerant sein. Wahrer Multikulturalismus setzt eine Leitkultur voraus.

    DER AUTOR

    Norbert Bolz ist Medientheoretiker und Designwissenschaftler und lehrt als Professor an der TU Berlin.

    Es ist eigentlich eine ganz selbstverständliche Erwartung, dass Einwanderer sich mit dem Land ihrer Wahl identifizieren. Dass Linke ein solches Bekenntnis zu Deutschland nicht erwarten, ja geradezu verabscheuen, liegt an ihrem pathologischen Verhältnis zum Patriotismus. Gerade hinter ostentativer Ausländerfreundlichkeit versteckt sich oft nichts anderes als Deutschenhass. Überhaupt drängt sich beim Thema Integration der Eindruck auf: Der Kampf gegen die jetzt in „Islamophobie“ umgetaufte Ausländerfeindlichkeit erfindet die Bösen, damit sich die Guten alles erlauben können.

    Drittens: der Mythos von der Unmenschlichkeit des ökonomischen Arguments. Wer heute nicht sieht, dass Deutschland Einwanderer braucht, ist einfach ignorant. Die Frage ist nur: welche? Dass an deutschen Universitäten brillante Köpfe aus dem Ausland ausgebildet werden, denen nach Studienabschluss dann Arbeit und Aufenthalt verweigert werden, ist natürlich ein Schildbürgerstreich. Wir brauchen Kinder und Inder. Vor produktiven Immigranten, die sich mit Deutschland identifizieren, hat niemand Angst.

    Die Akzeptanz der Einwanderer hängt daran, dass die Immigration nicht als Invasion erscheint. Der Eindruck der Invasion entsteht am leichtesten bei Wirtschaftsflüchtlingen und beim Nachzug von Großfamilien. Natürlich muss Deutschland stets politisch Verfolgten Asyl gewähren; aber die Kriterien dafür sollten dem gesunden Menschenverstand nachvollziehbar sein.

    Multikulturalismus hieß bisher nur: Abschaffung der Qualitätskriterien bei der Einwanderung. Schon die Immigrationsgesetze von 1967 in Amerika haben diesen entscheidenden Umschwung gebracht. Seither gibt es ein humanitaristisches Tabu über der einfachen Frage: Können wir die Leute, die zu uns wollen, brauchen? Früher hat man ganz selbstverständlich nach Leistungsfähigkeit und Job-Qualifikation gefragt. Heute gelten solche Fragen nach dem Humankapital des Einwanderers als unmenschlich. In Wahrheit aber zeigen sie den Weg zur gelungenen Integration: Deutschland bekommt die Leute, die es braucht. Und die, die dann kommen, sind herzlich willkommen.

    via Aus der Deutschland-taz: Linke Lebenslügen – taz.de.

  • Umweltschutz: Moscheen setzen sich ein

    Umweltschutz: Moscheen setzen sich ein

    Umweltschutz: Moscheen setzen sich ein

    Umweltschutz

  • Einladung: Engel der Kulturen in Düren

    Einladung: Engel der Kulturen in Düren

    EdK DN Infoblatt Seite 1

    EdK DN Infoblatt Seite 2

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    gern leite ich unten stehende Information weiter.
    Die Aktion beginnt um 14.45 Uhr und endet um 19.00 Uhr. Weitere Informationen entnehmen Sie bitte angehängtem Faltblatt.

    Sie können selbstverständlich jederzeit mittendrin einsteigen und wieder aussteigen, wenn Sie nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung haben. Die Veranstalter freuen sich über alle Interessierten, die vorbei kommen und die Aktion unterstützen.

    Mit freundlichen Grüßen
    Sybille Haußmann

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    wir möchten Sie im Namen des Bündnisses gegen Rechts herzlich zur Veranstaltung „Engel der Kulturen in Düren“ einladen (siehe Anlagen).

    Gemeinsam mit vielen Menschen aus Düren, mit Kindern und Erwachsenen, mit PolitikerInnen und KirchenvertreterInnen, Christen, Muslime und Juden, politisch denkenden und handelnden BürgerInnen wollen wir ein deutliches Zeichen gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt und für ein multikulturelles Zusammenleben in Düren und Umgebung setzen.

    Für eine Gesellschaft, in der alle Menschen gleiche Rechte und gleiche Chancen haben -unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Status und ihrer Religion!!!

    Mit freundlichen Grüßen
    Gunter Derichs Burhan Cetinkaya

    Kreisverwaltung Düren
    Kommunales Integrationszentrum
    Raum 423 (Haus C)
    Bismarckstr. 16
    52351Düren

    Tel.: 0049-2421-22-1433
    Fax: 0049-2421-22-181437
    Handy: 0160-97265026
    Email: s.haussmann@kreis-dueren.de
    www.kreis-dueren.de
    www.integra-netz.de

  • Politik für unsere Stadt! Es ist soweit: Startschuss für die politisch Interessierten!

    Politik für unsere Stadt! Es ist soweit: Startschuss für die politisch Interessierten!

    Politik für unsere Stadt!

    Es ist soweit: Startschuss für die politisch Interessierten!

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    Für die nächsten Integrationsratswahlen voraussichtlich am 25. Mai 2014 werden Kandidatinnen und Kandidaten gesucht, engagierte Leute, die sich insbesondere für die Lebenslagen von Zugewanderten in ihrer Stadt einsetzen möchten. Nur mit eigener Initiative hat politische Arbeit Erfolg.

    Oft tauchen solche Fragen auf: Wie kann ich mich in meiner Kommune engagieren? Was sind meine Ziele und Überzeugungen? Welche Aufgabe hat eine Stadtverwaltung und wie funktionieren Entscheidungsprozesse?

    Diesmal werden Sie noch besser vorbereitet! Antworten auf alle Fragen gibt es nämlich bei vier speziellen Trainings (allg. Infos im Anhang), die die Volkshochschule Bergheim ab dem 05.10.2013 jeweils samstags von 10 bis 17 Uhr (inkl. Mittagspause) anbietet. Die weiteren Termine sind der 07.12., der 11.01.2014. und der 01.02.2014. Das Angebot ist nur für Interessierte aus Bergheim und Kerpen. Erfahrungswissen der Übungsleiter aus der praktischen Arbeit im Integrationsrat sind garantiert. Die Teilnahme ist kostenfrei.

    Machen Sie mit! Interessierte aus Bergheim melden sich bitte an bei der Integrationsbeauftragten Karin Neugebauer unter 02271 89 588, karin.neugebauer@bergheim.de. Interessierte aus Kerpen wenden sich bitte an Annette Seiche, 02237 58 173, aseiche@stadt-kerpen.de.

    Bitte leiten Sie die Nachricht an Interessierte, die Sie kennen, weiter.

    Die Teilnehmer an den Seminaren sind zur Kandidatur für den Integrationsrat natürlich nicht verpflichtet. Die Trainingsinhalte sollen Ihnen auch Erkenntnisse bringen, ob politische Arbeit für Sie interessant ist.

    Mit freundlichen Grüßen

    Kolpingstadt Kerpen – Die Bürgermeisterin

    Im Auftrag

    Annette Seiche

    Kolpingstadt Kerpen

    Abt. 22.3 – Integration

    Abteilungsleiterin – Integrationsbeauftragte

    Jahnplatz 1

    50171 Kerpen

    Fon: 02237 58173 Fax: 02237 58102

    Mobil: 0178 9309509

    Kerpen – gelingt gemeinsam! | Webportal Integration

    mailto:annette.seiche@stadt-kerpen.de

     

    Karin Neugebauer

    Kreisstadt Bergheim

    Abt. Demografischer Wandel, sozialraumorientierte Planung und Entwicklung

    Fachstelle für Integration, Integrationsbeauftragte

    Bethlehemer Str. 9-11

     

    50126 Bergheim

    Fon: 02271 89 588 Fax: 02271 8971 588

    www.bergheim.de

    mailto:karin.neugebauer@bergheim.de

     

    Qualifizierungsreihe für Integrationsräte 2014

  • Zusammen erreichen wir mehr!

    Zusammen erreichen wir mehr!

    Zusammen erreichen wir mehr!
    Dokumentation der Tagung für Migrantinnen und ihre Selbstorganisationen
    „Zusammen erreichen wir mehr! Chancengleichheit am Arbeitsmarkt – Vernetzung mit Frauenorganisationen“,

    durchgeführt vom Bundesfamilienministerium im März 2013 in Frankfurt am Main

    Dokumentation und weitere Informationen für Migrantinnen und ihre Selbstorganisationen auch unter www.migrantinnenforum.de .

  • Nadja Thelen-Khoder:

    Nadja Thelen-Khoder:

    Von: Nadja Thelen-Khoder

    Für Edward Snowden (1), Klaus Traube (3) und Fritz Bauer (12)

    Drei Enthüller zu unterschiedlichen Themen

    „Wir Bürger als Sicherheitsrisiko“ (2)

    so hieß ein Buch von 1977, an dessen Titel ich mich erinnert fühlte, als ich von Edward Snowden hörte. Darin schrieb auch Klaus Traube (3), der zunächst sechzehn Jahre lang in der deutschen und amerikanischen Atomindustrie arbeitete, bis er Opfer eines Lauschangriffs wurde. Dieser Lauschangriff entwickelte sich zum Abhörskandal, in dessen Verlauf der damalige Bundesinnenminister zurücktreten musste, und der zu Unrecht verdächtigte ehemalige geschäftsführende Direktor von „interatom“ wandelte sich zum Warner sowohl vor der Technik als solcher als auch vor deren gesamtgesellschaftlichen Konsequenzen (4). Zunächst als „Staatsfeind“ gebrandmarkt, erhielt Klaus Traube im März 2009 das Bundesverdienstkreuz.

    Vor einigen Monaten wies „digitalcourage e.V.“ (vormals FoeBuD, 5) auf den Appell für Datenschutz (6) von inzwischen über 100 Wissenschaftlern aus 21 europäischen Ländern (7) hin, und seit Jahren warnt unser Bundesdatenschutzbeauftragter Peter Schaar vor dem Missbrauch personenbezogener Daten durch den Staat, u.a. auch durch die Vorratsdatenspeicherung (8), die vor einigen Jahren durch eine Sammelklage beim Bundesverfassungsgericht gekippt wurde (9).

     

    Die automatisierte Verarbeitung persönlicher Daten nimmt rasant zu und wird uns in immer mehr Wirtschafts-, Verwaltungs- und Gesellschaftsbereich aufgezwungen. Immer häufiger sind Anfragen und Bewerbungen (angeblich) nur noch auf digitalem Wege möglich; gleichzeitig verschwinden Stützpfeiler der Kultur wie das Universallexikon „Brockhaus“ von der Erdoberfläche, weil sie nicht mehr gedruckt werden. Wenn demnächst Zeitungen und manche Literatur ausschließlich digital vorliegen, braucht man nur den Stecker zu ziehen, und unser ganzes Wissen ist weg. Mit dem Satz „Wissen ist Macht“ bin ich groß geworden – und wer hat die Macht, wenn unsere Kommunikation vorwiegend über das Internet läuft (und überwacht wird) und unsere Bücher, unser Wissen, ebenfalls über das Internet vermittelt wird?

    Als „Wir Bürger als Sicherheitsrisiko“ (1) geschrieben wurde, gab es das Internet noch gar nicht, aber damals schon stellten Klaus Traube und viele Andere den verfassungsrechtlichen Aspekt von Datensammlungen dar:

    „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zuschützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Mit diesem Verfassungsauftrag beginnt unser Grundgesetz. Der Staat und seine Organe haben demnach die zentrale Aufgabe, den Einzelnen zu schützen. Zur Würde des Menschen gehört auch seine Privatsphäre, sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Der Staat darf nicht alles von jedem wissen [und diese Daten dann auch noch speichern und auswerten (wollen)]; die geplante Volkszählung 1983 (10) wurde eben aus diesem Grund ebenfalls vom Bundesverfassungsgericht kassiert.

    Um wie viel größer sind die damals schon benannten Gefahren mittlerweile durch das Internet bzw. die Digitalisierung? Viele fühlen sich diesem „Zeitgeist“ hilflos ausgeliefert, und immer mal wieder höre ich einen Satz (vielleicht zur Selbstberuhigung), der für mich wie ein Armutszeugnis klingt: „Ich habe ja nichts zu verbergen“. Dieser Satz markiert einen Meilenstein im Verfassungsverständnis: Der Zugriff eines „Staates“ (Wer oder was ist das? Meldet sich hier wieder eine Vorstellung eines „Generalissimus von Staat“, von dem Kurt Tucholsky einmal schrieb? Aber wird nicht gleichzeitig alles mögliche privatisiert, wie zum Beispiel die Post?) auf sämtliche Kommunikationsdaten aller seiner Bürger, die Speicherung etwa, wer wann wo mit wem wie lange telefoniert hat (etwa mit Ärzten, Rechtsanwälten, Drogenberatungsstellen, Vereinen, Touristikunternehmen, Schulen, Krankenkassen, Ämtern, Gewerkschaften, Parteien usw.), wird als gegeben, als „notwendig“ hingenommen, und bei vielen Einkäufen denkt sich manch einer nichts bei der Frage „Haben Sie eine Payback-Karte?“, die zu nichts anderem als einem Kundenprofil taugt und den Kassierern vorgeschrieben ist. Auch die Frage „Bar oder Karte“ ist in vielen Geschäften obligatorisch und wird bei Testkäufen überprüft.

    Daß Handys und Smartphones perfekte Bewegungsprofile ermöglichen und den jeweiligen Aufenthaltsort bis auf einen Meter genau angeben und „soziale Netzwerke“ wie „facebook“ und Suchmaschinen wie „Google“ jeden Klick protokollieren und bis zu fünfzehn Jahren sammeln und dieser Art sogenannte „Persönlichkeitsprofile“ erstellen (Wer interessiert sich wann wo und wie intensiv wofür?), wird wenig problematisiert, und manch einer stellt bedenkenlos private Photos irgendwelchen „Clouds“ zur Verfügung.

    Ohne Not geben wir so manches Mal unsere Daten preis, ohne nur einen Hauch einer Ahnung zu haben, warum wir immer häufiger Karten benutzen und irgendwelche „Gefällt mir“-Ikons anklicken sollen – und wer wo wann was auch mit diesen Daten macht, machen will oder machen kann (11).

    Zur Zeit sprengen die Enthüllungen des amerikanischen ehemaligen Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden alle Dimensionen, und jetzt kann wirklich niemand mehr sagen, er habe nichts gewusst. In den USA gibt es gar keinen Datenschutz für Bürger (aber anscheinend einen sehr hohen für staatliche Institutionen), und spätestens, wenn unsere Daten an die USA übermittelt werden, ist unser deutsches Datenschutzgesetz ausgehebelt. Und dabei geht es eben nicht nur um die groteske Frage, ob man in einem Flugzeug Schweinefleisch gegessen hat (eine von 34 Fragen bei einem Flug in die USA).

    Es ist schon bemerkenswert, wenn ausgerechnet diejenigen, die alles von jedem wissen (können) wollen, „Enthüllungen“ über sich selbst bzw. die „Enthüller“ („Whistleblower“) derart verfolgen. Irgendetwas steht hier auf dem Kopf: Müßte nicht eigentlich der Staat transparent sein und nachvollziehbar für seine Bürger handeln? Politiker, ja ganze Staaten handeln aber inzwischen immer öfter „hinter verschlossenen Türen“, immer intransparenter, während der einzelne Bürger immer „gläserner“ wird. Ist Wissen Macht? Verkehrte Welt!

    Klaus Traube wandelte sich vom Befürworter der Kernenergie zu einem Warner vor ihr, und auch Edward Snowden enthüllte etwas, an dem er nicht mehr beteiligt sein will. Wir haben den beiden viel zu danken, denn wenn solche Insider sich derart äußern, kann niemand mehr die Gefahren und den Rechtsbruch bestreiten.

    Da ist es wieder, das große klare „Nein“, auf das es ankommt. „Daß es in unserem Leben eine Grenze gibt, wo wir nicht mehr mitmachen können“, sagte einer der größten Deutschen, die jemals gelebt haben: Fitz Bauer (12), der am 16. Juli vor 110 Jahren (1903) geboren wurde und in der Nacht vom 30. Juni auf den 1. Juli 1968 starb. „Der größte lebende Zeuge … für ein besseres Deutschland“ und der„größte Botschafter, den die Bundesrepublik hatte“ (Robert Kempner, stellvertretender Hauptankläger der USA beim Nürnberger Prozeß) erhielt am
    6. Juli vor 45 Jahren (1968) eine offizielle Trauerfeier der Hessischen Landesregierung. Aber dieser gewissenhafte Generalstaatsanwalt, einer der entschiedensten und fähigsten Streiter für Menschenwürde, Recht und Gesetz, dem wir auch alle wesentlich unsere Demokratie verdanken und der für viele ein Ärgernis war, hat nie ein Bundesverdienstkreuz bekommen. Niemand hatte es mehr verdient als er!

    Der Film „Fritz Bauer. Tod auf Raten“ (13) von Ilona Ziok lief vor einigen Tagen auf Phönix (zu bestellen über „CV Films“ direkt). Er zeigt in 97 Minuten sehr viel über die Deutschen und ihre (Rechts-)Geschichte. Fritz Bauer wollte aufklären und lebte für den ersten Artikel unserer Verfassung: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zuschützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

    Deutschland verdankt auch den USA seine Freiheit. Auch jeder einzelne der 300 000 amerikanischen Soldaten, die für die Befreiung von den Nationalsozialisten ihr Leben geopfert haben, verpflichtet mich zur Wahrung von „Freiheit, Recht und Brüderlichkeit“ (Fritz Bauer) und deshalb heute zur Solidarität mit meinem US-amerikanischen Bruder Edward Snowden. Denn durch das Abhören von EU-Diplomaten werden bestimmt keine Terroranschläge verhindert, aber dadurch und durch monatlich 500 000 000 gespeicherte Kommunikationsdaten von uns allen ist unsere erkämpfte und so teuer bezahlte Freiheit bedroht – diese Wahrnehmung drängt sich auf.

    Noch immer sitzt Edward Snowden wohl auf dem Moskauer Flughafen fest und wird anscheinend schmählich im Stich gelassen, Klaus Traube wurde damals „belauscht“ (Wie sagt ein deutsches Sprichwort? „Der Lauscher an der Wand hört seine eig’ne Schand’!“), und Fritz Bauer fühlte sich in seinem Deutschland oft wie „im feindlichen Ausland“ (Ralph Giordano). Sie alle setzten bzw. setzen sich für Aufklärung und Recht und Gesetz ein und galten bzw. gelten wahlweise als „Ärgernis“, „Nestbeschmutzer“, „Verräter“, ja manchen sogar als „Staatsfeinde“.

    Für Fritz Bauer kommt mein Wunsch zu spät, und Klaus Traube hat das Bundesverdienstkreuz bekommen. Hiermit schlage ich Edward Snowden auch für einen „Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland“ vor, denn „für besondere Verdienste um die Bundesrepublik Deutschland können Titel, Orden und Ehrenzeichen des Bundes verliehen werden“, heißt es auf der Seite des Bundespräsidialamtes. Und meiner Meinung nach hat sich auch Edward Snowden durch seine Enthüllungen um Deutschland verdient gemacht.

    Zunächst wäre ich aber schon mit einem Aufenthaltsrecht für ihn in Deutschland zufrieden, innerhalb eines Zeugen-Schutz-Programmes. Denn: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ (Art 1 GG) Und wo bleibt zur Zeit die Menschenwürde von Edward Snowden, dem „Whistleblower“, der staatliche Übergriffe enthüllte, die nicht aufgedeckt, sondern vor uns Bürgern geheim bleiben sollten? Wer hat hier was zu verbergen (1)?

    Anmerkungen:

    (1) 

    (2)  Wolf-Dieter Narr (Hrsg.): „Wir Bürger als Sicherheitsrisiko: Berufsverbot und Lauschangriff; Beitrag zur Verfassung unserer Republik“, Reinbek bei Hamburg 1977

    (3) 

    (4) 

    (5)  ; digitalcourage e.V., Marktstr. 18, D-33602 Bielefeld, Tel: 0521-1639 1639, Fax: 0521-61172, mail@digitalcourage.de

    (6) 

    (7) 

    (8) 

    (9)  Verfassungsbeschwerde; siehe http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/51/70/lang,de

    (10)               

    (11)                siehe Frank Schirrmacher, „Ego – Das Spiel des Lebens“; dazu heißt es auf : „Nach Schirrmacher ist es eine ebenso unwiderstehliche wie toxische Kombination aus drei Elementen: die den Wettbewerb und Markt inzwischen beherrschenden Maximen der Spieltheorie; der im homo oeconomicus zum Modell erhobene und nobilitierte Egoismus; und schließlich die totale Digitalisierung der Ökonomie, die die Marktprinzipien universalisiert und jedes Unternehmen, jeden Privathaushalt nicht nur miteinander vernetzt, sondern in dieselbe ökonomische Logik der Informationsgewinnung und –verarbeitung zwingt.“

    (12)               

    (13)               

    Landgericht-frankfurt-2010-ffm-081

     Das Bild steht unter
    

     

  • Nadja Thelen-Khoder: Von nackten Königen und (nicht nur) einem Kölner Schriftsteller

    Nadja Thelen-Khoder: Von nackten Königen und (nicht nur) einem Kölner Schriftsteller

    Flyer Veranstaltung 5.7.Von nackten Königen und (nicht nur) einem Kölner Schriftsteller

    „Das erzwungene Exil – ein Beitrag von Doğan Akhanlı“ [1 und 8]

    so lautet einer von fünf Teilen der Veranstaltung „Heimspiel in Istanbul“ am 5. Juli zum geplanten erneuten Prozeß gegen den Kölner Schriftsteller, der am 31. Juli in Istanbul stattfinden soll. Nachdem der Autor von u.a. „Die Richter des Jüngsten Gerichts“ [2] und „Annes Schweigen“ [3] im ersten Prozeß freigesprochen wurde [nach einer fünfmonatigen Haft, während der sein Vater starb, den er hatte besuchen wollen (4)], hoben Revisionsrichter dieses Urteil im Februar auf und ordneten einen neuen Prozeß an [„Plötzlich wieder schuldig“ (5)].

    „Wer ein Täter sein soll, wird zum Täter gemacht“, schreibt Karen Krüger in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung [6], und die aktuelle Bezeichnung des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan für die Protestierenden im Gezi-Park als „Çapulcu“ („Plünderer“) funkt auf der gleichen Wellenlänge, ist aber alhamdulillah (Gott sei Dank) gründlich in die Hose gegangen [7].

    Am 5. Juli ab 1930 Uhr
    im Großen Saal der Alten Feuerwache
    in Köln (Melchiorstraße 3, Nähe Ebertplatz) [8]

    will auch Fatih Cevikkollu aus „Fatihland“ [9] dabei sein, wenn Rechtsanwalt Ilias Uyar den juristischen Stand des Prozessen erläutert.

    Wann werden die türkische Justiz und auch der türkische Ministerpräsident erkennen, dass die Unterdrückung von kritischen Geistern und damit der Wahrheit allen großen Schaden zufügt: sowohl jedem einzelnen Betroffenen [10] und allen seinen Angehörigen als auch der gesamten Gesellschaft, dem Staat selbst [11].

    Wie groß und schön erstrahlt die Türkei in den Liedern, Romanen und Gedichten ihrer Kinder [12] – und wie hässlich sind viele Bilder, die wir gesehen haben [10]; wie hässlich die Worte, mit denen viele Kritiker belegt werden, und wie hässlich wäre „der Islam“, wenn diese Vorgehensweise „islamisch“ wäre [13].

    Freiheit und Religion haben viel gemeinsam: Beide herrschen nicht [14], können nicht herrschen. (Wie sagt der jüdische Rabbi, nach dem die Christen sich benennen und den die Muslime als den Propheten Isa verehren? „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ Daß ausgerechnet Gottes Sohn der größte Laizist war, vergisst so manch einer.) Sie leben in jedem einzelnen Menschen, und einer der wichtigsten Gedanken der Menschheit [13], geschrieben in vielen heiligen Werken der Religionen, ist Segen und Fluch zugleich: ein Segen für die, die ihn teilen, und ein Fluch für die, die sich nicht an ihn halten.

    In einem hat der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan recht: Manch einer, der die Türkei jetzt kritisiert, muß sich auch an die eigene Nase fassen [15], und Deutschland hat zur Überheblichkeit keinen Grund. Das weiß niemand besser als Doğan Akhanlı, der auch türkisch- und deutschsprachige Führungen im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln macht [16]. Gerade auch wir Kölner brauchen ihn [8]!

    Anmerkungen:

    (1)
    (2) ;

    (3)
    (4)
    (5)
    (6) . Darin erwähnt Karen Krüger einen Beitrag von Doğan Akhanlı, in dem es auch um die Berliner Hardenbergstraße ging, wo 1921 Talaat Pascha von Solomon Tellirian erschossen wurde, Ernst Reuter lebte, bevor er vor den Nazis nach Ankara ins Exil musste, und wo 1983 Cemal Kemal Altun aus dem 6. Stock in den Tod sprang, weil er die Ablehnung seines Asylantrages und demzufolge seine Abschiebung in die Türkei fürchtete, die damals eine Militärdiktatur war. „Vielleicht hat dieser Bericht einige Leute in der Türkei verärgert“, vermute Doğan Akhanlı.
    (7) Wie habe ich bei der Lektüre des Artikels lachen müssen. „…Am Donnerstagabend posiert ein Arzt mit Freunden grinsend auf dem Taksim-Platz, in der Hand ein Schild mit der Aufschrift ,Dr. Capulman’. Direkt hinter ihm hängt ein buntes, selbst gemaltes Plakat, das den Gezi Park zum ,Capulcu Park’ erklärt. Auf eine Mauer ein paar Meter weiter hat jemand ,I am sexy and capulcu’ gesprayt. … Am Rand der Wiesen in einem Pavillon hat sich das Team des brandneuen Internet-Fernsehsenders ,Capul TV’ ein kleines Studio aufgebaut….“ Das ist Protest vom Feinsten (siehe auch .
    Wie sagt der Architekt Korhan Gümüş in dem Interview auf „Er (Erdoğan) will den Protest in die alte Logik der Konfrontation zurückzwingen. Er versteht nicht, was wirklich passiert. So geht es allen Politikern in diesen Tagen. Innerhalb ihrer Welt, ihrer Ideologien werden sie nicht kritisiert, da passt alles zusammen. Nun aber gehen plötzlich Menschen auf die Straße und sagen: Wir haben genug von diesen Ideologien und Kämpfen! Sie haben erkannt, dass die Könige eigentlich nackt sind.“
    (8)
    (9)
    (10)
    (11) „Kafkaesker Polizeistaat“,
    (12) http://www.das-kulturforum.de/archiv/menschenlandschaften/
    (13) Bei den Protesten in Istanbul und so vielen anderen Orten der Türkei sind wie viele Menschen getötet worden? Und wie lautet Sure 5, Vers 35 im Koran, der dem türkischen Ministerpräsidenten heilig sein müsste? „Aus diesem Grunde haben wir den Kindern Israel verordnet, dass wer eine Seele ermordet, ohne dass er einen Mord oder eine Gewalttat im Lande begangen hat, soll sein wie einer, der die ganze Menschheit ermordet hat. Und wer einen am Leben erhält, soll sein, als hätte er die ganze Menschheit am Leben erhalten.“
    (14) und http://www.suzanne.de/worte/fried/freiheit/freiheit.html (Gedicht von Erich Fried)
    (15)
    (16)

  • Fazil Say – Der ungläubige Pianist

    Fazil Say – Der ungläubige Pianist

    Du sollst nicht twittern: Der Atheist und Musiker Fazil Say ist wegen Herabwürdigung des Islam verurteilt worden, die Minister der konservativ-religiösen Regierung in Ankara erklären das nun

    foto: apa/epa/warmuth Das Urteil gegen Fazil Say wird schwerlich als Bestätigung einer Idee von liberaler Gesellschaft durchgehen.
    foto: apa/epa/warmuth
    Das Urteil gegen Fazil Say wird schwerlich als Bestätigung einer Idee von liberaler Gesellschaft durchgehen.

    Man könnte also argumentieren: Er hat ja zumindest keine Stockhiebe bekommen. Und anderswo, sagen wir einmal in Österreich (Strafgesetzbuch Art. 188) oder in Deutschland (StGb Art. 166), sind „Herabwürdigung“ und „Beschimpfung“ einer Religionsgesellschaft im Inland auch ein Straftatbestand, für den man theoretisch ins Gefängnis wandern könnte. Aber dann wiederum ist der Schuldspruch gegen den Pianisten-Komponisten Fazil Say auch ein Exempel. Selbst ernannte Religionswächter haben Alarm geschlagen, und ein Richter im formal laizistischen Staat sorgt sich um den Koran und spricht den Lästerer schuldig: zehn Monate Gefängnis auf Bewährung, für die Dauer von fünf Jahren ausgesetzt (im Klartext: Fazil Say hat fünf Jahre lang den Mund zu halten, will er nicht hinter Gittern oder zumindest einen Haftbefehl der türkischen Justiz) – und alles das für zwei Twitter (@fsayofficial), die er in die Internetwelt geschickt hat.

    Das eine war eine Verszeile aus einem Gedicht, die dem persischen Dichter Omar Khayyam zugeschrieben wird („Du sagst, durch die Bäche wird Wein fließen – ist da Paradie etwa ein Wirtshaus? Du sagst, jeder Gläubige wird zwei Jungfrauen bekommen – ist das Paradies etwa ein Bordell?“). Dem hatte Fazil Say, ein erklärter Atheist, der das auch jeden wissen lässt, noch eine Bemerkung über einen Muezzin vorausgeschickt, den er offenbar gerade gehört hatte: „Der Muezzin hat das Abendgebet in 22 Sekunden ausgerufen! Prestissimo con fuoco!!! Was hast du es so eilig? Eine Geliebte? Raki auf dem Tisch?“ In einem anderen Tweet schrieb Say: „Überall, wo es Schwätzer, Schurken, Neugierige, Diebe, Idioten gibt, sind sie alle furchtbar fromm“ (wörtlich: „Allahisten“).

    Eine Verszeile aus offenbar geistig liberaleren Zeiten im 11. Jahrhundert und eine bissige Bemerkung über muslimische „Philister“: Man hat schon Schlimmeres gesehen. Die drei Kläger – Ali Emre Bukağılı, Orkun Şimşek and Turan Gümüş – machten aber etwa geltend, dass Say jeden gläubigen Muslim als „Schwätzer, Schurken“ usw. bezeichnet und also beleidigt hätte, was ja nun nicht der Fall war. Der Richter in Istanbul fand das auch.

    Das Urteil vom Montag dieser Woche wird schwerlich als Bestätigung einer Idee von liberaler Gesellschaft durchgehen, wo Toleranz und Respekt verschiedener Glaubens- und Nicht-Glaubensrichtungen sich die Waage halten müssen. Es ist wohl weit mehr ein Statut der Null-Toleranz im 95-Prozent-Staat der türkischen Muslime, der seit zehn Jahren von einer konservativ-religiösen Partei regiert wird. Die „Freiheit, Blödsinn zu reden“, wie sich der türkische Europaminister Eğemen Bağış nun ausdrückte, hat im Prinzip jeder in der Türkei. Aber abweichende Meinungen sind eben das: „Blödsinn“. Geistige Verirrungen, von denen man nur hoffen kann (dann legt der türkische Politiker gern die rechte Hand aufs Herz), dass ihr Bekunder rasch seinen Fehler erkennt und in den Schoß der Gesellschaft zurückkehrt. „Wir sind nicht glücklich über Verurteilungen“, versicherte Bağış. „Niemand, der vernünftig denkt, kann diese Worte als etwas betrachten, das innerhalb der Grenzen der freien Meinungsäußerung liegt“, erklärte Kulturminister Ömer Çelik, welcher – eine etwas unglückliche Fügung – zur Eröffnung einer Buchmesse in London weilte und mit ihm ein Teil der türkischen, minoritär-liberalen Intelligenzia. Die Türkei ist dieses Jahr zum Themenland auserkoren worden.

    Fazil Say tourt diese Woche durch Deutschland, auch mit seiner „Istanbul Symphonie“ von 2010. Der zweite der sieben Sätzen soll die „dunkle Seite“ der Religion widerspiegeln – den Fundamentalismus.

    „Jeder weiß, dass ich nicht religiös bin“, sagte er im vergangenem Jahr bei der Einleitung zur Symphonie, die das Hessische Rundfunkorchester gab, und unter Applaus und Gejohle eines – so darf man annehmen – zu einem guten Teil türkischstämmigen Publikums. (Markus Bernath, derStandard.at, 18.4.2013)

    via Fazil Say – Der ungläubige Pianist – Markus Beys Blog – derStandard.at › International.

  • Fazil Say: Beleidiger des Islam?

    Fazil Say: Beleidiger des Islam?

    Wegen Beleidigung des Islam ist der weltbekannte türkische Pianist und Komponist Fazil Say von einem Gericht in Istanbul zu einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt
    worden. Die Strafe wurde nach Angaben seiner Verteidigerin jedoch auf fünf Jahre zur Bewährung ausgesetzt.

    Say habe sich mit im Internet verbreiteten Kommentaren der Verletzung religiöser Werte schuldig gemacht, so die Urteilsbegründung. Der 43-jährige Say wies die Vorwürfe zurück.

    Fazil Say gehört zu den Top-Stars der internationalen Musikszene und zu den bekanntesten Künstlern der Türkei.

    Als Solist verfügt er über ein breites Repertoire, das auch Jazz einschließt und musikalische Wurzeln in der traditionellen Musik Anatoliens erkennen lässt.

    Say hatte sich mehrfach kritisch über die
    islamisch-konservative Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan geäußert und auch erklärt, er denke darüber nach, das Land zu verlassen.

  • Stimmen zum neuen NSU-Prozesstermin: Eine „mittlere Katastrophe“ – taz.de

    Stimmen zum neuen NSU-Prozesstermin: Eine „mittlere Katastrophe“ – taz.de

    Eine „mittlere Katastrophe“

    NSU-Prozess: Politiker aller Parteien begrüßen das neue Akkreditierungsverfahren. Auf türkischer Seite dominieren aber Sarkasmus und Kritik.VON DANIEL BAX

    Akten - Vernichtung

    Mit dem Schreddern nicht rechtzeitig fertig geworden?  Bild:  dpa

    Auf Facebook reagierte die Schriftstellerin und Journalistin Hatice Akyün mit Sarkasmus: „NSU-Prozess verschoben! Verfassungsschutz ist noch nicht fertig mit dem Schreddern!“ Wenig später reichte sie die zynische Vermutung nach: „Vielleicht arbeitet das OLG aber auch auf eine Verjährung hin.“

    Nicht viele nahmen die Ankündigung des Münchner Oberlandesgerichts, den Auftakt des Prozesses gegen Beate Zschäpe und die Unterstützer ihrer Zwickauer Zelle auf den 6. Mai zu verschieben, mit so viel Humor. Als „mittlere Katastrophe“ bezeichnete die Ombudsfrau der Bundesregierung für die NSU-Opfer und deren Angehörige, Barbara John, die Verschiebung.

    Viele Angehörige hätten sich emotional auf den Prozessbeginn eingestellt, Fahrkarten gekauft, eine Unterkunft gebucht oder sich Urlaub genommen. Nun sei es bei vielen unsicher, ob sie überhaupt am neuen Prozessbeginn teilnehmen könnten.

    „Dass wir in so eine peinliche Situation geraten sind, ist auf das skandalöse Verhalten des Oberlandesgerichts zurückzuführen“, sagte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, der taz. Jetzt stelle sich die Frage, was aus den Kosten werde, die dadurch für die Hinterbliebenen und die Nebenkläger entstünden. „Die Justizminister sind jetzt gefordert, eine praktikable Lösung zu finden, damit diese Menschen nicht noch mehr leiden müssen“, findet Kolat.

    Verschiebung in letzter Sekunde

    „Ich hoffe, das Gericht wird aus seinen Fehlern lernen“, sagte Aiman Mazyek, Sprecher des Koordinierungsrats der Muslime. „Die Richter sind hier nicht nur Vertreter des Rechts, sondern auch Botschafter deutscher Rechtsstaatlichkeit in der Welt.“ Die gemeinnützige Amadeu-Antonio-Stiftung erklärte, durch die Verschiebung in letzter Sekunde reihe sich der NSU-Prozess in das „unerträgliche Staatsversagen im Umgang mit dem NSU“ ein.

    Politiker aller Parteien hingegen begrüßten die Entscheidung des Münchner Gerichts, ein völlig neues Akkreditierungsverfahren zu starten, darunter auch die Mitglieder des NSU-Untersuchungsausschusses in Berlin. Der CDU-Vertreter im Ausschuss, Clemens Binninger, und der Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland regten aber an, die Verhandlung zusätzlich in einen benachbarten Raum des Gerichts zu übertragen, um mehr Journalisten die Möglichkeit zu geben, den Prozess zu verfolgen.

    Auch der Deutsche Journalisten-Verband zeigte sich erfreut. „Das ist die richtige Konsequenz aus der viel diskutierten Pannenserie der letzten Wochen“, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken am Montag. Die türkische Zeitung Sabah hingegen bedauerte die Entscheidung. „Aus unserer Sicht ist das nur die zweitbeste Lösung“, sagte ihr Anwalt Ralf Höcker.

    „Wichtig ist, dass jetzt auch den ausländischen Medien ausreichend Plätze zur Verfügung gestellt werden“, sagte die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Grünen-Chef Cem Özdemir nannte die Verschiebung des NSU-Prozesses eine zusätzliche Belastung für die Angehörigen. „Sie dürfen jetzt auf eventuellen Mehrkosten nicht sitzen bleiben“, mahnte er.

     

    In München gab der Vorsitzende Richter im NSU-Prozess, Manfred Götzl, in einem Vermerk, der Pressestelle des Gerichts eine Mitschuld an der Verschiebung des Verfahrens. Die Pressestelle habe „einzelnen Medienvertretern bereits vorab die voraussichtliche Berücksichtigung der Akkreditierung nach der Reihenfolge der Eingänge mitgeteilt“. Zudem sei in einer E-Mail an Journalisten auf eine falsche Stelle der Verfügung zur Akkreditierung hingewiesen worden, schreibt der Senatsvorsitzende. (mit dpa)

    via Stimmen zum neuen NSU-Prozesstermin: Eine „mittlere Katastrophe“ – taz.de.