Kategorie: Europa

  • Er betete für die Juden

    Er betete für die Juden

    03.12.2010
    Er betete für die Juden
    Vor 135 Jahren wurde Dompropst Bernhard Lichtenberg geboren
    Von Heinrich Fink

    In der Unterkirche der Sankt Hedwigs Kathedrale in Berlin ist eine Seitenkapelle, die den Namen Bernhard Lichtenbergs trägt. Sie ist eine Gedenkstätte für die durch den Faschismus Ermordeten des Bistums Berlin, jene Unerschrockenen, die ihr Eintreten für »unwertes Leben« mit dem eigenen Leben bezahlten.
    Hier steht der schlichte Eichensarg von Dompropst Lichtenberg (Foto: dpa), der am 3. Dezember 1875 in Ohlau/Schlesien geboren wurde. Er studierte Theologie an den Universitäten Innsbruck und Breslau und wurde 1900 Kaplan in der damaligen Vorortsgemeinde Berlin-Lichtenberg. Hier lernte er den Alltag und das soziale Elend von Berliner Arbeitern und ihren Kindern kennen. Er verstand sich bald selbst als Anwalt der Ausgebeuteten.
    Von den Friedensbestrebungen Papst Benedict dem XV. beeindruckt und ermutigt, schloss er sich schon 1919 dem »Friedensbund Deutscher Katholiken« an und stand später an der Spitze des gemeinsamen Ausschusses des Friedensbundes und des Internationalen Versöhnungsbundes. Der Friedensbund befürwortete außenpolitisch den Völkerbund, die vertragliche Ächtung des Angriffskrieges im Kriegsvölkerrecht und eine europäische Friedensordnung auf der Basis des Versailler Vertrages von 1919. Er bekämpfte Militarismus und Nationalismus, besonders den Bau der Panzerkreuzer (1928), die Bildung von Wehrsportgruppen und die damals häufige strafrechtliche Verurteilung von Pazifisten als Landesverräter. 1933 wurde er wie andere pazifistische Organisationen verboten.
    Lichtenbergs Eintreten für Frieden und Gerechtigkeit brachte ihm schon vor der Wahl Hitlers zum Kanzler in Konflikt mit der NSDAP. Für ein Flugblatt mit einer Einladung des Friedensbundes zum Antikriegsfilm Remarques, »Im Westen nichts Neues», das er namentlich und mit vollem Titel unterschrieben hatte, wurde gegen ihn offen in der Presse gehetzt. »Prälat Lichtenberg verhöhnt unsere Gefallenen! Viehische Totenschändung! Katholisches Separatistenzentrum für Remarque-Film!«
    Als am 1. April 1933 die Nazis zum Boykott aller nichtarischen Geschäfte aufgerufen hatten, klärte Lichtenberg seine Gemeinde auf, dass dies nur der Anfang eines unmenschlichen Kesseltreibens gegen die jüdische Schwestern und Brüder sei.
    Am Abend nach der Pogromnacht, am 10. November 1938, betete Lichtenberg in der Hedwigskathedrale für die verfolgten, »nichtarischen« Christen und Juden. Er ermahnte seine Gemeinde: »Was gestern war, wissen wir. Was morgen ist, wissen wir nicht. Aber was heute geschehen ist, das haben wir erlebt: Draußen brennt der Tempel, das ist auch ein Gotteshaus.« Trotz Warnungen und Bitten seiner Gemeindeglieder, betete der nunmehrige Domprobst unerschrocken weiterhin öffentlich ausdrücklich für die verfolgten Juden. Am 23. Oktober 1941 wurde er verhaftet, von der Gestapo gequält und wegen »Kanzelmissbrauchs« und wiederholtem »Vergehen gegen das Heimtückegesetz« zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Lichtenberg bat, als katholischer Seelsorger ins Ghetto Litzmannstadt (Lodz) gehen zu dürfen. Am 5. November 1943 starb er auf dem Weg ins KZ Dachau. Sein Begräbnis in Berlin wurde zum stillen Protest gegen seine Mörder.
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  • Araber und Nazi-Deutschland

    Araber und Nazi-Deutschland

    Treffen von Adolf Hitler mit dem Antisemiten Al-Husseini: Die Geschichtswissenschaft bearbeitet seit 50 Jahren die Geschichte der Kollaborateure; die der arabischen Hälftlinge in deutschen Lagern ist aber noch nicht erzählt.

    Araber und Nazi-Deutschland
    Kollaborateure und Widersacher

    In den letzten zehn Jahren hat ein sensibles Thema zunehmend an Aufmerksamkeit gewonnen: Araber als „Täter im Holocaust“. Was wussten sie? Und wie viele handelten aus Überzeugung? Beide Fragen sind bis heute offen. Vielmehr ist das Thema selbst unter Historikern in den Strudel des Nahost-Konflikts geraten. Von Sonja Hegasy

    Treffen von Adolf Hitler mit dem Antisemiten Al-Husseini: Die Geschichtswissenschaft bearbeitet seit 50 Jahren die Geschichte der Kollaborateure; die der arabischen Hälftlinge in deutschen Lagern ist aber noch nicht erzählt. Selbst Wissenschaftler fühlen sich derzeit bemüßigt, moralische Klarheit über die Frage zu schaffen, ob Araber in Nordafrika in der Mehrheit Kollaborateure der Wehrmacht und der SS waren oder Widerstand leisteten. Mit Blick in lokale Zeitungen aus jener Zeit weiß man, dass Reaktionen in der arabischen Welt ähnlich unterschiedlich waren wie in Europa. Dies ist natürlich ein Gemeinplatz. Er scheint jedoch heute nötig, angesichts von Debatten, die einen historisch verankerten Antisemitismus in der muslimischen Welt für die Ursache des Nahost-Konfliktes halten und die Araber als willige (oder unwillige) Vollstrecker betrachten.

    Fragen, ob diese Helfer in der Mehr- oder Minderheit waren, können bisher nicht beantwortet werden, da nicht genügend Quellen erschlossen sind und die historische Forschung noch ganz am Anfang steht, um verallgemeinernde Aussagen zu treffen. Aus den zugänglichen Quellen wissen wir, dass es sowohl Kollaborateure gab, wie auch jene, die sich aktiv für den Schutz von Juden einsetzten.

    Doch um über die Reaktion von Palästinensern oder Ägyptern zu jener Zeit ein gesichertes Urteil fällen zu können, sind zwei Dinge nötig: Zum einen darf man keine kontrafaktische Geschichtsschreibung betreiben nach dem Motto, was wäre gewesen, wenn die Briten die Deutschen nicht aus Ägypten vertrieben hätten? Zum anderen sollten Wissenschaftler ihr Urteil nicht nur auf der Grundlage einseitiger Quellen fällen, wie die arabisch-sprachige Radiopropaganda aus Berlin.

    Arabische Häftlinge in Konzentrationslagern

    Viele arabische Quellen aus den 1930er und 1940er Jahren, wie Tageszeitungen, Kulturzeitschriften, Cartoons oder auch Memoiren, belegen eine erstaunlich weitsichtige Ablehnung des europäischen Antisemitismus und der Diskriminierung von Juden in Deutschland. Sie berichten über die deutschen Angriffe auf Nachbarländer als immanenten Bestandteil eines faschistischen Imperialismus, den die Araber durch den Aufstieg Mussolinis bereits kennengelernt hatten.

    Obwohl es zahlreiche Fälle gibt, in denen Araber das Leben ihrer jüdischen Nachbarn retteten, wird kein Araber in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem geehrt. Die Kollaboration eines notorischen Antisemiten wie Amin Al-Husseini, dem Mufti von Jerusalem, der Hitler unmittelbar nach der Machtergreifung der NSDAP seine aktive Unterstützung anbot, wird von der Geschichtswissenschaft seit rund 50 Jahren bearbeitet. Die Geschichte von arabischen Häftlingen in deutschen Konzentrationslagern wurde hingegen noch nicht erzählt. Heute tut man sich besonders schwer damit.

    Der Historiker Gerhard Höpp recherchierte die Schicksale muslimischer Araber in fast allen Archiven von Konzentrationslagern in Deutschland. Doch er verstarb im Jahr 2003 zu früh, um seine Ergebnisse veröffentlichen zu können.

    Mit dem Stillstand im Nahost-Konflikt in den letzten zehn Jahren wurden arabische Erfahrungen (jüdische wie muslimische!) im Holocaust endlos politisiert. Das „Museum zur Geschichte des Holocaust“ in Yad Vashem richtete eine neue Abteilung über die jüdischen Gemeinden in Nordafrika ein, weil ihre Schicksale in der Ausstellung bisher nicht thematisiert wurden. Yad Vashem widerstand jedoch der Politisierung und konzentrierte sich auf die Darstellungen der von Europäern in Nordafrika verübten Gräueltaten.

    Ein Araber als „Gerechter unter den Völkern“?

    Auch Robert Satloff, Direktor des Washington Institute for Near East Policy, machte sich auf die Suche nach der verlorenen Geschichte und entdeckte Fälle, in denen Araber das Leben ihrer jüdischen Nachbarn retteten. 2007 schlug er vor, den Tunesier Khaled Abdulwahab als ersten Araber in Yad Vashem als Gerechter unter den Völkern zu ehren.

    Verfeindete Verbündete: Deutschland und Italien lieferten sich im Zweiten Weltkrieg einen Wettlauf um nordafrikanische Territorien. Der Antrag wurde mit der Begründung abgewiesen, dass Abdulwahab sein Leben nicht hatte riskieren müssen, als er zwei jüdische Familien unterbrachte, deren Häuser durch die deutsche Besatzungsmacht konfisziert worden waren, weil er damit nicht gegen geltendes tunesisches Recht verstieß. Das eigene Leben riskiert zu haben, gilt als eine elementare Voraussetzung für den Ehrentitel.

    Diese Entscheidung entfachte eine rege Debatte zwischen Mordecai Paldiel, ehemaliger Direktor der Abteilung „Gerechte unter den Völkern“ in Yad Vashem, und seiner Nachfolgerin Irena Steinfeldt über das „Prinzip des persönlichen Risikos“. Paldiel plädierte für die Anerkennung Abdulwahabs als Gerechter, da einige Europäer bereits aufgrund der „Gefahr einer möglichen Bestrafung“ ausgezeichnet wurden. Doch bis heute wird kein Araber in Yad Vashem geehrt.

    Der Zweite Weltkrieg

    Wie alle französischen Kolonien und Protektorate, kamen auch Marokko, Algerien und Tunesien ab 1940 unter die Herrschaft des Vichy-Regimes. Sofort wurden auch in Übersee antisemitische Gesetze und Richtlinien eingeführt. Zum zweiten Mal entfaltete sich ein großer europäischer Krieg vor den Augen und Haustüren der Nordafrikaner. Deutschland und Italien lieferten sich einen Wettlauf um nordafrikanische Territorien.

    Ägyptisches Kulturmagazin Al-Risala: In der Zwischenkriegszeit wurde die Verfolgung der Juden in Deutschland hier schon frühzeitig aufs Schärfste kritisiert. (Mit freundlicher Genehmigung von Israel Gershoni) Der israelische Historiker Nir Arielli rekonstruierte einen im Juli-August 1940 entworfenen Plan der italienischen Regierung zur zukünftigen Aufteilung des Mittleren Ostens. Dazu nutzte er zwei Dokumente der Ufficio Operazioni der italienischen Armee.

    Dieser Plan sah nicht nur die italienische Dominanz über ihre „klassischen“ Hochburgen wie das Horn von Afrika, Libyen oder dem Tschad vor, sondern auch über den Nahen Osten; ein Plan, der mit Adolf Hitlers Vorstellungen für die Region deutlich kollidierte. Diese Aufteilungspläne wurden den regionalen Herrschern natürlich vorenthalten, um eine mögliche Zusammenarbeit mit den Aufständischen gegen die Briten und Franzosen nicht zu gefährden.

    Für die Unabhängigkeitsbewegungen stellte sich die Frage, welcher Macht man sich in der Hoffnung auf Unterstützung anschließen sollte. Im Kampf gegen Frankreich konnten sowohl England als auch Italien als mögliche Partner erscheinen. Viele schenkten den Versprechungen der Alliierten von Freiheit und Unabhängigkeit für alle Glauben. Die ägyptische Wafd-Regierung erwies sich bis zum Kriegsende als loyaler Partner der Briten. Andere Unabhängigkeitsbewegungen wiederum erhofften sich von den Achsenmächten, dass sie die britischen und französischen Kolonialisten aus der Region vertreiben würden.

    Natürlich spielten auch militärische Erfolge, wie Erwin Rommels rasanter Vormarsch auf El-Alamein eine Rolle bei der Entscheidung, welche europäische Macht gerade hoch im Kurs stand. Doch für die nationalen Bewegungen blieb die Erlangung nationaler Unabhängigkeit das erste Ziel.

    Angst vor dem Krieg

    Einige verstanden die faschistische Ideologie als eine Form von Ultra-Nationalismus und sympathisierten von dieser Warte aus mit den Italienern. Doch all das sagt noch nichts über die dahinter liegenden Überzeugungen arabischer Sympathisanten aus: Während einige Nationalisten unverblümte Antisemiten waren, hatten andere keine Zweifel an der rassistischen Natur des Faschismus und Nationalsozialismus. Sie waren entsetzt, wie sich das so aufgeklärte Deutschland solch einer „barbarischen Kriegerhorde“ (Ahmed Zayyat) hingeben konnte.

    Viele arabische Schriften berichten über die deutschen Angriffe auf Nachbarländer als immanenten Bestandteil eines faschistischen Imperialismus. Der Historiker Israel Gershoni hat eine Reihe ägyptischer Kulturmagazine aus der Zwischenkriegszeit untersucht, wie Al-Hillal (Der Halbmond) oder Al-Risala (Die Botschaft): Die Verfolgung der Juden in Deutschland wurde hier schon frühzeitig aufs Schärfste kritisiert.

    Wieder andere Teile der Bevölkerung waren vollkommen unpolitisch. Informationen über den Holocaust sickerten nur dürftig zur nordafrikanischen Bevölkerung durch. Und man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass viele, ebenso wie Mitglieder des Widerstandes in anderen Teilen der Welt, kaum glauben konnten, was aus den Vernichtungslagern in Osteuropa berichtet wurde.

    In Ägypten waren die Menschen vor allem damit beschäftigt, ob die Umstellung auf die Kriegswirtschaft den Niedergang der Baumwollpreise mit sich bringen würde, wie der Historiker James Jankowski in einem bisher unveröffentlichten Aufsatz zeigt. Später fürchteten sie, dass die britischen Besatzungstruppen sie in den Krieg hineinziehen könnten, denn die Briten erstickten die Bemühungen des ägyptischen Parlaments, Kairo wie Nanking zur „offenen Stadt“ zu erklären. Jankowskis Beitrag weist auch nach, dass sich die für die Briten „potentiell gefährliche Bewegung der Muslimbrüder mit der Wafd-Partei geeinigt hatte und sich politisch still verhielt“.

    Jankowski wertete die Berichte britischer Botschaftsbeamter aus, die durch Ägypten reisten, um pro-faschistische Tendenzen innerhalb der Bevölkerung abschätzen zu können. Jankowskis Quellen zeigen eine „beinahe uneingeschränkte Zustimmung“ zu den militärischen Fortschritten der britischen und französischen Truppen von 1941. Berichte für die britische Botschaft in Kairo spielten Sympathien für Hitler sicher nicht herunter (auch wenn nicht ganz ausgeschlossen werden kann, dass Informanten das weitergaben, was gewünscht war).

    John Hamilton, der stellvertretende Nahost-Referent der britischen Botschaft, berichtete 1939, dass „das ägyptische Staatsradio am beliebtesten war, während ausländische Sender nur unter bestimmten Hörern verbreitet waren.“ Unter diesen war wiederum der italienische Sender am populärsten. Jankowski beschreibt, wie ein Ägypter Hamilton erzählte, „das deutsche Radio schalten die Leute schnell wieder ab, da in ihm offensichtlicher Stuss verbreitet werde“.

    Die Gründung der Arabischen Liga

    Noch bevor der Zweite Weltkrieg zu Ende ging, verurteilten die arabischen Regime den deutschen Genozid. Während der Vorbereitungen für die Gründung der Arabischen Liga im Jahr 1944, gab das Komitee ein Erklärung heraus, in der zu lesen war, dass das Komitee „an erster Stelle stehe (im Original: „second to none“), wenn es darum gehe das Leid, das die Juden Europas durch die europäischen Diktaturen erlitten haben, zu betrauern.“ „Aber“, so fügte das Komitee hinzu „diese Frage dürfe nicht mit dem Zionismus verwechselt werden. Denn es kann kein größeres Unrecht und keine größere Aggression geben, als das Problem der Juden in Europa durch ein weiteres Unrecht lösen zu wollen, d.h. indem man den palästinensischen Arabern unterschiedlicher Religion und Konfession ein weiteres Unrecht antut.“

    Holocaustleugnung als Antwort auf die sogenannte Holocaust-Industrie: „Der Holocaust wird mittlerweile im Nahost-Konflikt von Israelis wie Arabern instrumentalisiert“, schreibt Hegasy. Mit Blick auf den Nahost-Konflikt droht heute eine ganz andere Wahrnehmung dieser Geschichte. Oder wie es ein israelischer Historiker kürzlich zusammenfasste: „Die Politik des Muftis von Jerusalem ist nach hinten losgegangen. Nun trifft es sein eigenes Volk; sie haben auf das falsche Pferd gewettet – jetzt ist ihr Land weg.“

    Der Holocaust wird mittlerweile im Nahost-Konflikt von Israelis wie Arabern instrumentalisiert. Meir Litvak und Esther Webman zeigen in ihrem neusten Buch „From Empathy to Denial: Arab Responses to the Holocaust“ wie Holocaustleugnung auch zu einer Antwort auf die sogenannte Holocaust-Industrie (Finkelstein 2000) wurde. Wie Ha’aretz berichtete, schickte der israelische Außenminister Avigdor Lieberman 2009 das bekannte Foto eines Treffens von Hitler mit dem Mufti 1941 an die PR-Abteilungen der israelischen Botschaften, um mit diesem Foto „der weltweiten Kritik an den israelischen Siedlungsplänen zu begegnen“.

    Die „arabische Beteiligung“ am Holocaust wird aus politischen Gründen übertrieben dargestellt. Kollaboration darf nicht übersehen werden. Aber die Täter als Repräsentanten einer arabischen Mehr- oder gar Einheit darzustellen, und dazu geflissentlich die arabischen Opfer sowie den arabischen Widerstand gegen Faschismus und Nationalsozialismus zu verdrängen, wird der gemeinsamen Geschichte nicht gerecht.

    Sonja Hegasy

    Sonja Hegasy ist Islamwissenschaftlerin und Vizedirektorin des Zentrums Moderner Orient in Berlin.

    Übersetzung aus dem Englischen: Christian Horbach

    Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de

    Quelle:

  • Kernkraftwerke in der Türkei

    Kernkraftwerke in der Türkei

    Im Zusammenhang mit dem Bau eines Kernkraftwerks nähert man sich dem Finale. Minister für Energie und Bodenschätze, Taner Yildiz hat den russischen Energieminister zu Gesprächen über den Bau von Kernkraftwerken in die Türkei eingeladen. Nach Angaben von Yildiz sollen im Zusammenhang mit dem Bau von Atomkraftwerken in Akkuyu und Sinop zur Bildung von Projektunternehmen innerhalb von zwei Wochen Konferenzen mit Russland veranstaltet werden. Er hoffe dass diese Treffen noch innerhalb von zwei Wochen stattfinden. Daher habe er seinen russischen Amtskollegen in die Türkei eingeladen, so Davutoglu.

  • Acht Bürger bekommen „Integrationsmedaille“

    Acht Bürger bekommen „Integrationsmedaille“

    Foto: dapd

    01.12.2010

    Regierung kürt Vorbilder
    Acht Bürger bekommen „Integrationsmedaille“

    Berlin (RPO). Die Bundesregierung hat erstmals Menschen geehrt, die sich um die Integration in Deutschland verdient gemacht haben. Maria Böhmer, Integrationsbeauftragte, verlieh am Mittwoch acht Bürgern die so genannte Integrationsmedaille. „Wenn ein Migrant denkt, das ist auch mein Baum und mein Park, dann ist schon viel erreicht“, sagt einer der Preisträger.
    Die erstmals verliehene Auszeichnung ist laut Bundesregierung als Anerkennung für Privatpersonen gedacht, die sich in vorbildlicher Weise „um die Integration und um ein harmonisches gutes Zusammenleben in unserem Land“ bemühen – unabhängig ihrer Staatsangehörigkeit oder Herkunft.
    Vorgeschlagen wurden die Preisträger von den fünf Bundestagsfraktionen. Die Vorschläge wurden je nach Fraktionsstärke berücksichtigt. Daher wurden drei von der Union vorgeschlagene, zwei von der SPD vorgeschlagene Personen und je eine von den übrigen Fraktionen im Bundestag vorgeschlagene Person ausgezeichnet.
    Einer der Preisträger ist der türkischstämmige Turgut Altug. Er leitet ein Deutsch-Türkisches Umweltzentrum in Berlin-Kreuzberg und will Migranten in Deutschland für Natur und Umweltschutz begeistern. Die Fraktion der Grünen hatte Altug vorgeschlagen, weil dieser sich dafür einsetze, Zuwandererfamilien für umweltfreundliche Mobilität, Mülltrennung, nachhaltigen Energieverbrauch und gesunde Ernährungsgewohnheiten zu gewinnen. „Nicht nur, weil das der Umwelt gut tut, sondern auch, weil der Zugang zu Natur und Ökologie eine Frage der Teilhabe und Partizipation ist“, schrieb die Fraktionsvorsitzende Renate Künast in dem Vorschlagsschreiben.
    „Das ist auch mein Baum und mein Park“
    Altug zeigte sich befriedigt über die Wertschätzung von so hoher Stelle. „Ich freue mich sehr, dass jetzt anerkannt wird, dass wir gute Arbeit leisten.“ Die klassischen Themenfelder der Integration wie Bildung, Gesundheit oder Soziales seien natürlich wichtig. „Aber wenn ein Migrant denkt ‚das ist auch mein Baum und mein Park‘, dann ist schon viel erreicht“, sagt der 45-Jährige.
    Er initiierte einen interkulturellen Garten auf dem Kinderbauernhof im Görlitzer Park, wo Familien verschiedener Kulturkreise zusammen gärtnern, Feste organisieren und Gartenführungen für Schulen organisieren. Das Türkisch-Deutsche Umweltzentrum veranstaltet auch Kochkurse für türkische Kinder, um ihnen den Zusammenhang von Klimaschutz und Nahrungsmitteln zu vermitteln.
    Eine Medaille bekamen neben Turgut sieben weitere Personen.
    Ahmed Al Kadari aus Raunheim, geboren in Marokko, initiierte zahlreiche Hilfs- und Integrationsprojekte an Raunheimer Schulen und Kindergärten. Zugleich setzt sich der gläubige Muslim intensiv für den interreligiösen Dialog mit der evangelischen Kirchengemeinde Raunheim ein.

    Familie Aridi aus Zeven kam als Flüchtlingsfamilie aus dem Libanon nach Deutschland und hat sich hier hervorragend integriert. Die Eltern haben sich jahrelang im Sportverein TUS Zeven engagiert, die Söhne sind erfolgreiche Existenzgünder.

    Beyhan Güler aus Bendorf, geboren in der Türkei, setzt sich auch neben ihrer Arbeit als Lehrerin für muttersprachlichen Unterricht intensiv bei der Elternarbeit ein. Zudem engagiert sie sich als langjährige Vorstandsvorsitzende des Vereins „Merhaba“, einem Lernort für türkische Kinder und Jugendliche.

    Remzi Güneysu aus Erlangen, geboren in der Türkei, ist seit 1996 aktives Mitglied der Sicherheitswacht, die die Polizei bei ihrer Arbeit in Problembereichen unterstützt. Zugleich ist er als ehrenamtlicher Dolmetscher tätig und engagiert sich als Ehrenvorsitzender im Türkisch-Islamischen Kulturverein.

    Adnan Mermertas aus Herne, geboren in Syrien, setzt sich für die Integration der syrisch-orthodoxen Christen in der Bundesrepublik ein. Er gehört selbst dieser Glaubensgemeinschaft an und unterstützt weitere Mitglieder als Dolmetscher in Asyl- und Einbürgerungsfragen.

    Dagmar Reissig aus Kernen, geboren in Deutschland, ausgebildete Kulturdolmetscherin bei der Caritas, hat Migrantenkinder insbesondere beim Spracherwerb unterstützt. Mit einem „Café International“ macht sie gemeinsam mit anderen Frauen Integration vor Ort möglich.

    Dr. Mekonnen Shiferaw aus Berlin, geboren in Äthiopien, engagiert sich seit Jahren in Marzahn-Hellersdorf gegen Fremdenfeindlichkeit. Er gründete das Projekt „Babylon“ unter dem Motto „Für Toleranz und gegen Gewalt“ und ist vor allem in der Jugendarbeit vor Ort aktiv.

    erstellt am: 01.12.2010
    URL: www.rp-online.de/politik/deutschland/Acht-Buerger-bekommen-Integrationsmedaille_aid_937133.html

  • PREMIERE: SOFTGUN

    PREMIERE: SOFTGUN

    Das Arkadas Theater – Bühne der Kulturen präsentiert
    PREMIERE: SOFTGUN
    „Es gibt immer einen, der stärker ist als du.“
    Am Dienstag, den 07.12.2010, um 11:30 Uhr (Vorpremiere) und 20:00 Uhr (Premiere)
    Am Mittwoch, den 08.12.2010, um 20:00 Uhr

    „Ich lächle, aber ich bin kalt mitten in der Sonne.“
    Das spricht oder denkt das Kind, das so gerne ein cooler Cowboy wäre. Da wird Abgestumpftheit beschrieben und es klingt poetisch. Ed, der Ich-Erzähler, ist 10, 12, ist 13, 18 und 22 Jahre alt. Ein erstaunlicher Blick hinein in die Welt eines Menschen, für den Gewalt ganz normal ist, als Täter und als Opfer. Auf den ersten Blick ist es der Bericht eines Gewalttäters über seine Taten. Er erzählt von dem was ihm angetan wurde und was er anderen antat. Er prügelt und wird verprügelt. Er ist ein zwiespältiger Held; man fühlt mit ihm und wird von ihm abgestoßen.

Die Zeiten springen wild durcheinander. Wie es eben ist, wenn man seine Gedanken fließen läßt. Erinnerungen, Träume, Anekdoten und Banales – alles ist gleich wichtig und gleich unwichtig. Dennoch formt sich daraus eine Vorstellung, wie und wer dieser Mensch Ed ist. Mats Kjelbyes „Softgun“ ist ein Meisterstück genauer Beobachtung sowie sprachlicher und gedanklicher Präzision. Es besitzt einen fast hypnotischen Rhythmus, kluge Schnitte, geschickt aneinander montierte Szenen – und sogar Poesie zeigt sich, da, wo man sie am wenigsten erwartete: Im Herzen der nacktesten und sinnlosesten Gewalt. Dass sich das so auch ins Deutsche überträgt, dafür ist nicht zuletzt der Übersetzer Dirk H. Fröse zu loben. (Aus der Laudatio für den Jugendtheaterpreis 2008 Baden-Württemberg)

    Wir bitten Sie um einen redaktionellen Beitrag und um die Veröffentlichung des Termins. Gerne senden wir Ihnen auf Ihren Wunsch hin ausgewählte Fotos der Arbeiten unserer Künstler zu. Über Ihren Besuch bei der Aufführung würden wir uns sehr freuen.

    Arkadas Theater – Bühne der Kulturen
    Thomas Traeder
    Pressestelle Arkadas Theater – Bühne der Kulturen
    Platenstrasse 32
    50825 Köln
    Tel: 0221.9559510
    Fax: 0221.9559512
    Mail: presse@buehnederkulturen.de
    Web: www.buehnederkulturen.de

  • Deutsches Jobwunder hält an

    Deutsches Jobwunder hält an

    Viel zu tun im deutschen Maschinenbau

    Arbeitsmarkt | 30.11.2010
    Deutsches Jobwunder hält an
    Der Winter lässt den Arbeitsmarkt völlig kalt. Die Zahl der Arbeitslosen ist auch im November weiter gesunken, die Zahl der offenen Stellen weiter gestiegen. Das wird sich im nächsten Jahr fortsetzen, sagen Experten.

    Der Aufschwung am Arbeitsmarkt hat auch im November angehalten. Im Vergleich zum Oktober verringerte sich die Zahl der Arbeitslosen um 14.000 auf jetzt 2,93 Millionen, wie die Nürnberger Bundesagentur für Arbeit (BA) am Dienstag (30.11.2010) mitteilte. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies einen Rückgang um 284.000.
    Die Arbeitslosenquote lag wie im Oktober bei 7,0 Prozent. Vor einem Jahr hatte sie bei 7,6 Prozent gelegen. BA-Chef Frank-Jürgen Weise erklärte: „Der Arbeitsmarkt profitiert von der guten Konjunktur. Die Arbeitslosigkeit sinkt, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und die Erwerbstätigkeit nehmen erneut deutlich zu, und auch die Nachfrage nach Arbeitskräften steigt.“
    Dies ist auch am Stellenindex der Bundesagentur für Arbeit abzulesen. Demnach kletterte die Zahl der offenen Stellen im November auf den höchsten Stand seit mehr als zweieinhalb Jahren. Entsprechend stieg der von der BA allmonatlich ermittelte Beschäftigungsindex BA-X auf 149 Punkte, dies sind vier Zähler mehr als im Oktober und 37 mehr als vor einem Jahr.
    Nach BA-Erkenntnissen winken vor allem Zeitarbeitsunternehmen mit freien Arbeitsplätzen; gut jede dritte gemeldete freie Stelle komme derzeit aus dieser Branche. Aber auch im Handel, in der Baubranche, Gastronomie oder im Gesundheits- und Sozialwesen suchten die Firmen nach neuen Mitarbeitern. Bei den offenen Stellen handle es sich überwiegend um Vollzeitjobs, zudem seien mehr als drei Viertel unbefristete Arbeitsverhältnisse. „Teilweise klagen Unternehmen bereits wieder über Probleme, ausreichend (hoch-)qualifizierte Fachkräfte zu finden“, schrieben die Experten.
    (…)
    Quelle:

  • Prognose 2011: Autobauer vor Rekordjahr

    Prognose 2011: Autobauer vor Rekordjahr

    30. November 2010
    Prognose 2011
    Autobauer vor Rekordjahr

    Mit verkürzten Weihnachtsferien und Sonderschichten versuchen die deutschen Autobauer der großen Nachfrage Herr zu werden. Die aktuelle Lage in den Werken bietet einer Studie zufolge einen Vorgeschmack auf das kommende Jahr, das ein Rekordjahr werden dürfte..
    Hamburg – Im Jahr 2011 werden laut einer Studie der Universität Duisburg-Essen weltweit so viele Autos verkauft wie nie zuvor. Die Experten rechnen damit, dass insgesamt 62,2 Millionen Pkw abgesetzt werden. Das seien 6,3 Prozent mehr als in 2010.
    Verantwortlich dafür seien vor allem die boomende Weltkonjunktur, das hohe Wachstum außerhalb Europas sowie der schwache Euro. Die Gewinne der deutschen Autobauer würden somit voraussichtlich das hohe Niveau des Jahres 2010 übertreffen, für das der Branchenverband VDA mit einem Absatz von 2,9 Millionen Pkw rechnet.
    Deutschland zählt den Forschern der Universität Duisburg-Essen zufolge 2011 mit einem Plus von 10,2 Prozent hinter Russland, den USA, Indien und China zu den Pkw-Märkten mit den größten Zuwächsen. Der hiesige Automarkt habe in diesem Jahr sehr unter den Folgen der Abwrackprämie gelitten.
    Trotz der wieder anziehenden Konjunktur seien die Verkäufe 2010 unter das niedrigste Niveau seit der Wiedervereinigung gerutscht. Lediglich Firmenwagen, Pkw der oberen Mittelklasse und der Luxusklasse sind den Experten zufolge gefragt gewesen, bei den Klein- und Kompaktwagen brach der Absatz hingegen deutlich ein.
    Im kommenden Jahr seien die negativen Effekte der Abwrackprämie aber deutlich abgeschwächt und zudem überdeckt von der guten Wirtschaftslage, so die Autoren der Studie. Die Autobauer sollten sich neben dem heimischen Markt vor allem auf die Regionen in Asien und Nordamerika konzentrieren und dort ihre Präsenz weiter ausbauen.
    Die Forscher gehen davon aus, dass schon in 2011 rund 36 Prozent aller weltweit abgesetzten Pkw in Asien verkauft werden und nur noch 21 Prozent in Europa. Bereits im Jahr 2015 würden dann weniger als 20 Prozent aller Autos in Westeuropa abgesetzt.
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  • Integrationspolitik: Noch jung und schon gescheitert?

    Integrationspolitik: Noch jung und schon gescheitert?

    01.12.2010
    Integrationspolitik: Noch jung und schon gescheitert?
    SPD veranstaltete Podiumsdiskussion mit Experten / Gabriel will Migranten stärker in die Politik einbeziehen

    Von Martin Lejeune
    In Berlin diskutierten am Montag über 200 Teilnehmer die Integrationspolitik als junge Disziplin. Die Redner konstatierten eine neue Dimension der Diffamierung, forderten den flächendeckenden Religionsunterricht und kritisierten den Integrationsbegriff als solchen.
    »Integrationspolitik in Deutschland. So jung und schon gescheitert?«, fragte die SPD-Veranstaltung im Willy-Brandt-Haus, die häufig um den abwesenden und doch omnipräsenten Thilo Sarrazin kreiste. In seiner Eröffnungsrede merkte Parteichef Sigmar Gabriel selbstkritisch an, die SPD habe in der Vergangenheit eher Politik für Migranten gemacht, als mit ihnen. Fortan müsse Integration unter dem Motto »Politik mit allen für alle« stehen.
    In Deutschland hat jeder Fünfte einen Migrationshintergrund. Nur sechs Millionen von ihnen sind Ausländer. Naika Foroutan, Sozialwissenschaftlerin an der Humboldt Universität Berlin, merkte man ihre Wut auf den Noch-Genossen Sarrazin und den »Schaden, den seine Thesen angerichtet haben«, deutlich an. Foroutan bekämpft dessen rassistische Thesen schon lange und setzt sich dafür ein, »dass muslimische Migranten und echte Deutsche einen gemeinsamen Weg gehen, anstatt dass eine Gruppe der anderen folgen muss«. Mit angriffslustigem Unterton fügte sie hinzu: »Ich will nicht, dass Bio-Deutsche, dass autochthone Deutsche ihren bestimmten Status Quo anderen aufzwingen und denen, die das nicht erreicht haben, vorwerfen: Das habt ihr noch nicht geschafft, dort müsst ihr aber hin.«
    Foroutan hält eine nationale Integrationspolitik sowieso für illusorisch. Es »gibt zu unterschiedliche Ausgangspunkte in unterschiedlichen Städten mit unterschiedlichem sozialen Gefälle«. Statt einer Integrationspolitik verlangte sie, »Kriterien wie Kultur und Religion« unberücksichtigt zu lassen und dafür insgesamt den Blick auf Entfremdungsstrukturen in dieser Gesellschaft zu richten. »Wir sprechen von Integration statt von Rassismus. Doch wir müssen zu einer Politik kommen, die niemanden ausschließt.« Hinter Bezeichnungen steckten immer auch Ressentiments, so Foroutan. »72 Prozent der Kinder, die 2011 in Frankfurt am Main eingeschult werden, haben einen Migrationshintergrund. Sind das etwa alle Ausländer?«
    Rauf Ceylan, Religionswissenschaftler an der Universität Osnabrück mit dem Schwerpunkt gegenwartsbezogene Islamforschung, kam ebenfalls mit einer Zahl nach Berlin: »Etwa 900 000 muslimische Schüler gibt es in Deutschland, für die es in den meisten Bundesländer keinen Religionsunterricht gibt«, erklärte Ceylan und forderte, diesen flächendeckend einzuführen. Sein Institut ist bundesweit das erste, das Imame an einer Universität ausbildet. Ceylan klagte, dass Muslime »meist im negativen Kontext dargestellt werden« und nannte die Beispiele Kopftuch, Terror und häusliche Gewalt.
    Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrates der Juden, dessen Gemeindemitglieder zu mehr als 95 Prozent Zuwanderer aus dem Gebiet der früheren Sowjetunion sind, stellte fest: »Juden sind in weiten Teilen dieser Gesellschaft Fremde. Es ist für viele Deutsche schwer vorstellbar, dass Juden auch Deutsche sein können.« Die unsägliche Sarrazin-Debatte bedeutet für die Fremdenfeindlichkeit in diesem Land auch in Kramers Augen eine »neue Dimension in der Qualität von Aggression und Diffamierung gegenüber Migranten«.
    Kramer kritisierte Kanzlerin Merkel für ihre Äußerung, wer sich nicht an christlich-jüdisch-abendländischen Werten orientiere, sei fehl am Platz. Denn diese christlich-jüdische Leitkultur habe es niemals gegeben. »Und diese Äußerungen haben nur das Ziel, eine dritte Kultur, die muslimische, auszuschließen. Und für so eine Bundeskanzlerin ist hier kein Platz.« Kramer fragte: »Was macht Deutschland eigentlich so sexy, dass man hierherkommen, leben und an der Gesellschaft teilhaben möchte? Und zwar nicht als Gastarbeiter, sondern als gleichberechtigter und -gestellter Deutscher?« Eine Antwort fand er nicht.
    Ein Türke aus dem Publikum sagte zu Kramer: »In Finnland, Schweden, England oder Kanada sehe ich eine Perspektive für meine Kinder. Aber nicht in Deutschland.« Weil hier nur über Integration diskutiert werde, anstatt Ausländern auf Augenhöhe zu begegnen: »Ich möchte vom Fernsehen auch mal zu meiner Meinung zu Gorleben befragt werden und nicht immer nur zum Thema Integration.«

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  • Der Fall des Hakan Cengiz

    Der Fall des Hakan Cengiz

    Kam zum Studium nach Deutschland: Hakan Cengiz
    Foto: dpa/D. Ebener

    01.12.2010
    Der Fall des Hakan Cengiz
    Ein Würzburger Integrationsfachmann soll abgeschoben werden. Auch der OB ist nun dagegen
    Der in Würzburg lebende Hakan Cengiz soll trotz seiner erfolgreichen Arbeit mit Migranten in die Türkei abgeschoben werden. Oberbürgermeister Rosenthal will das nun verhindern. Zuletzt hatte er die Entscheidung der städtischen Ausländerbehörde noch verteidigt.

    Würzburg (dpa/ND). In den Fall des von der Abschiebung bedrohten Türken Hakan Cengiz hat sich am Montag der Würzburger Oberbürgermeister Georg Rosenthal (SPD) eingeschaltet. In einem Brief an Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) regt er an, die beim Ministerium angesiedelte Härtefallkommission möge sich mit der Sache befassen. Das teilte die Stadt mit.
    Seit Tagen gibt es in Würzburg Widerstand gegen die drohende Abschiebung des Familienvaters, der in einem Förderverein unter anderem erfolgreich Integrationskurse für Migranten organisiert. Der 29-jährige Cengiz soll nach mehr als sechs Jahren in Deutschland in sein Heimatland zurückkehren, weil seine Aufenthaltsgenehmigung nur für ein Studium galt. Da Cengiz aber nicht mehr studiert, sah die städtische Ausländerbehörde die rechtlichen Voraussetzungen für seinen Aufenthalt nicht erfüllt und verlängerte seinen Aufenthaltstitel nicht. Die Stadt vollziehe Bundesrecht und habe keine Entscheidungsspielräume, hieß es aus dem Büro des Oberbürgermeisters. Das Verwaltungsgericht Würzburg bestätigte die Behördenentscheidung.
    Stadt würdigt Verdienste
    Käme es zur Abschiebung, müssten auch Cengiz‘ derzeit hochschwangere Ehefrau und sein zweijähriger Sohn Würzburg verlassen. In der Härtefallkommission sind Vertreter der christlichen Kirchen, der Landesarbeitsgemeinschaften der freien Wohlfahrtspflege und der kommunalen Spitzenverbände vertreten. Das Gremium arbeitet nicht auf Antrag des Betroffenen, sondern aus eigenen Erwägungen. Bejaht die Kommission mit der Mehrheit von zwei Dritteln der stimmberechtigten Mitglieder, dass ein Härtefall vorliegt, würde ein entsprechendes Ersuchen an das Innenministerium gerichtet. Dort wird dann über die Aufenthaltsgenehmigung entschieden.
    Nach Rosenthals Ansicht könnte die Kommission nach Paragraf 23a des Aufenthaltsgesetzes dem Ministerium vorschlagen, eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären oder persönlichen Gründen zu erteilen. »Herr Cengiz hat unbestritten Verdienste um die Integration erworben und ist in der Integration bemüht«, sagte der OB laut Mitteilung.
    Der Fall ist verzwickt: »Ich bin für ein Studium hergekommen«, erklärt Cengiz, der zu Hause nicht politisch verfolgt wurde. Nur dafür erhielt er eine Aufenthaltserlaubnis. Doch dann kam alles anders. Krankheit und Trauerfälle in der Familie, finanzielle Sorgen, die Heirat. »Ich habe viel Unterrichtsstoff verpasst«, sagt der gelernte Bauingenieur. Das Studium in Darmstadt hat Cengiz nicht beendet, stattdessen vor dreieinhalb Jahren eine Teilzeitstelle beim Förderverein Main-Bildung in Würzburg angenommen. Mehr darf er derzeit laut Gesetz nicht arbeiten.
    Bei dem Verein wird vor allem das Organisationstalent des Türken geschätzt. »Außerdem waren die Sprachkenntnisse von Herrn Cengiz im Türkischen und Kurdischen von enormer Wichtigkeit, um die entsprechenden Bevölkerungsgruppen anzusprechen«, erklärt Vereinsgeschäftsführer Ismail Temel. Er will den 29-Jährigen gerne voll einstellen.
    Vorbild für Migranten
    »Er gehört zu unseren wichtigsten Mitarbeitern, daher garantieren wir Herrn Cengiz einen Job und ein entsprechendes Gehalt«, sagt Temel. Der Familienvater sei ein Vorbild für alle Migranten. Auch Würzburger Bürger protestieren gegen die drohende Abschiebung.
    URL:

  • Gebremste Ermittlungen

    Gebremste Ermittlungen

    Gottfried Küssel – hier auf einer Demo von FPÖ und Burschenschaften am 9. November 2008

    Foto: www.insight.noblogs.org

    01.12.2010


    Gebremste Ermittlungen

    Justiz in Österreich hat seit Monaten ein Neonazinetzwerk im Visier. Eine Spur führt nach Deutschland. Doch hier ist die zuständige Staatsanwaltschaft nicht informiert

    Von Frank Brunner

    Von den Untersuchungen gegen Dutzende Neonazis, die seit Wochen in Österreich geführt werden, soll nichts nach draußen dringen. »Die Ermittlungen sind geheime Verschlußsache«, erklärte Thomas Vecsey von der Staatsanwaltschaft Wien vergangene Woche auf Anfrage von junge Welt. Derzeit würden etliche Computer untersucht, die bei einer Razzia Ende Oktober sichergestellt wurden, mehr könne er nicht sagen, so Vecsey. Die Vorsicht ist durchaus nachvollziehbar. Denn die Geschichte, die sich derzeit in der Alpenrepublik abspielt, hat das Potential zu einem handfesten Skandal, der möglicherweise bis nach Deutschland reicht. Dabei geht es um die rechte Internetseite »alpen-donau.info«, die seit März 2009 online ist. Dort werden Migranten, Linke und alle anderen, die nicht ins schwarz-weiß-rote Weltbild passen, bedroht, indem man ihre Fotos, Adressen und Telefonnummern veröffentlicht. Bis heute ist die Seite im Netz verfügbar.

    Dubiose Beziehungen

    Dabei hatten die Grünen bereits im Sommer 2009 eine entsprechende parlamentarische Anfrage gestellt, worauf die Namen einiger Mitarbeiter der Seite publik wurden. Darunter auch Gottfried Küssel. Der heute 62jährige gründete 1986 die militante Neonazitruppe »Volkstreue Außerparlamentarische Opposition« (VAPO) und wurde 1993 wegen »NS-Wiederbetätigung« zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt. Doch erst vor wenigen Monaten begann das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), gegen Küssel und weitere Verdächtige zu ermitteln. Ende Oktober durchsuchten Beamte in Wien, Niederösterreich, der Steiermark, Kärnten und Tirol insgesamt 18 Wohnungen von mutmaßlichen Mitgliedern des rechten Netzwerkes. Sie beschlagnahmten Laptops, Handys und auch einige Waffen. Die Spuren führen unter anderem in die Militärakademie und das Militärgymnasium in Wien sowie in rechtsnationale Burschenschaften.

    Doch trotz der großangelegten Aktion reißt die Kritik am Vorgehen der Behörden nicht ab. So hatten die Fahnder zunächst nur eine Durchsuchung in Wien durchgeführt, alle übrigen Wohnungen wurden erst einen Tag später kontrolliert. Kaum vorstellbar, daß die Rechten nicht über die Razzia informiert waren. Mit »mehreren unabhängigen Ermittlungen, bei denen es leider zu Überschneidungen« gekommen sei, rechtfertigte BVT-Chef Peter Griedling«, die Panne Anfang November. Doch es gibt weitere Ungereimtheiten. Der Standard berichtete, daß auch der Sohn eines beim Inlandsgeheimdienst beschäftigten Beamten Kontakte zu Betreibern von »alpen-donau.info« haben soll. Die Behörde bestreitet, daß Informationen ins rechte Milieu gelangt sind. Mitte August sei der BVT-Mitarbeiter versetzt worden. Da liefen die Untersuchungen allerdings schon einige Monate. Sicher ist dagegen, daß der Name des jungen Mannes – im Gegensatz zu denen der anderen Verdächtigen – vom Innenministerium anonymisiert wurde. Ebenfalls ungewöhnlich: Obwohl der Sohn des Beamten angezeigt wurde, einer der Verantwortlichen für die Internetseite zu sein, ermittelt die Staatsanwaltschaft bislang nicht gegen ihn, meldete Der Standard.

    Schwere Vorwürfe gegen den Verfassungsschutz kommen zudem von mehreren Personen, die auf der Internetplattform bedroht wurden. Sie seien nicht kontaktiert worden, teilweise habe sich die Polizei geweigert, entsprechende Anzeigen aufzunehmen, heißt es. Der frühere Polizist und Experte für Internetkriminalität, Uwe Sailer, monierte darüber hinaus, daß die Seite noch immer nicht gesperrt ist. Gründe für die schleppenden Ermittlungen seien die »schützende Hand der Politik und die Verstrickungen der FPÖ in die einschlägige Szene« sagte Sailer der Zeitung Die Presse. Tatsächlich soll unter den Verdächtigen auch ein ehemaliger Mitarbeiter des früheren dritten Nationalratspräsidenten und Mitgliedes der Freiheitlichen Partei (FPÖ) Martin Graf sein. Auch die Betreiber von »alpen-donau.info« verweisen auf ihre Kontakte zur der rechtspopulistischen Truppe. Sailer vermutet, daß die Betreuung der Seite längst ins Ausland verlegt wurde.

    Verbindung nach Chemnitz

    Damit dürfte er nicht ganz falsch liegen. Nach Informationen von junge Welthandelt es sich bei dem zuständigen Administrator um ein Mitglied der Chemnitzer NPD. Der gelernte Kommunikationselektroniker hat eine eigene Webfirma, die auch den Internetauftritt der NPD betreut, früher war er zudem zuständig für die Seiten des »Nationalen Bündnisses Dresden«. Für eine Stellungnahme war der Mann bislang nicht zu erreichen. Die Chemnitzer Staatsanwaltschaft wurde von den österreichischen Kollegen über eine mögliche Verbindung nach Sachsen bislang nicht informiert. »Die Untersuchungen der Wiener Behörden sind mir nicht bekannt, es gibt bei uns keine entsprechenden Ermittlungen«, erklärte Oberstaatsanwalt Bernd Vogel gegenüber jW.

    Doch auch der Chemnitzer Bundestagsabgeordnete Michael Leutert (Die Linke) erklärt, daß es in Zusammenhang mit »alpen-donau.info« Hinweise auf die Beteiligung sächsischer Rechtsextremisten gibt. »Den Eifer, mit dem in Sachsen gegen angebliche linksextreme Gesinnungen vorgegangen wird, sollten die Behörden besser da zeigen, wo er notwendig ist: im Kampf gegen rechts«, sagte Leutert am Dienstag gegenüber junge Welt. Der Hintergrund: Sachsen will bei der Vergabe von Fördermitteln und Preisgeldern an Vereine und Projekte künftig verlangen, daß sich die Organisationen von »linksextremen« Gruppen distanzieren.

    Quelle:

  • Gegen Rassismus

    Gegen Rassismus

    AP

    Gegen Rassismus
    Rund 100 Roma haben am Dienstag in Bukarest gegen einen Parlamentsantrag demonstriert, sie künftig in offiziellen Dokumenten nicht mehr als Roma, sondern als »Zigeuner« zu bezeichnen, weil ihr Name zu nah an »Rumäne« liege und zu Verwechslungen führen könne. Roma-Repräsentant Nicolae Gheorghe warnte, die Wiedereinführung des Begriffs »Zigeuner« werde Ängste vor Verfolgung schüren. Er erinnerte daran, daß die Nazis während des Zweiten Weltkriegs allein aus Rumänien 25000 Roma deportierten und ermordeten. Insgesamt fielen bis 1945 bis zu einer halben Million Sinti und Roma dem Rassenwahn zum Opfer. (jW)

    Quelle:

  • Wien behindert Türkei-Beitritt

    Wien behindert Türkei-Beitritt

    US-Vizeaußenminister Burns hörte Klagen aus Ankara

    Wien – Mehr als 1700 Geheimdokumente aus der US-Botschaft in Wien kommen über die Aufdecker-Website Wikileaks an die Öffentlichkeit. Ein weiteres Dokument zeugt vom wachsenden türkischen Ärger über Österreich. Die Tageszeitung „Die Presse“ berichtet in diesem Zusammenhang über eine Unterhaltung des US-Vizeaußenministers William Burns mit seinem türkischen Counterpart Feridun Sinirlioglu.

    Dieser beklagte sich bei Burns darüber, dass Österreich gemeinsam gemeinsam mit Frankreich und Zypern den türkischen EU-Beitritt „aus politischen Motiven“ behindere. Die Beziehungen zwischen Ankara und Wien seien außerdem „infiziert von den ethnischen Vorurteilen“ in Österreich.

    Das Außenamt wies die Darstellung Sinirlioglus auf Anfrage der „Presse“ zurück: „Das stimmt schlicht nicht. Die Türkei konnte bisher ein einziges Kapitel bei den Beitrittsverhandlungen abschließen, das war unter österreichischem EU-Vorsitz“, sagte Alexander Schallenberg, Sprecher von Außenminister Michael Spindelegger (V).

    In einem anderen Dokument zitiert der US-Botschafter in Ankara einen Funktionär der regierenden AK-Partei von Premier Recep Tayyip Erdogan mit den Worten, man wolle sich für die Niederlage bei der Belagerung Wiens 1683 revanchieren.

    Ins Visier der US-Dienste geriet Österreich auch durch seinen temporären Sitz im UN-Sicherheitsrat 2009 und 2010. In Richtlinien zur Informationsbeschaffung in der UNO vom Juli 2007 wird bei jedem Thema das Aushorchen der österreichischen Positionen verlangt. Die „berichtenden Beamten“ sind auch angehalten, möglichst viele Informationen über Gesprächspartner zu sammeln – bis hin zu den Nummern ihrer Kreditkarten und ihrer Flugmeilenkarten. (APA)

    Wien behindert Türkei-Beitritt – Geheimdokumente – derStandard.at › International.

  • Darf man kriminelle Fremde abschieben?

    Darf man kriminelle Fremde abschieben?

    Darf man kriminelle Fremde abschieben?

    28.11.2010 | 18:34 | WOLFGANG GREBER (Die Presse)

    Die umstrittene Volksinitiative in der Schweiz berührt Rechtsfragen, die nicht immer klar lösbar scheinen. Sie gibt aber auch Einblick in die elitäre Seele vieler Schweizer.

    Die Schweizer nahmen am Sonntag die Initiative der populistischen Schweizer Volkspartei (SVP) zur „Ausschaffung“ krimineller Ausländer an. Nun steht eine Verfassungsänderung an, nach der Fremde, die in der Schweiz wegen schwerer Delikte wie Mord und Raub rechtskräftig verurteilt werden, automatisch abgeschoben werden und fünf bis 15 Jahre Schweiz-Verbot erhalten. Das blüht auch dem, der Sozialhilfe missbraucht.

    Die SVP argumentierte mit der hohen Kriminalitätsrate unter Ausländern; ein Faktum, das auch in Österreich kaum noch bestritten wird. Fremde sollten sich laut SVP wie Gäste verhalten und die Regeln befolgen, sonst fliegen sie raus. So unmenschlich ist das an sich nicht. Wer in einem anderen Land leben will, soll sich korrekt benehmen. Da geht’s nicht um Unterwürfigkeit, sondern auch um den Schutz des Fremden selbst – speziell, wenn er Flüchtling ist: Wer aus seinem Land geflohen ist, sollte so handeln, dass er nicht wieder zurückmuss.

    Zudem kennt das allgemeine Völkerrecht kein individuelles Recht der freien Aufenthaltswahl im Ausland. Jedem Staat steht es frei, Fremde einzulassen und auszuweisen, und mitunter ohne Begründung. Internationale Verträge haben diese Territorialhoheit allerdings begrenzt, und dort setzten die Gegner der Initiative an: Automatische Abschiebungen seien völkerrechtlich illegal, speziell in Staaten, in denen dem Betreffenden Folter drohe. Bei EU-Bürgern verletze die Initiative den Vertrag EU/Schweiz zur Freizügigkeit des Personenverkehrs. Und natürlich seien die Abschiebungen „diskriminierend“ – ein gängiger Vorwurf, den man zur Sicherheit immer behaupten kann.

    Viele Medien gaben diese Kritik juristisch dürftig überprüft wieder. So fordert die SVP in der Tat nicht, das Verbot der Ausweisung in „Folterstaaten“ laut Anti-Folter- und Flüchtlingskonvention der UN zu kippen; es bleibt auch weiter in Artikel 25 Schweizer Grundgesetz. In einen Rechtssumpf tappt man aber beim Freizügigkeitsabkommen: EU-Bürger dürfen in der Schweiz leben, solange sie sich den Aufenthalt finanzieren können. Doch eine unpräzise Vertragsklausel macht das Recht beschränkbar, aus „Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit, Gesundheit“. Laut Juristen sind damit weitgehende Abschiebemaßnahmen legitimierbar; im Übrigen sind auch innerhalb der EU Ausweisungen möglich, doch in eng definierten Grenzen.

    Noch ein Problem: die mögliche Verletzung des Rechts auf Familienleben (Artikel 8 Europäische Menschenrechtskonvention), wenn etwa ein Familienvater gehen soll. Nur sagt der Artikel auch, dass das Recht aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und zur Verhinderung von Delikten beschnitten werden kann – wieder eine wolkige Klausel.

    Hauptknackpunkt aber ist die Ausweiseautomatik. Laut Schweizer und EU-Recht ist stets zu prüfen, ob eine Ausweisung verhältnismäßig ist und vom Verurteilten weiter Gefahr ausgeht. Wenn dazu die SVP einwendet, dass ja auch EU-intern Ausweisungen möglich sind, ist das ein Schuss ins Knie: Dieselbe EU-Norm (Richtlinie 2004/38) sagt, dass eine Verurteilung allein dafür nicht reicht. Im Übrigen besagt der UN-Menschenrechtspakt II von 1966, dass es gegen Ausweisungen staatliche Rechtsmittel geben muss. Insgesamt ist die Ausweiseautomatik kaum haltbar und vor allem zum Gaudium von Stammtischrichtern gedacht.

    Dieses populistische Motiv ist es auch, das – bei allen nachvollziehbaren Argumenten – die Ausschaffungsinitiative durchzieht und damit auch ein gewisses Klima in der Schweiz offenbart, etwa diese verbissene „Wir sind besser als alle anderen“-Attitüde. Die wachsende Anti-Ausländer-Haltung, bei der es nicht nur gegen Afrikaner und Osteuropäer geht, sondern auch gegen Deutsche oder Österreicher, legt auch eine gewisse Schizophrenie bloß: Auf der einen Seite sollen ausländische Mörder, Räuber und Dealer aus der Schweiz geworfen werden, andererseits wurden und werden dort Gewaltherrscher, Diktatoren, Mafiosi und schwindlige Geschäftemacher, deren Geld oft fragwürdiger Herkunft ist, mit einem „Grüezi“ aufgenommen.

    Es ist diese (im Grunde pragmatische) Rosinen-aus-dem-Kuchen-Picker-Mentalität, die diese Initiative letztlich unverfroren erscheinen lässt.

    E-Mails an: wolfgang.greber@diepresse.com

  • Enthüllungen führen US-Verbündete vor

    Enthüllungen führen US-Verbündete vor

    Foto: AFP

    Wikileaks veröffentlicht Dokumente
    Enthüllungen führen US-Verbündete vor

    Washington (RPO). Lästereien über Politiker, geheime Allianzen gegen den Iran, Zweifel an der Verlässlichkeit der Türkei und Sammlung von biometrischen Daten –Wikileaks hat mehr als 250.000 teils geheime Dokumente aus dem US-Außenministerium veröffentlicht, die Aufschluss über die Arbeitsweisen der USA geben.
    Die Internetplattform Wikileaks hat mehr als 250.000 teils geheime Dokumente aus dem US-Außenministerium veröffentlicht, die verschiedenen Medien zufolge unter anderem belegen, dass Washington Mitarbeiter der Vereinten Nationen ausspionieren lässt und arabische Staaten eine Zerstörung des iranischen Atomprogramms gefordert haben. Die Dokumente stammen zum größten Teil aus der Zeit von 2003 bis Ende Februar 2010, wie der „Spiegel“ berichtet. Bereits im Juli hatte Wikileaks unter anderem mit dem Magazin kooperiert, als es Zehntausende US-Militärakten über den Krieg in Afghanistan veröffentlichte.
    In den Unterlagen geht es unter anderem um die Befürchtungen der USA, Israels und arabischer Staaten gegenüber dem iranischen Atomprogramm, die Bedenken Washingtons wegen des Atomwaffenarsenals Pakistans und Diskussionen über eine vereinte koreanische Halbinsel als langfristige Lösung für das aggressive Verhalten Pjöngjangs. US-Diplomaten hätten „eine geheime Allianz arabischer Staaten gegen Iran und sein Atomprogramm geschmiedet“, schrieb der „Spiegel“. Der „Guardian“ berichtete, der saudische König Abdullah habe die USA mehrfach aufgefordert, das Teheraner Atomprogramm mit einem Angriff auf den Iran zu zerstören. Vertreter Jordaniens und aus Bahrain hätten offen dazu aufgerufen, das iranische Nuklearprogramm mit allen Mitteln zu beenden.
    Diplomaten sollen offenbar biometrische Daten sammeln
    Den Berichten zufolge wurden amerikanische Diplomaten bei den Vereinten Nationen aufgefordert, Daten über UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, seine Mitarbeiter und Diplomaten anderer Länder auszuspähen. Zu sammeln seien unter anderem persönliche Kreditkarteninformationen, Passwörter und biometrische Daten wie Fingerabdrücke und Scans der Netzhaut, zitierte der „Spiegel“ unter anderem aus einem von US-Außenministerin Hillary Clinton abgezeichneten Papier vom Juli 2009.
    Aus den Unterlagen geht den Medienberichten zufolge außerdem hervor, dass die USA sich mit teils handfesten Geschäften die Zusage verschiedener Staaten zur Aufnahme ehemaliger Guantánamo-Häftlinge sicherten. Slowenien wurde demnach deutlich gemacht, dass ein Treffen seines Staatschefs mit US-Präsident Barack Obama von einem Ja abhängig gemacht werde. Der Pazifikinsel Kiribati seien für die Aufnahme einer Gruppe Ex-Insassen mehrere Millionen Dollar geboten worden.
    Große Zweifel sollen die US-Diplomaten an der Verlässlichkeit der Türkei hegen. Der „Spiegel“ berichtet, die türkische Führung sei zerstritten. Außerdem übe Außenminister Ahmet Davutoglu islamistischen Einfluss auf Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan aus, der islamistische Banker in einflussreiche Positionen gehoben habe und sich fast ausschließlich über Islamisten nahestehende Zeitungen informiere.
    Teflon-Merkel und und Alpha-Putin
    Außerdem belegen die Wikileaks-Dokumente offenbar, wie wenig schmeichelhaft US-Diplomaten Politiker in aller Welt beurteilen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) wird laut „Spiegel“ als inkompetent und eitel beschrieben. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird als risikoscheu, aber auch pragmatisch beurteilt. Wortwörtlich heißt es: „Wenn sie in die Enge gedrängt wird, kann Merkel beharrlich sein, aber sie meidet das Risiko und ist selten kreativ.“
    In außenpolitischen Fragen betrachten die Amerikaner das Bundeskanzleramt als den besseren Ansprechpartner. Im Vergleich zu Westerwelle habe Kanzlerin Merkel „mehr Erfahrung in Regierungsarbeit und Außenpolitik“. Dass diese Einschätzungen nun publik werden, kommt für den Außenminister einer Demütigung gleich. Doch auch mit Merkel fremdelten die US-Vertreter, intern werde sie in den Berichten „Angela ‚Teflon‘ Merkel“ genannt, weil viel an ihr abgleite.
    Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy verspotten die Amerikaner hingegen den Vorab-Berichten zufolge als Kaiser ohne Kleider, Russlands Präsidenten Dmitri Medwedew charakterisieren sie als „blass und zögerlich“, dessen Vorgänger Wladimir Putin als „Alpha-Rüde“.
    Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi gilt der „Times“ zufolge zunehmend als Sprachrohr des russischen Regierungschefs Wladimir Putin in Europa.
    Weißes Haus verurteilt Veröffentlichung
    Das Weiße Haus verurteilte die Veröffentlichung. Wikileaks handele „rücksichtslos und gefährlich“, sagte Sprecher Robert Gibbs. Tatsächlich seien die veröffentlichten Unterlagen seien „der GAU für die amerikanische Außenpolitik“, schrieb der „Spiegel“ am Sonntag vorab. Die Depeschen enthielten unter anderem heikle Informationen über internationale Waffengeschäfte und hielten „Amerikas zuweilen arroganten Blick auf die Welt“ fest. Auch die Zeitungen „New York Times“ in den USA, der „Guardian“ in Großbritannien, „Le Monde“ in Frankreich und „El País“ in Spanien hatte die Dokumente vorab zur Verfügung gestellt bekommen und am Sonntagabend zum Teil veröffentlicht.
    Wikileaks-Gründer Julian Assange erklärte, Washington versuche mutmaßliche Beweise zu „Menschenrechtsverletzungen und weiterem kriminellen Verhalten“ der US-Regierung zu vertuschen. Die Veröffentlichungen zeigten den Widerspruch auf zwischen dem öffentlichen Bild der USA und dem, was Washington „hinter verschlossenen Türen sagt“.
    Kurz vor der Veröffentlichung berichtete Wikileaks von einer Cyber-Attacke auf seine Webseite. Die Plattform, die am Sonntag offenbar vorübergehend nicht erreichbar war, sei einer sogenannten Denial-of-Service-Attacke ausgesetzt.

    erstellt am: 29.11.2010
    URL: www.rp-online.de/politik/ausland/Enthuellungen-fuehren-US-Verbuendete-vor_aid_936055.html

  • Türkischer Pass für Synoden-Mitglieder

    Türkischer Pass für Synoden-Mitglieder

    Die griechisch-orthodoxe Kirche Agia Efimia in Istanbul
    Foto: dpa

    29.11.2010

    Türkischer Pass für Synoden-Mitglieder
    Orthodoxe Christen bekommen mehr Freiheit

    Von Jan Keetman, Istanbul

    In den Fortschrittsberichten der EU bekommt die Türkei regelmäßig schlechte Noten in Sachen Religionsfreiheit. Betroffen sind Alewiten und Christen. Zumindest für letztere kündigen sich jetzt Veränderungen an.
    Beim Dauerthema – sunnitisch-islamischer Religionsunterricht für die alewitische Minderheit – gibt es keine Fortschritte. Doch bei christlichen Minderheiten, insbesondere den griechisch-orthodoxen ist einiges in Bewegung geraten.
    Der türkische Staat ist über seinen Schatten gesprungen und hat einen kleinlichen Streit mit dem orthodoxen Patriarchen von Konstantinopel beigelegt. Der Patriarch trägt in seinem Titel das Adjektiv »ökumenisch«, das heißt »universal«. Nach der Gründung des türkischen Nationalstaates stieß man sich daran, dass ein Geistlicher in der Türkei einen Titel gebraucht, der sein Amt als universal und damit nicht nur als zur Türkei gehörend ausweist. Nationalisten liefen gegen den Titel Sturm. Einladungen auf denen der Titel »Ökumenischer Patriarch« zu lesen war, wurden von Staatsvertretern boykottiert.
    Der für die Beziehungen zur Europäischen Union zuständige Minister Egemen Bagis hat nun anlässlich einer Konferenz in Brüssel sinngemäß gesagt, der Titel sei ein religiöser Titel und der Staat werde sich da nicht einmischen.
    »Etwas anderes wollen wir ja gar nicht«, sagt der Priester Dositheos Anagnostopoulos, der für die Öffentlichkeitsarbeit des Patriarchen zuständig ist. Der Staat müsse den Titel ja nicht anerkennen, »wir haben den einfach und zwar seit sechzehnhundert Jahren«.
    Der Amtssitz des Patriarchen im Istanbuler Stadtteil Fener ist ein ganz eigener Ort. In den meist leeren Gängen, in denen nur ab und zu ein paar Worte auf Griechisch zu hören sind, scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Wie um dem Gang der Zeit gänzlich zu trotzen, hängt an der Fassade der angeschlossenen Georgskirche noch immer der Doppeladler, das Wappen der letzten byzantinischen Kaiser.
    Noch vor kurzem sah es so aus, als warte der türkische Staat nur noch auf das Ende der Institution. Dies stand durchaus zu befürchten, denn es wurde schwer, das Personal zu erneuern. Ein Grund hierfür war die Schließung des einzigen orthodoxen Priesterseminars in der Türkei auf der Insel Heybeliada (griechisch Chalki) bei Istanbul im Jahre 1971.
    Die dadurch hervorgerufene Nachwuchskrise wurde durch zwei andere Faktoren verstärkt. 1924 teilte der Präfekt von Istanbul dem Patriarchat mit, der Patriarch müsse türkischer Staatsbürger sein. Nach türkischer Auffassung ist damit zwingend verbunden, dass auch die Synode, die einen neuen Patriarchen wählt, aus türkischen Staatsbürgern zu bestehen hat. Die Synode wird aber turnusgemäß aus den fast weltweit verstreut residierenden orthodoxen Metropoliten zusammengesetzt, die natürlich nicht alle aus der Türkei stammen. Dazu hat die Zahl der Griechen in Istanbul dramatisch abgenommen, von 110 000 in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf zirka 2500 heute.
    Im Sommer zeigte sich der türkische Ministerpräsident kompromissbereit. Die Mitglieder der Synode können die türkische Staatsbürgerschaft als zweite Staatsbürgerschaft erhalten. 13 Anträge auf türkische Staatsbürgerschaft wurden bereits positiv beschieden, andere werden bearbeitet.
    Anagnostopoulos ist aufgrund dieser Entwicklungen nun recht zuversichtlich. Außerdem hätten nun doch einige Leute »in der Regierungspartei, aber auch außerhalb davon« eingesehen, dass Religionsfreiheit für die Türkei notwendig sei. »Nie war ich so optimistisch wie jetzt«, sagt Anagnostopoulos. Ganz zufrieden ist er aber noch nicht. Noch immer fehlt das wichtigste für den Fortbestand des Patriarchats, das Priesterseminar auf Chalki.
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  • Deutschland: Merkel über EU-Mitgliedschaft der Türkei

    Deutschland: Merkel über EU-Mitgliedschaft der Türkei

    Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich für die Einhaltung des Ankaraner Protokolls und die Lösung der Zypern-Frage ausgesprochen.

    Bundeskanzlerin Merkel bezeichnet die Türkei als einen wichtigen Verbündeten
    Bundeskanzlerin Merkel bezeichnet die Türkei als einen wichtigen Verbündeten

    Merkel kam in Berlin mit Vertretern der türkischen Medien zusammen und bewertete die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU. Dabei bezeichnete sie das Ankaraner Protokoll als ein Hindernis gegen die EU-Mitgliedschaft der Türkei. Daher müsse das Protokoll eingehalten werden. Merkel kündigte Kontakte in Südzypern Anfang 2011 an, um die in dieser Angelegenheit auf sie zufallenden Aufgaben zu erfüllen. Die Türkei sei ein bedeutender Verbündeter im Nahen Osten, und in Organisationen wie G-20 und NATO. Deutschland halte die zuvor im Zusammenhang mit der EU-Mitgliedschaft der Türkei vereinbarten Abkommen ein.

    Im Zusammenhang mit der Migration-Problematik sagte Merkel, dass sie auch die Bundeskanzlerin aller Menschen mit Migrationshintergrund ist.

  • Gül will weiterhin Beziehungen zu Armenien normalisieren

    Gül will weiterhin Beziehungen zu Armenien normalisieren

    Der türkische Präsident Gül wird in Bern von Bundespräsidentin Leuthard empfangen. (Bild: Reuters)
    Der türkische Präsident Gül wird in Bern von Bundespräsidentin Leuthard empfangen. (Bild: Reuters)

    Der türkische Präsident Gül hat bei seinem Besuch in der Schweiz deutlich gemacht, dass die Türkei weiterhin die Beziehungen zu Armenien normalisieren will. Die Probleme müssten gelöst werden, sagte Gül in Bern.

    (sda) Der türkische Präsident Abdullah Gül ist bei seinem Staatsbesuch in der Schweiz von Bundespräsidentin Doris Leuthard und dem Gesamtbundesrat empfangen worden. Dabei machte Gül deutlich, dass die Türkei weiterhin an einer Normalisierung der Beziehungen zu Armenien interessiert ist.

    «Die Normalisierung der Beziehungen zwischen der Türkei und Armenien ist uns sehr wichtig», sagte Gül vor den Medien in Bern. Man müsse dabei aber die ganze Kaukasus-Region im Auge behalten: Georgien, Aserbaidschan, Nagorni Karabach.

    Die Probleme müssten gelöst werden. Die Türkei setze sich für Stabilität im Kaukasus ein. «Wir sind bereit, dafür einen Beitrag zu leisten», sagte Gül. Man müsse Mauern abbauen. Das sei auch wichtig für die Energieversorgung. Immerhin führen durch den Kaukasus mehrere grosse Öl- und Gasleitungen vom Kaspischen Raum durch die Türkei nach Europa.

    via Gül will weiterhin Beziehungen zu Armenien normalisieren (International, NZZ Online).

  • Generalverdacht bleibt

    Generalverdacht bleibt

    Ausschau halten – Freitagsgebet in Berlin
    Foto: AP

    Generalverdacht bleibt
    Von Rüdiger Göbel

    Wenn die Abwehr islamistischer Terrorgefahr so verläuft wie die Verfolgung antiislamischer Gewalttäter, kann man vermutlich anfangen zu beten. Am 19.November, zwei Tage nach dem von Bundesinnenminister Thomas de Maizière proklamierten Terroralarm, wurde die Sehitlik-Moschee in Berlin-Neukölln mit einem Brandsatz attackiert. Der Staatsschutz übernahm die Ermittlungen. Das Feuer am größten islamischen Gotteshaus in der Hauptstadt wurde vorsätzlich gelegt, soviel stand rasch fest. Ein Mitarbeiter der Moschee hatte das Feuer am frühen Morgen entdeckt und selbst gelöscht. Menschen wurden nicht verletzt. Bisher gebe es noch keine konkreten Hinweise auf mögliche Täter, erklärte die Polizei am Donnerstag auf Nachfrage von dapd. Wie die Nachrichtenagentur weiter meldete, wollten Kriminalbeamte gestern Videobänder der Überwachungskameras sichten. Am Tag sieben nach einem Terrorakt gegen Muslime fängt man an, Bildmaterial auszuwerten …

    Nach Angaben von Ender Cetin, Sprecher der für die Moschee zuständigen Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB), war der Anschlag auf das Gotteshaus am Columbiadamm bereits der vierte Vorfall dieser Art. Eine Moschee in Spandau wurde zudem mit Parolen beschmiert. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland konstatiert vor dem Hintergrund der neu entfachten Terrordiskussion ein wachsendes »Klima der Angst« innerhalb der islamischen Gemeinde. Es gebe in jüngster Zeit eine Zunahme von »Haß-Mails«, Übergriffe auf Muslime und Anschläge auf Moscheen, erklärte Verbandschef Aiman Mazyek am Dienstag dieser Woche. Der Zentralratsvorsitzende äußerte Befürchtungen vor einem voreiligen Verdacht gegen Menschen muslimischen Glaubens, weil die Trennschärfe zwischen Islam, Terror und Muslimen zunehmend schwinde.

    Politiker wie Stefan Müller tun das ihre dazu. Die 2500 Moscheegemeinden in Deutschland »sind aufgerufen, angesichts der zugespitzen Lage besonders wachsam zu sein und nach möglichen Fanatikern in den eigenen Reihen Ausschau zu halten«, erklärte der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Integration der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am Donnerstag in der Neuen Osnabrücker Zeitung. Die große Mehrheit der Muslime in Deutschland habe mit Terrorismus nichts zu tun, sagte Müller dem Blatt. Sie sollten die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden »intensivieren« und diesen frühzeitig Hinweise auf »Verdachtsfälle« geben.

    Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) stigmatisierte eine ganze Bevölkerungsgruppe. Am Mittwoch vergangener Woche, am Tag 1 des regierungsoffiziellen Terroralarms, hatte der Sozialdemokrat in der RBB-Abendschau erklärt, Berliner sollten seltsam aussehende oder arabischsprechende Nachbarn den Behörden melden. Zurückgenommen hat der Innenminister den Generalverdacht bis heute nicht. Nach Protesten meinte er lediglich, seine Äußerungen seien »möglicherweise unglücklich« gewesen– um dann aber gleich wieder nachzulegen, diesmal an »die Moslems in der Hauptstadt« gerichtet: »Wer in einer Moschee ein verdächtiges Gespräch mitbekommt, der soll sich sofort bei den Sicherheitsbehörden melden.« Am Donnerstag schließlich forderte Körting einen »Schulterschluß« aller Berliner.

    In der öffentlichen Wahrnehmung bleibt unterm Strich, mögliche Terrorakte werden möglicherweise nach dem Freitagsgebet verabredet. Bis heute hat übrigens kein verantwortlicher Politiker die Sehitlik-Moschee besucht und den Muslimen dort den Rücken gestärkt.

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  • Sonntags-Referendum: Ausweisung krimineller Ausländer?

    Sonntags-Referendum: Ausweisung krimineller Ausländer?

    25.11.2010 /
    Schweiz: Ausweisung krimineller Ausländer?
    Umstrittenes Referendum am Sonntag
    Sollen kriminell gewordene Ausländer automatisch ausgewiesen werden? Darüber stimmen die Schweizer am kommenden Sonntag ab.
    Bern (dpa/ND). Wenn die Umfragen stimmen, gibt es eine Mehrheit für die umstrittene Initiative der national-konservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP). Wie schon bei der von der SVP initiierten V…
    Artikellänge: rund 266 Wörter

    Quelle:

  • Vortrags-Einladung: Zwischen Herat, Täbris und Istanbul

    Vortrags-Einladung: Zwischen Herat, Täbris und Istanbul

    Die Deutsch-Türkische Gesellschaft

    und die

    Die Deutsch-Iranische Gesellschaft

    laden ein zu einem Vortrag über Miniaturmalerei

    Dr. habil. Martina Müller-Wiener:
    „Zwischen Herat, Täbris und Istanbul –
    Die Bilderwelt des Romans ‚Rot ist mein Name’ von Orhan Pamuk“

    am Donnerstag, 9. Dezember 2010, 19.30 Uhr, im „Haus an der Redoute“,
    Bonn-Bad Godesberg, Kürfürstenallee 1 a

    Vor neun Jahren erregte der Roman „Rot ist mein Name“ von Orhan Pamuk in Deutschland großes Aufsehen. Die Rezenten zollten ihm übereinstimmend großes Lob. Zugleich Kriminal- und Liebesgeschichte mit theologischem Beiwerk ist das opulente Werk des türkischen Literatur-Nobelpreisträgers vor allem auch ein Künstlerroman, „ein Hohelied auf die osmanische Buchmalerei“ (FAZ vom 10.11.2001). „Was neben dem kompositorischen Verstand des Autors die drei Stränge (der Handlung) zusammenhält, ist eine Farbe: Rot. ‚In rot getaucht’ scheint dem Leser bisweilen der ganze Roman, und kaum eine Seite gibt es, auf der die Farbe nicht beim Namen genannt wäre: Rot, Farbe des Blutes, der Liebe und jener Bleiverbindung (minimum oder&Isquor; ‚Mennigfarbe’), die der Miniaturmalerei ihren Namen gegeben hat.“ (Süddeutsche Zeitung vom 25.09.2001). In einer kunsthistorischen Betrachtung begibt sich unsere Referentin auf der Suche nach den Bildern in Orhan Pamuks gewaltigem Opus, das im Winter 1591 in Istanbul spielt und am Beispiel der Buchmalerei Auseinandersetzung und Wechselbeziehungen zwischen Tradition und Neuerung, aber auch zwischen Orient und Okzident schildert.

    Dr. habil. Martina Müller-Wiener, Kunsthistorikerin, Privatdozentin, wurde 1960 in Istanbul geboren. Sie studierte Islamkunde, Islamische Philologie, Kunstgeschichte und Ethnologie in Frankfurt am Main und Mainz. 1991 promovierte sie in Mainz im Fach Islamkunde („Eine Stadtgeschichte Alexandrias von 564/1169 bis in die Mitte des 9./15. Jahrhunderts“). 1991 bis 1998 war sie in der Islamischen Abteilung des Museums für Kunsthandwerk in Frankfurt tätig, wo sie mehrere Ausstellungen kuratierte und einen Bestandskatalog der Islamischen Keramik erstellte. Von 1998 bis 2010 wirkte sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin und ab 2008 (Habilitation 2009) mit einer Lehrstuhlvertretung am Seminar für Orientalische Kunstgeschichte der Universität Bonn. Mit einem ihrer Schwerpunkte, der Islamischen Keramik, beteiligt sie sich seit 1998 an archäologischen Ausgrabungen in Syrien und Afghanistan.
    Ausgewählte Publikationen: „Islamische Keramik“, Museum für Kunsthandwerk, Frankfurt a. M. 1996; „Türkisch-Osmanische Keramik“, Traunstein 2004; „Von Istanbul bis Mogulindien – Meisterwerke aus der Sammlung des Museums für Angewandte Kunst Frankfurt a. M., 2008.

    Orhan Pamuk: „Rot ist mein Name“, Aus dem Türkischen von Ingrid Iren, Carl Hanser Verlag, München 2001, 560 S., geb. 27.90 €; Fischer Taschenbuch 2003, 9.95 € (Originalausgabe „Benim Adim Kirmizi“, Istanbul 1998)

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