Kategorie: Europa

  • Freilassung von Hizbullah-Aktivisten in die Türkei

    Freilassung von Hizbullah-Aktivisten in die Türkei

    Freilassung von Hizbullah-Aktivisten in die Türkei
    Tauziehen zwischen Justiz und Regierung

    Die umstrittene Entscheidung, zehn Mitglieder der türkischen Hizbullah aus der Haft zu entlassen, hat den schwelenden Konflikt zwischen der Regierung und der Justiz neu angeheizt, wie Ayşe Karabat aus Ankara berichtet.

    (…)

  • Frauenfrühstück in Kerpen

    Frauenfrühstück in Kerpen

    Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Kerpen lädt ein:

    FRAUENFRÜHSTÜCK am15.3.2011 unter dem Motto:

    100. Internationaler Frauentag – Frauen bauen Brücken
    Datum:    15.03.2011
    Uhrzeit:    von 09:30 bis 12:30 Uhr
    Ortschaft:    Kerpen
    Veranstaltungsort:    Jahnhalle, Alte Landstraße, 50171 Kerpen
    Geboten wird ein üppiges Buffet mit Spezialitäten aus vielen Ländern mit einem Rahmenprogramm. Im Vordergrund stehen die Gespräche zwischen Frauen unterschiedlicher Nationalitäten.

  • Murat Çakır Ägypten: Ein echter Sieg, aber wie weiter?

    Murat Çakır Ägypten: Ein echter Sieg, aber wie weiter?

    Murat Çakır
    Ägypten: Ein echter Sieg, aber wie weiter?
    Einige Gedanken über das neue Ägypten nach Mubarak
    16. Februar 2011
    Nach 1989 ist es wohl das zweite Mal, in der die Zeit in einem solch rasanten Tempo voranschreitet. Wenn Massen in Bewegung geraten, scheint es so, als ob die Welt aus ihren Fugen geraten ist. Nachrichten veralten in Minutentakt. Analysen und Kommentare sind schon überholt, noch ehe sie gedruckt werden können.
    Genau daran musste ich denken, als ich meine Gedanken über die Ereignisse nach dem Flucht Hüsnü Mubaraks aus Kairo niederschreiben wollte. Agenturen meldeten schon seinen Rücktritt. In den Fernsehnachrichten wurden Liveaufnahmen von Menschen gezeigt, die auf dem Tahrir Platz, welcher zu einem Ehrenmonument des ägyptischen Volkes geworden war, sangen und feierten. Von den Ereignissen überwältigte JournalistInnen kommentierten enthusiastisch die Bilder: »Das ägyptische Volk hat das Regime niedergerissen«.
    Ohne Zweifel ist der Abgang eines weiteren Despoten im arabischen Raum ein Grund zur Freude. Die Siegesfreude der Millionen ist allzu berechtigt. Jedoch ist auch die Frage berechtigt, ob das Regime wirklich »niedergerissen« wurde und wie das neue Ägypten nach Mubarak nun aussehen wird. Denn wohin die Reise geht, ist noch offen.
    Die Entwicklung in Ägypten wird den gesamten Nahen Osten verändern – darin sind sich wohl alle Nahost – ExpertInnen einig. Festzustellen ist zuerst, dass für die Völker im Nahen Osten eine psychologische Hemmschwelle überwunden ist, welches quasi eine Ewigkeitsklausel für die arabischen Herrscher markierte. Die Proteste z.B. in Jemen, Jordanien oder Algerien zeigen, dass sich die arabischen Herrscher ihrer Sache nicht mehr ganz sicher sein können und diese Entwicklung für die übrigen Länder der Region nicht ohne Wirkung bleiben wird.
    Genau diese Tatsache ist aber m. E. der Grund dafür, dass der weitere Prozess in Ägypten ab sofort nicht alleine von den inneren Dynamiken, sondern vor allem von den Einflüssen der internationalen Politik wesentlich bestimmt sein wird. Wie die Bevölkerungsmassen und die noch nicht gefestigte Opposition darauf reagieren werden, steht noch nicht fest. Dennoch lohnt sich, jetzt eine Zwischenbilanz zu ziehen.
    Ein grandioser Sieg der Spontaneität
    Das ägyptische Volk ist für seinen Sieg über Mubarak zu beglückwünschen. Chapeau! In den Ereignissen der letzten Wochen hat die arabische Welt eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass Bevölkerungsmassen, denen im Westen allzu gern die Demokratiefähigkeit abgesprochen und im sarrazinischen Manier ein Hang zum Fundamentalismus bescheinigt wird, ohne Gewaltanwendung, friedlich und ohne die Unterstützung westlicher Regierungen, langjährige Tyrannen binnen kurzer Zeit entthronen können. Mit ihren, in der arabischen Welt selten beobachteten Beharrungsvermögen hat die ägyptische Bevölkerung einen Präzedenzfall geschaffen, der für den gesamten Nahen Osten ein Vorbild und Aufbegehrungsmotivation sein wird.
    Der ägyptische Aufstand hat m. M. n. zudem zwei Krisen zu Tage gefördert, die für die Deutung des weiteren Prozessverlaufs von Bedeutung sind: die Hegemoniekrise des Westens und die Einflusskrise des politischen Islams. Zahlreiche Kommentare von DemonstrantInnen auf dem Tahrir Platz und anderen Orten belegen das erstere: »Der Westen soll sich nicht einmischen. Es reicht, wenn sie Mubarak und anderen Despoten die Unterstützung verweigern« war überall zu hören. Ähnliches konnte man aus den Interviews mit ägyptischen Intellektuellen vernehmen. Die Tatsache, dass die USA und die europäischen Regierungen die tyrannischen Regime Jahrzehntelang unterstützt und gemästet haben, und den arabischen Völkern islamistische Tendenzen zusprachen, kann mit Solidarisierungserklärungen westlicher Staatsoberhäupter oder den Versprechungen, die Gelder aus den Konten der gestürzten Herrschern, die eh den Völker gehören, an sie zurückgeben zu wollen, nicht einfach aus dem Gedächtnis des Nahen Ostens getilgt werden. Der Westen hat seine Chance verpasst, wie der ägyptische Politikwissenschaftler Amr Hamzawy am 10. Februar 2011 in der taz betonte.
    Eine Studie des Brookings Institute vom August 2010 belegt, wie sehr die Bevölkerungen in den arabischen Ländern dem Westen misstrauen. Laut dieser Studie sollen rund 88 Prozent der befragten Personen Israel und 77 Prozent die USA als eine Bedrohung für ihre Zukunft ansehen. Eine große Mehrheit (57 Prozent) seien zudem der Auffassung, dass eine mögliche nukleare Bewaffnung Irans ein Sicherheitsschirm gegen die aggressive US-Politik bedeuten könnte. (Quelle: Noam Chomsky, http://zcommunikations.org) Selbst wenn der Westen alte und neue Autokraten, Diktaturen und Monarchien nicht weiter unterstützt, wird ihre von Wirtschaftsinteressen geleitete Politik die Sympathien der arabischen Bevölkerung nicht wieder erlangen können.
    Entgegen den im Westen geäußerten Befürchtungen konnten islamistische Kräfte keinen Boden gewinnen. Sowohl in Tunesien, als auch in Ägypten, wo die Organisation der Muslimbrüder sich erst am dritten Tag und sehr zögerlich zu den Demonstrationen gesellte, war eine »Islamisierung« der Bewegung nicht möglich. Im Gegenteil; die überwiegende Mehrheit lehnte es ab, von islamistischen Kräften geführt zu werden. Koptische ChristInnen und MuslimInnen standen Schulter an Schulter und bewiesen so, dass der Anschlag auf die koptische Kirche in der Silvesternacht keine Zustimmung in der Mehrheitsbevölkerung findet.
    Gerade die Muslimbrüder, die es versäumt haben, sich um die sozialen Probleme der Menschen zu kümmern, bekamen von der Bevölkerung die Rechnung dafür präsentiert. Die ägyptische Öffentlichkeit hatte nicht vergessen, dass die Muslimbrüder, während sie die Korruption, Armut und prekäre Arbeitsverhältnisse nicht ein einziges Mal öffentlich anprangerten, gleichzeitig den seit 2007 in den Bereichen der Post, Finanz- und Textilwirtschaft entstandenen ArbeiterInnenbewegung und ihren Streiks stets die kalte Schulter gezeigt haben. Meines Erachtens ist das der eigentliche Grund dafür, weshalb sie trotz ihrer organisierten Anhängerschaft keinen Führungsanspruch stellen wollten bzw. konnten. Daher bin ich der festen Überzeugung, dass der politische Islam, der in Ägypten die sozialen Forderungen der Bevölkerung nicht angemessen vertrat und sich damit begnügte, im eigenen Milieu neue Mittelschichten zu produzieren, sich entzaubert hat und es nicht einfach haben wird, im weiteren Prozess ihren Einfluss zu erhöhen. Dies ist im Übrigen auch der beste Beweis dafür, dass mit der einfachen Aussicht auf demokratische Freiheiten, sozialer Gerechtigkeit und Gleichberechtigung jede antidemokratische, autoritäre und fundamentalistische Bewegung von der Bevölkerung selbst in seine Schranken verwiesen werden kann.
    Aus den Ereignissen in Ägypten lassen sich auch Erkenntnisse über die Spontaneität von Massenbewegungen gewinnen. Selbst aus einer fernen Betrachtung werden die Stärken und Schwächen der Bewegung deutlich. Glaubt man der Berichterstattung unterschiedlicher Quellen, waren vor allem unorganisierte, gut ausgebildete und nach demokratischen Freiheiten hungrige junge Menschen der Motor der Veränderungen. So wie es aussieht, sind das junge AraberInnen, die die neuen Kommunikationstechnologien bestens nutzen können, diese als Instrument der Organisation von Demonstrationen einsetzen, mindestens eine Fremdsprache sprechen und die Entwicklungen weltweit verfolgen. Ihr Freiheitsdrang und die Suche nach Auswegen aus der Perspektivlosigkeit wurden mit den Bildern aus Tunesien schlagartig zum Katalysator für ihr öffentliches Aufbegehren. So motivierten und ermutigten sie die ägyptischen Mittelschichten und ArbeiterInnen, mit denen die Protestbewegung eine ungeahnte Dynamik gewann.
    Dem gegenüber konnten die, vom Regime Jahrelang in Schach gehaltenen Oppositionskräfte, besonders die marginale ägyptische Linke, die schwache Gewerkschaftsbewegung, aber auch die starken Muslimbrüder, die Führung der Bewegung nicht übernehmen. Das gilt übrigens auch für die Vertreter der bürgerlichen Kräfte wie Muhammed El Baradei oder dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Musa. Obwohl die letztgenannten international bekannt sind und auch in der ägyptischen Öffentlichkeit durchaus geschätzt werden, konnten sie sich nicht an die Spitze der Bewegung setzen. Aber auch die Jugendbewegung 6. April, die 2008 als Solidarisierungsaktion mit den TextilarbeiterInnen in Mahalla El Kubra gegründet wurde und die 2004 von unterschiedlichen Gruppen gegründete Kefaye (»Es reicht«) Bewegung konnten, obwohl sie von Anfang an auf den Straßen waren, die Massen nicht kontrollieren.
    Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass in der ägyptischen Öffentlichkeit gegen die »Jugendbewegung 6. April« und »Kefaye Bewegung« Beschuldigungen laut geworden sind, mit denen ihnen Zusammenarbeit mit US-Behörden vorgeworfen werden. Der türkische Kolumnist Ahmet Kaplan, ein Kenner Ägyptens, wies in diesem Zusammenhang auf die Wikileaks-Veröffentlichungen hin. ) Laut Kaplan sollen die Führungspersönlichkeiten des »6. April« engen Kontakt zum US-Botschafter in Kairo unterhalten. Seit ihrer Gründung in 2008 gäbe es Unterstützung des US-Außenministeriums. Ihre Teilnahme an dem Alliance of Youth Movements und die Ausbildung ihrer AktivistInnen durch das CIA-Institut Freedom House wären seit langem bekannt. Kaplan zu Folge würde die Website des »6. April« über Alliance of Youth Movements von der US-Administration finanziert.
    Auch die »Kefaye Bewegung« würde auf US-Unterstützung zählen. So bekämen sie von Peter Ackermann, eine Führungspersönlichkeit im Counsil of Foreign Relations und des CATO-Instituts, große Unterstützung. Laut eines Bericht des Freedom House ) nahmen mehrere NGO-AktivistInnen aus Ägypten an Seminaren mit hochrangigen US-amerikanischen und europäischen Persönlichkeiten teil. Gespräche habe es auch mit den damaligen US-Außenministerin Condoleezza Rice und anderen Regierungsbeamten gegeben, die den AktivistInnen finanzielle Hilfen zugesagt hätten. (Quelle: http://sendika.org)
    Dass in der Bevölkerung diese Organisationen misstrauisch beobachtet werden, hat wohl seine guten Gründe.
    Letztendlich kann der Sturz Mubaraks als ein grandioser Sieg der Spontaneität bezeichnet werden. Aber, das was alle zusammengehalten hatte, war eben diese Forderung nach dem Rücktritt des Präsidenten. Jetzt, wo diese Forderung erfüllt worden ist, wird der »Kitt«, der die Bewegung zusammen hielt, nun spröde und verliert an Kraft. Das Fehlen einer von der Mehrheit akzeptierten Führungsfigur bzw. einer politischen Formation, die mit weitergehenden Forderungen die »Lokomotive« der Bewegung sein könnte, offenbart die Schwäche der Bewegung. Und das wiederum stärkt die Armeeführung, die jetzt alleine an den Schalthebeln der Macht Platz genommen hat. Denn die Armee ist die einzige Kraft, die innerhalb der Bevölkerung und in allen gesellschaftlichen Schichten ein großes Maß an Vertrauen genießt – mit einer Einschränkung: Noch!
    Der Bock wird zum Gärtner…
    Nach dem Rücktritt des Präsidenten ist die gesamte Macht im Staate, über den Hohen Militärrat in die Hände der ägyptischen Generalität gegangen. Als erstes hat der Militärrat die Verfassung außer Kraft gesetzt und das Parlament aufgelöst. In den ersten Kommuniqués wurde mitgeteilt, dass innerhalb von sechs Monaten »freie und demokratische Wahlen« stattfinden werden und Ägypten sich weiterhin allen »regionalen wie internationalen Verträgen verpflichtet fühlt«. Auch eine Kommission zur Veränderung der Verfassung sei eingesetzt, wobei ein Zeitrahmen dafür nicht genannt wurde.
    Diese Erklärungen und die Aussicht, dass der dreißigjährige Ausnahmezustand aufgehoben werden könnte, scheint die Mehrheit der Bevölkerung fürs erste beruhigt zu haben. Ob aber die Armeeführung eine vollständige Änderung des politischen Systems will und die Macht einer, wie auch gearteten zivilen Regierung gänzlich geben wird, halte ich für unwahrscheinlich. Ein kurzer Blick in die Strukturen der Armee belegt dies.
    Während die Internetseite http://wapedia/mobi.de die ägyptischen Streitkräfte mit 450.000 aktiven Soldaten und rund 250.000 paramilitärischen Einheiten als elftstärkste Armee der Welt bezeichnet, geht Prof. Dr. Dietmar Herz (Uni Erfurt) davon aus, dass knapp 1 Million Soldaten unter Waffen stehen. (FAZ vom 12. Februar 2011). Das Militärbudget beträgt 2,4 Milliarden US-Dollar. Diese gewaltige Militärmaschinerie steht unter den Befehlen des Generalfeldmarschalls Muhammed Hussein Tantawi Suleyman und des Stabchefs Sami Hafez Enan.
    Die ägyptische Armee, vornehmlich als »Staat im Staate« bezeichnet, unterhält enge Kontakte zur USA, der EU und zur NATO. Die ägyptischen Streitkräfte sind – genau wie die tunesische Armee – seit 1994 Mitglied des NATO-Programms »Mittelmeer Dialog«. (siehe: Gleichzeitig ist Ägypten Teil der Mittelmeer Union der EU. (siehe: Beide Programme haben viele gleichlautende Ziele: »Zusammenarbeit für den Frieden, Offiziersausbildung, Rüstungskontrolle, Zusammenarbeit der Dienste« und natürlich »Kampf gegen den Terrorismus«. Wie dieser »Kampf« inzwischen aussieht, braucht wohl hier nicht ausgeführt zu werden.
    Für die am 13. Juli 2008 in Paris gegründete Mittelmeer Union der EU spielen zudem das 450 Milliarden Euro schwere »Desertec-Projekt« ) mit dem rund 15 Prozent des jährlichen Strombedarfs Europas gedeckt werden soll und die Kontrolle der illegalen Migrationsströme eine wesentliche Rolle.
    Die Armeeführung, die bis in die letzten Tage die wichtigste Stütze von Hüsnü Mubarak war, gilt auch als Garant des Camp-David-Friedensvertrages von 1978. Seither bestehen zum Pentagon enge Kontakte. Noch vor einer Woche hatte der US-Außenminister Robert Gates erklärt, dass die US-Administration vom Befehlshaber der ägyptischen Armee und stellv. Ministerpräsident Tantawi Suleyman minutiös über die Entwicklungen informiert werde. Dass dabei die jährlichen Transferleistungen der USA von über 1,3 Milliarden US-Dollar an die ägyptische Armee eine gewichtige Rolle spielen, sagen nicht nur die gehässigen Mäuler.
    Genau wie die türkische Generalität ist die ägyptische Armeeführung, mit ihren weitgehenden wirtschaftlichen und rechtlichen Privilegien zu uniformierten Kapitalisten mutiert. Die ägyptischen Generäle profitieren über zahlreiche Firmen in vielen Wirtschaftszweigen von den Segnungen des kapitalistischen Wirtschaftens. Die politischen, wirtschaftlichen, rechtlichen und steuerlichen Privilegien der Armeeführung sind immense Pfründe, auf die sie keineswegs verzichten werden. (Unter dem Titel »Die ägyptische Armee AG« hat Welt am Sonntag einen ausführlichen und eindrucksvollen Bericht über das Wirtschaftsimperium der Generalität veröffentlicht. Dieser Bericht zeigt, welche Interessen für die Armeeführung von höchster Priorität sind und keineswegs diese einer Demokratie opfern würden: https://www.welt.de/print/wams/wirtschaft/article12524461/Die-aegyptische-Armee-AG.html
    Dass die Armeeführung ihren verfassungsmäßigen Oberbefehlshaber Mubarak fallen ließ und gegenüber der protestierenden Massen nicht mit Gewalt vorgegangen ist, hat m. M. n. zwei wichtige Gründe: Zum einen war Mubarak nicht mehr zu halten. Ihn zu stützen hätte bedeutet, dass sie alle Sympathien in der Bevölkerung verspielen würden. Dann wären mit Mubaraks Abgang auch ihre Privilegien gefährdet. Zum anderen ist die ägyptische Armee eine Armee von Wehrpflichtigen. Die Wehrpflicht dauert, je nach Ausbildungssituation der Wehrpflichtigen, 12 bis 36 Monate. Soldaten und Unteroffiziere auf Zeit spiegeln die Gesellschaft wieder. Viele von ihnen haben Verwandte und Freunde unter den DemonstrantInnen. Hätten die Generäle ihnen gewaltsames Vorgehen befehligt, dann hätten sie riskieren müssen, dass Teile der Armee zu den DemonstrantInnen überlaufen wären.
    Jetzt aber können sich die Generäle als Vollstrecker des Volkswillens präsentieren. Mit Zugeständnissen, die im Grunde genommen ihre starke Position nicht tangieren, und kurzfristigen Maßnahmen, wie die Herabsetzung der Preise für die Grundnahrungsmittel oder Erhöhung der Löhne der staatlichen Angestellten (siehe: Junge Welt vom 14. Februar 2011) haben sie zusätzliches »Kredit« bei der Bevölkerung erkaufen können. Die Tatsache, dass die wenigen DemonstrantInnen, die schnelle und weitergehende demokratische Schritte von Hohen Militärrat forderten, von vielen Passanten zur Räumung des, inzwischen für den Verkehr wiedereröffneten Tahrir Platzes aufgefordert wurden, zeigt, dass sich die Protestbewegung längst auseinander zu dividieren begonnen hat.
    Der Hohe Militärrat, eigentlich nichts anderes als eine Junta, hat jetzt die Legitimität ggf. hart durchzugreifen – sie hat auch alle Mittel dazu. Den hunderttausenden Soldaten unter Waffen kommt noch ein Millionenheer von Angehörigen und Ehemaligen, die ökonomisch von der Armee abhängig sind. (Dietmar Herz) – die Mitglieder der Sicherheitskräfte sowie die Anhänger des Regimes nicht mitgezählt. Deshalb ist Dietmar Herz zuzustimmen, wenn er, wenn es hart auf hart kommt, den DemonstrantInnen, die mehr an Demokratie fordern, gegen die Phalanx der staatstragenden Kräfte keine Chance einräumt.
    Was demnächst folgen wird, ist abzusehen. Die oppositionellen Kräfte werden kaum in der Lage sein, innerhalb der nächsten sechs Monate landesweit und flächendeckend sich auf die Parlamentswahlen vorzubereiten. Die historischen Erfahrungen zeigen: je kurzfristiger Wahlen anberaumt werden, desto mehr nutzen sie den alten Regimeeliten. (Prof. Dr. Wolfgang Merkel, Berlin) In den Nachrichten kann man schon jetzt nachlesen, wie die früheren Kader des Regimes sich für höchste Ämter bereit machen. So meldet beispielsweise die Tagesschau am 14. Februar 2011, dass sich der ehemalige Vize-Außenminister Abdullah al-Aschal, der sich einst mit Mubarak überworfen hatte, als Kandidat für die Präsidentschaftswahl empfiehlt. Auch Amr Musa, der zwischen 1991 und 2001 Mubaraks Außenminister war oder der ehemalige Ministerpräsident Kemal al-Ganzuri stünden für die Kandidatur bereit.
    Ob bei den nächsten Wahlen eines der ehemaligen Kader des Regimes oder ein neuer, vielleicht unverbrauchter Name als Präsident gewählt werden kann, ist jetzt nicht vorauszusagen. Aber, dass die Armeeführung die sog. »Übergangsphase« ganz im Sinne der USA, der EU und der NATO zur Verfestigung ihrer Machtstellung nutzen und nur kosmetische Korrekturen am Regime zulassen wird, scheint mehr als sicher zu sein. Die zentrale Frage ist, ob sich dagegen eine Protestbewegung formieren kann, welcher nahezu die gleiche Kraft aufbringen vermag, wie vorher gegen Mubarak.
    Vorbild Türkei?
    In den zahlreichen Kommentaren europäischer Zeitungen war in den letzten Tagen immer wieder zu lesen, dass womöglich die Türkei für Ägypten und die anderen arabischen Staaten »ein Vorbild« sein könnte. Sogar im kritischen Neuen Deutschland wurde ein Artikel veröffentlicht (Jürgen Gottschlich, 4. Februar 2011), der das Modell der Türkei als »goldenen Mittelweg« bezeichnete.
    Jürgen Gottschlich beruft sich dabei auf eine Studie der liberalen Stiftung TESEV (Stiftung für wirtschaftliche und soziale Forschungen), die im September 2010 in Ägypten, Jordanien, Saudi-Arabien, Libanon, Syrien und Irak rund 2.500 Menschen befragt hat. So sei die Türkei, »eine echte Inspiration für den Nahen Osten (…) nach dem die islamisch grundierte AKP 2002 an die Macht kam«. Nach der scharfen Rhetorik des AKP-Regierungschefs Erdogan seien »seine Popularitätswerte in der arabischen Bevölkerung erst recht in die Höhe geschossen«. Zitiert wird auch Prof. Fadi Huruka aus London, demzufolge es aufgrund zahlreicher arabischen Istanbul-Touristen und den türkischen Seifenopern in arabischen Fernsehsendern nahe liegt, dass »sich viele Araber durch die Türkei inspirieren lassen«.
    Nun, ob der Istanbul-Tourismus arabischer Mittelschichten oder türkische Seifenoper der Grund für diese »Inspiration« sein können, kann ich nicht sagen. Aber die scheinbare Konfrontation Erdogans gegen die israelische Regierung könnte, besonders für die Unterschichten, eine wesentliche Rolle gespielt haben. Ohne Frage, bei einer oberflächlichen Betrachtung aus den Metropolen des Nahen Ostens wird ein Türkei-Bild gesehen, in der die laizistisch-kemalistischen Kräfte zurückgedrängt werden, dem gegenüber konservativ-islamische Kreise über demokratische (!) Wahlen Parlamentsmehrheiten erringen und ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von 5 Prozent notiert wird. Islam und Demokratie, Wohlstand und Freiheiten auf einem goldenen Tablett, könnte man sagen.
    Aber das ist das Problem mit der oberflächlichen Betrachtung: man sieht nur aus einer unscharfen Perspektive. So wird auch deshalb nicht deutlich, dass Erdogan trotz seiner scharfen, öffentlich inszenierten Kritik an der israelischen Regierung weiterhin an der strategischen Partnerschaft mit dem Staate Israel und der militärischen sowie rüstungspolitischen Zusammenarbeit festhält. Es wird nicht deutlich vernommen, dass die AKP-Regierung mit ihrer neoliberalen Politik weite Teile der Bevölkerung in die Armut und das Land in die Fänge der internationalen Finanzmärkte gestürzt hat und gleichzeitig in neoosmanischer Manier, imperialen Gelüsten nacheifert. (siehe: http://murat-cakir.blogspot.com/2010/07/die-imperialen-geluste-der-neo-osmanen.html)
    Die oberflächliche Betrachtung verdeckt vor allem die Tatsache, dass das »Modelland Türkei« seit 30 Jahren einen schmutzigen Krieg gegen die eigene kurdische Bevölkerung führt und trotz kosmetischen Veränderungen im Rahmen des sog. »Heranführungsprozesses an die EU« sich nichts daran geändert hat, dass antidemokratische Maßnahmen, polizeistaatliche Übergriffe, massive Menschenrechtsverletzungen, tausendfache politische Inhaftierungen und Folter immer noch auf der Tagesordnung stehen. (Dabei bräuchte man nur die zahlreichen Urteilbegründungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gegen die Türkei zu lesen). Und man sieht nicht, dass die Türkei innerhalb ihrer Grenzen längst in zwei, von einander politisch, wirtschaftlich, sozial und kulturell völlig unterschiedliche Länder gespalten ist.
    Wenn jene, die sich gerne von der Türkei inspirieren lassen wollen, sich bemühen würden, in die Landesteile östlich des Euphrats zu schauen, dann würden sie ein Land sehen, in der die Bevölkerung verarmt ist, rund 80 Prozent Arbeitslosigkeit die Menschen verzweifeln lässt, die vom Militarismus traumatisiert sind und in der der Ausnahmezustand eine Normalität ist. Vom Euphrat aus beginnt die verbrannte Erde. Hätten sie Zeit, die oppositionellen Medien zu durchstöbern, würden sie die Fotos von den Überresten der Menschen sehen (laut Menschenrechtsstiftung der Türkei 17.000 an der Zahl), die in den letzen Jahren von paramilitärischen Einheiten und den Sicherheitskräften exekutiert und erst vor kurzem aus Massengräbern herausgeholt wurden. Ein genauer Blick in die Türkei würde ihnen deutlich machen, dass die »vorbildhafte« Souveränität der Türkei eine eingeschränkte und von Gnaden des Westen abhängige ist und die militärischen oder bürokratischen Eliten der Türkei, jenen aus dem Nahen Osten in keiner Weise nachstehen. Wahrscheinlich wäre dann zu erkennen, dass nicht die »islamisch grundierte« neoliberale AKP-Regierung, sondern vielmehr die kurdische Befreiungsbewegung mit ihren demokratischen Rätestrukturen, praktizierten Geschlechterdemokratie und vom kurdischen Volk selbst geschaffenen Freiheitsräumen ein Modell sein könnte.
    Es ist m. M. n. keineswegs so, dass der Vorschlag, man solle die Türkei als Vorbild nehmen, nur ein naives Gedankenspiel ist. Im Gegenteil; den westlichen Regierungen liegt viel daran, warum die Völker den »goldenen Mittelweg« der Türkei einschlagen sollten. Zum einen ist den Westen das Misstrauen der arabischen Welt ihr gegenüber nicht unbekannt. Zum anderen ist die Türkei, als ein westlich orientierter, islamisch geprägtes Land, das ein sicherer Energieumschlagplatz geworden ist und über eine schlagkräftige Armee verfügt, ein wichtiger politischer und geostrategischer Partner – Ein NATO-Mitglied, auf deren Territorium Nuklearwaffen der USA stationiert sind, dessen sich islamisch gebende Regierung und die israelische Regierung im scheinbaren Clinch stehen, eben ein Land, der ein Labor des Neoliberalismus und inzwischen ein wichtiger Wirtschaftsstandort westlicher Konzerne geworden ist. Was liegt näher dran, eine solche Türkei, die für die weitere Einflussnahme des Westens von unschätzbarem Wert ist, als ein Vorbild für den Nahen Osten zu präsentieren?
    Die europäische Heuchelei
    Die Reaktion europäischer Regierungen auf die Ereignisse im Nahen Osten ist heuchlerisch. Während die Türkei, der man eigentlich die »Europareife« nicht bescheinigen will, als Vorbild angepriesen wird, achtet man penibel darauf, den Konflikt zwischen den türkischen und israelischen Regierungen nicht zu nennen. Gleichzeitig stellen sich jene PolitikerInnen, die immer zu sozialstaatliche Errungenschaften in Europa als »sozialistische Pranger der Wirtschaft« diskreditieren, nun als willige Unterstützer von »Revolutionen« dar. Zwar wirkt die Revolutionsrhetorik gerade aus den Mündern der neoliberalen Eliten Europas mehr als lächerlich, aber das hat m. E. ein höheres Ziel: das ständige herbeireden von einer Revolution ist nur der plumpe Versuch die eigentliche Revolution, nämlich wirklich demokratische und souveräne Regierungen, die das Selbstbestimmungsrecht ihrer Bevölkerungen achten und von Westen unabhängig agieren können, zu verhindern.
    Es dürfte nicht falsch sein, zu behaupten, dass sowohl die USA als auch die EU-Regierungen auf das Ausmaß der Aufstände unvorbereitet waren und überrascht worden sind. Anders ist deren zögerliche Haltung zu Beginn der Aufstände nicht zu erklären. Aber immerhin, sie haben sich schnell gefasst: nur eine halbe Stunde nach dem Rücktritt Mubaraks stand die deutsche Kanzlerin vor den Fernsehkameras und erklärte die »Solidarität der Bundesregierung mit dem ägyptischen Volk«, der sie die »Unterstützung Deutschlands« zusicherte. Sie vergaß aber nicht darauf hinzuweisen, dass die »Übergangsregierung sich unbedingt an den Friedensvertrag mit Israel halten müsse«. Ähnliche Statements folgten aus den anderen NATO-Hauptstädten. Es war allzu offensichtlich, dass die »Paten« der Diktaturen und der »Mafia-Regime« sich nun anstellten, für einen »Übergang« in ihrem Sinne zu sorgen und den weiteren Prozess in Ägypten mitzubestimmen.
    Knut Mellenthin, der der Auffassung ist, dass wir in den arabischen Staaten einen Rückgriff auf die Doktrin der »eingeschränkter Souveränität« erleben werden, stellte am 11. Februar 2011 in der Jungen Welt diesbezüglich die Frage, »ob es Ägypten erlaubt werden darf, seine bisherige außenpolitische Orientierung zu überprüfen und auf demokratischer Grundlage neu zu bestimmen«. In seinem Artikel fragt er weiterhin: »Dürfen die Ägypter eine Regierung bilden, an der Kräfte beteiligt sind, die dem Westen und ihrem nördlichen Nachbarn Israel gegenüber weniger devot eingestellt sind als das Mubarak-Regime, das seit 1981 mit terroristischen Mitteln jede Opposition unterdrückt hat? Oder würde der Westen eine solche Regierung ähnlich behandeln, nämlich brutal isolieren und aushungern, wie er es mit jener getan hat, die im Januar 2006 aus den Wahlen in den Palästinensergebieten hervorging? Würden die USA gar ihren Sturz inszenieren, wie sie es 1953 im Iran und 1973 in Chile getan oder 1961 in Kuba vergeblich versucht haben?«
    Nun mag man Mellenthin oder die Junge Welt als Linksradikalinski bezeichnen oder ihnen das Widerholen von »überholten antiimperialistischen Phrasen aus dem 20. Jahrhundert« vorwerfen – wozu mache Linke in Deutschland ja allzu schnell bereit sind – oder sagen, dass der heutige Nahe Osten weder mit dem Iran der 1950er Jahre noch mit Chile zu vergleichen ist. Das letztere stimmt sicher, dennoch ist es notwendig, über diese Fragen, die eine linke Antwort bedürfen, nachzudenken. Selbst wenn die europäische Linke den Begriff »imperialistische Interessenpolitik« ad acta legen will, so ist sie doch gehalten, die Jahrzehntelange Nahost-Politik des Westens nachvollziehbar zu erklären.
    Ich bin der Auffassung, dass aus linker Sicht notwendig ist, die Ereignisse im Nahen Osten so zu deuten, so dass daraus neue Erkenntnisse für das politische Handeln gewonnen werden können. »Zu sagen, was ist«, ist keineswegs eine theoretische Selbstbeschäftigung oder wie von Robert Misik belächelte »scharfe Fürsprache des Radikalismus«. In diesem Zusammenhang schreibt Misik: »Um die klassische und wunderbare Formel von Michel Foucault zu gebrauchen: Die Bürger erheben sich, weil sie so nicht mehr regiert werden wollen. That’s it. So einfach und doch so fundamental. Ob wir das jetzt Revolution nennen oder nicht, ist dem historischen Prozess schnurzegal. Aber vielleicht sollten wir es bedenken: Es sieht aus wie eine Revolution, es riecht wie eine Revolution. Es wird wohl eine Revolution sein.« (Der Freitag vom 11. Februar 2011)
    Wegen meines Einwandes auf Dyab Abou Jahjahs Feststellung (http://murat-cakir.blogspot.com/2011/01/tunesien-eine-echte-revolution.html), dass der Aufstand in Tunesien »eine echte Revolution« sei, wurde ich von manchen Genossen aus Deutschland und der Türkei getadelt. Aber, die rasanten Entwicklungen in der arabischen Welt versuchen zu deuten und mit dem Begriff »Revolution« vorsichtig umzugehen, ist kein Beharren auf irgendwelche »doktrinären Vorstellungen von der Revolution«, ein »Luxus der idealen Welt« von Theoretikern – ich bin noch nicht mal Akademiker, geschweige denn ein Theoretiker. Es ist eher ein Nachfragen, ein Versuch zu verstehen und daraus Schlussfolgerungen für die eigene politische Bewertung zu ziehen.
    »Luxus« wäre, wenn wir aus der Bequemlichkeit unserer privilegierten Geographie heraus meinen, »die Araber hätten gerne unsere Probleme« und vergessen würden, dass die Aufrechterhaltung der vermeintlichen Freiheiten, des Wohlstands und der bürgerlichen Demokratien des Westens für den Nahen Osten und anderswo in der Welt Diktaturen, tyrannische Regime, Krieg, Zensur und Massenmord produziert hat. »Luxus« ist, mit eurozentristischer Brille über den »unzeitgemäßen Imperialismusbegriff« oder über die »Friedenspotentiale des Kapitalismus« zu sinnieren, während Bomben auf Menschen fallen.
    Natürlich wollen die TunesierInnen und ÄgypterInnen oder andere, eine Gesellschaft haben wie unsere, »mit intakten Institutionen, mit Parlament und unabhängigen Gerichten und freier Presse«. (Robert Misik) Und wie gerne hätten sie sich mit unseren Problemen herumgeschlagen. Wer würde es ihnen verdenken können, angesichts der rund 1 Milliarde Menschen, die am Tag mit einem Euro oder weniger auskommen müssen oder der Kinder, die alle 6 Sekunden wegen den Folgen des Kriegs, der Armut, Krankheiten oder ökologischen Katastrophen einfach wegsterben? Die tunesischen Bootsflüchtlinge auf Lampedusa haben ja nicht aus Jux und Tollerei ihre Heimat verlassen. Wenn man bedenkt, wie sie inzwischen von den EU-PolitikerInnen behandelt werden, wäre es interessant zu erfahren, was sie jetzt über die Werte europäischer Demokratien, wie Menschenrechte, Gleichberechtigung und Gleichheit – für deren »Durchsetzung« sich Europa überall an Kriegen beteiligt – denken. Ausmalen könnten wir uns das, oder?
    In Tunesien und Ägypten haben sich die Menschen erhoben, weil sie nicht mehr gewillt sind, so wie bisher zu leben und unterjocht zu werden. Ob sie ihrem Protest weiter Luft verschaffen und für weitergehende Forderungen auf die Straße gehen wollen, wird von ihren Entscheidungen abhängen. Unsere Aufgabe kann nur sein, sie dabei zu unterstützen und zu versuchen, die »Weiter-So-Politik« unserer Regierungen zu verhindern. Was ja eigentlich die ureigene Aufgabe der europäischen Gesellschaften ist.
    Aber wenn wir meinen, dass das, was bisher erreicht worden ist, eine »Revolution« sei und paternalistisch wie wir im Westen so sind, den Völkern im Nahen Osten einreden, die bürgerlichen Demokratien nach europäischem Vorbild würden all ihre Probleme lösen, dann erweisen wir ihnen einen Bärendienst. Damit würden wir nur dazu beitragen, dass sich die gegenwärtigen Machtverhältnisse – von denen ja wir überzeugt sind, dass sie nicht gut für diese Länder sind –, selbst bei der Durchführung demokratischer Wahlen wieder festigen würden.
    Schlussfolgerungen für europäische Linke
    Jetzt gilt es, alle relevanten Gruppen der Opposition in Ägypten darin zu unterstützen, dass sie gegenüber der Militärjunta nicht schutzlos bleiben. Für sie wird es schwer sein, eine Dauermobilisierung gegen die militärischen Machthaber zu organisieren. Die Verhältnisse in Ägypten erlauben derzeit nur einen auszuhandelnden Übergang, in der die gegenwärtigen Machthaber und die oppositionellen Kräfte gegenüber stehen werden. Gerade darum brauchen die oppositionellen Kräfte Zeit und Unterstützung, sich organisieren zu können. Und sie brauchen deutliche Signale der demokratischen Weltöffentlichkeit.
    Aus diesem Grund kann ich beispielsweise die stumme Haltung der deutschen Gewerkschaften nicht nachvollziehen. Die Militärs haben unmissverständlich deutlich gemacht, dass sie die derzeitigen Streiks für die Verbesserung der Arbeits- und Lohnbedingungen nicht dulden werden. Die Aufgabe der europäischen Gewerkschaftsbewegungen wäre hier und jetzt, zugunsten der streikenden ArbeiterInnen in Ägypten Partei zu ergreifen und einen öffentlichen Druck auf die eigenen Regierungen zu organisieren.
    Die gesellschaftliche wie politische Linke in Europa ist gehalten, ihre Solidarität mit den demokratischen Kräften Ägyptens mit einer klaren Absage an die bisherige Politik der EU-Regierungen, mit der sie den Nahen Osten als eine geostrategische Verfügungsmasse behandeln, zu manifestieren und für einen Politikwechsel in Europa zu kämpfen. Vorhandene parlamentarische und organisatorische Möglichkeiten müssen zur Unterstützung der Organisierung der oppositionellen Kräfte in Ägypten genutzt werden. Jede praktische Solidarität, jede Unterstützung der Opposition ist dringlich und wäre ein wichtiger Beitrag für die Demokratisierung des Landes. Für die Linke muss gelten, die Bekämpfung der Machtstrukturen in Ägypten als vordringlich zu sehen – selbst wenn dafür notwendig sein sollte, die Beteiligung von Teilen der alten Machthaber an einer neuen Regierung zu akzeptieren. Eine Transformation hin zu einer nachhaltigen Demokratisierung wird womöglich noch Jahre andauern. Das Aufdecken der, von geostrategischen Vorteilen und Wirtschaftsinteressen geleitete Politik der EU-Eliten, die Aufklärung der europäischen Öffentlichkeit über wie wahren Ursachen der Probleme im Nahen Osten und eine praktizierte Solidarität auf gleicher Augenhöhe mit den demokratischen Kräften Ägyptens, ist das mindeste an Bringschuld der europäischen Linken.
    Und eine klare Positionierung in dem israelisch-palästinensischen Konflikt! Dass ohne die Unterstützung des Mubarak-Regimes die Repressions- und Besatzungspolitik der israelischen Regierungen, welche ja bekanntlich allen UN-Resolutionen und dem Völkerrecht widersprechen, so nicht möglich gewesen wäre, sagen nicht nur israelkritische Stimmen. Es wäre mühselig und würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, hier darauf hinzuweisen, dass das Schicksal der palästinensischen Gebiete die zentrale Frage der Konflikte im Nahen Osten ist. Oder wie zigmal geschehen, die Tragödie der PalästinenserInnen zu beschreiben, denen das Recht auf freie Reise auf eigenem Grund und Boden verwehrt wird.
    Nein, die eigentliche Problematik liegt darin, dass die europäische Linke, die mit einem Lineal gezogenen Grenzen im Nahen Osten und das künstliche Produkt des Kapitalismus, die Nation und den Nationalstaat an sich als Gottgegeben hin nimmt. Müsste nicht die Linke, die ihre radikale, also an die Wurzel gehende und zugleich reale, also auf die Probleme im hier und jetzt orientierte Politik, stets aus der Perspektive der Schwächsten heraus formulieren? Darf dann eine solche linke Politik, monoethnisch bzw. monoreligiös ausgerichtete Nationalstaaten, die keinen Raum für ethnische und religiöse Minderheiten lassen, akzeptieren? Waren es nicht immer linke, die die Demokratie, als sich immer zu erneuernden Demokratisierungsprozess verstehend, daran gemessen haben, wie sozial, wie gerecht, wie emanzipatorisch sie aufgebaut und wie sie auf Frieden ausgerichtet ist? Wie kann dann die europäische Linke einen Staat, der den eigenen arabischen Staatsangehörigen die vollen BürgerInnenrechte verwehrt; aus religiöser Motivation heraus den Grund und Boden seiner Nachbarn zu israelischem Eigentum erklärt; nicht gewillt ist, UN-Resolutionen umzusetzen und sein nukleares Arsenal unter internationaler Kontrolle zu stellen; jegliche rechtsstaatliche Standards missachtend, gezielt »Staatsfeinde« exekutiert; Tausende ohne einen Gerichtsbeschluss inhaftiert; in den Besatzungsgebieten ein offenes Willkür- und Apartheidregime installiert hat und den Friedensvertrag mit Ägypten als ein reines strategisches Instrument seiner weiteren Militarisierung sieht, überhaupt als einen »demokratischen Staat« bezeichnen und für den Erhalt des, von westlichen Interessen diktierten Status quo sein?
    Wenn die europäische Linke, die deutsche Linke im Besonderen, glaubhaft bleiben will, muss sie sich vor allem an ihren eigenen Werten messen lassen: Geschwisterlichkeit, Gleichheit, Gerechtigkeit, freie und selbstbestimmte Entfaltung eines jeden Individuums und last but not least, ein Mehr an Demokratie. Und wer Antisemitismus, Judenfeindlichkeit, rassistische und religiös-fundamentalistische Bewegungen wirksam bekämpfen will, der muss sich für die sozial gerechte, gleichberechtigte und demokratische Teilhabe aller Menschen und für den Frieden einsetzen.
    Daher bin der Auffassung – und das ist meine These –, dass die Schlüsselfrage der Konflikte im Nahen Osten die Freiheit des palästinensischen Volkes ist. Der beste Garant für die Sicherheit in der Region wird eine demokratische Union (oder Konföderation oder wie es auch immer heißen mag) sein, in der jüdische wie palästinensische Bevölkerungsteile frei, gleichberechtigt und selbstbestimmend zusammenleben, die Wunden der Vergangenheit heilen und die gemeinsame, friedliche Zukunft gestalten können.
    Naiv? Unrealistisch? Wie naiv und unrealistisch müssen dann unter den gegebenen Verhältnissen unsere Vorstellungen von einem demokratischen Sozialismus sein! Im Gegenteil; erst aus dieser Perspektive sind wir in der Lage, die aktuellen sozialen Kämpfe zu führen und für reale Verbesserungen in den gegenwärtigen kapitalistischen Gesellschaften zu streiten. So lassen sich auch mit der Vorstellung eines demokratischen Nahen Ostens, kleinere, aber nicht unwichtigere Schritte in Richtung eines Friedens bewerkstelligen.
    Meines Erachtens gilt dieses auch für die aktuellen Bemühungen um die Demokratisierung Ägyptens. Es war bezeichnend, dass just an dem Donnerstagnacht, als Mubarak angekündigt hatte, nicht zurücktreten zu wollen, auf dem Tahrir Platz kaum jemand beachtet hat, dass die BewohnerInnen des Gaza Streifens wieder einmal Opfer von Bombardierungen der israelischen Armee wurden. Daher stellt sich m. M. n. heraus, dass solange die Protestbewegungen nationalstaatlich eingegrenzt bleiben und die Bewegungen sich der palästinensischen Frage nicht annehmen, solange die errungenen Freiheiten und demokratische Rechte keine echten Freiheiten und Rechte sein werden. Bei allem Respekt vor den Bewegungen in Tunesien und Ägypten, ist es eine Notwendigkeit hierauf hinzuweisen.
    Im übrigen: es wäre eine wahre Revolution, wenn das neue, demokratische Ägypten die Grenze zum Gaza Streifen öffnen und den BewohnerInnen des Gaza Streifens die gleichen Freizügigkeitsrechte, wie die der ägyptischen StaatsbürgerInnen gewähren würde. Ich bin mir sicher, dass dann die Verhältnisse in der ganzen Region beginnen würden, sich grundlegend zu verändern.

  • Zypern leidet unter Erdoğan

    Zypern leidet unter Erdoğan

    Simerini – Zypern
    Zypern leidet unter Erdoğan
    Die geplanten Kürzungen von Finanzhilfen der Türkei für den türkischen Teil Zyperns haben Ende Januar zu Großdemonstrationen im Nordteil der zyprischen Hauptstadt Nikosia geführt. Das wiederum hat den türkischen Premier Recep Tayyip Erdoğan erzürnt und das zeigt nach Ansicht der konservativen griechisch-zyprischen Tageszeitung Simerini das wahre Gesicht der Türkei: „Was in den besetzten Gebieten passiert oder passieren wird, schafft die geeigneten Bedingungen um uns an unsere EU-Partner und die internationale Gemeinschaft zu wenden. … Wir haben Beweise für die wahren Absichten der Türkei und ihre dunklen Pläne. Jetzt ist der geeignete Zeitpunkt um all denjenigen, die sich angeblich so um die Rechte der Zyperntürken sorgen, zu sagen, wer die Täter und wer die Opfer auf Zypern sind. Wir sollten sie daran erinnern, dass … der gemeinsame Feind der Zyperngriechen und der Zyperntürken die türkischen Besatzer sind. … Die Türkei, ein Land auf dem Weg in die EU, darf nicht ungeschoren davonkommen.“ (15.02.2011)

    Quelle: Eurotopics
    Europäische Presseschau vom 16/02/2011

  • Die NRW-Polizei setzt verstärkt auf junge Leute mit Zuwanderungshintergrund

    Die NRW-Polizei setzt verstärkt auf junge Leute mit Zuwanderungshintergrund

    Die NRW-Polizei setzt verstärkt auf junge Leute mit Zuwanderungshintergrund. „Sie besitzen durch ihre Sprachkenntnisse und kulturellen Hintergründe besondere Kompetenzen. Das wird im täglichen Polizeidienst immer wichtiger“, sagte Innenminister Ralf Jäger heute (17.Februar) in Essen. Dort wurden 1.100 neue Polizeianwärterinnen und -anwärter – erstmalig in der neuen blauen Uniform – vereidigt; 124 von ihnen haben einen Migrationshintergrund. Das sind mehr als 11 Prozent. „Der beste Weg zur Integration führt über Bildung. Diese 124 angehenden Polizistinnen und Polizisten sind Vorbilder dafür, dass jeder, unabhängig von seiner Herkunft, die Chance hat, erfolgreich zu sein“, bekräftigte der Minister. „Wir wollen den Anteil der Menschen mit Zuwanderungsgeschichte bei der Polizei weiter erhöhen und werben deshalb gezielt um sie.“

    Für den Einstellungsjahrgang 2010 hatten sich 7.100 junge Leute beworben. „Das zeigt, dass der Polizeiberuf nach wie vor interessant und begehrt ist. Aber es ist auch eine verantwortungsvolle Aufgabe und stellt hohe Anforderungen an jeden Einzelnen“, betonte der Innenminister und
    sagte an die Anwärterinnen und Anwärter gewandt: „Mit dem Eid verpflichten Sie sich dem Grundgesetz, der Verfassung des Landes NRW und damit den Menschen- und Freiheitsrechten.“ Der Schwur sei eine Versicherung gegenüber den Menschen, die Gesetze zu wahren und Gerechtigkeit gegen jedermann zu üben. Jäger wies darauf hin, dass die Bürgerinnen und Bürger von der Polizei Hilfe und Schutz, aber auch konsequentes Einschreiten erwarteten.

    Der Polizeinachwuchs hat im September 2010 sein dreijähriges Bachelor-Studium begonnen und wird nach Abschluss der Ausbildung im Wachdienst und den Ermittlungskommissariaten eingesetzt. „Wir wollen ab diesem Jahr die Zahl der Neueinsteiger auf 1.400 erhöhen, kündigte der Minister an. “ Mit unserem bundesweit einmaligen vorbildlichen Konzept erreichen wir eine kontinuierliche und nachhaltige Personalverjüngung.“

    Mehr Informationen zum Polizeiberuf gibt es im Internet unter www.polizei.nrw.de.

  • Vatikan: »Multikulti« ist gescheitert

    Vatikan: »Multikulti« ist gescheitert

    12.02.2011
    Vatikan: »Multikulti« ist gescheitert
    Dialog starker Identitäten gefordert
    Der Vatikan hat das als »Multikulti« bezeichnete Zusammenleben verschiedener Kulturen in westlichen Ländern für gescheitert erklärt. Damit liegt er auf einer Linie mit Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy.
    Rom/Paris (epd/AFP/ND). An Stelle des Multikulturalismus müsse »ein respektvoller Dialog starker kultureller Identitäten« treten, forderte der vatikanische Kulturminister, Kardinal Gianfranco Ravasi, laut einem Bericht der Mailänder Tageszeitung »Corriere della Sera« vom Freitag. Der Präsident des Päpstlichen Kulturrates kündigte in diesem Zusammenhang ein offizielles Vatikandokument an.
    Seit der Antike hätten Kulturen nebeneinander existiert, sagte der Kardinal. Vor allem in Großstädten habe das Zusammenleben jedoch mittlerweile zum Zusammenstoß unterschiedlicher Formen von Fundamentalismus geführt. »Man muss für Auseinandersetzungen sorgen, die nicht zum Zusammenstoß führen«, betonte Ravasi, der im Auftrag des Papstes bei hochkarätig besetzten Begegnungen an Universitäten das Gespräch mit Nichtgläubigen sucht.
    Der Kurienkardinal warnte vor einer »doppelten Krankheit« in Europa, die einerseits durch eine aggressiv vertretene Identität auch von Christen bedingt sei, andererseits von »kulturellem Synkretismus, Oberflächlichkeit, Banalität, Dummheit, mangelnder Moral, Farblosigkeit und einem herrschenden kulturellen Nebel«. »Multikulti« habe zu einem »Duell« um Vormacht geführt, so Ravasi. Die von ihm geforderte »Interkulturalität« verglich er mit einem »Duett«, bei dem zwei starke aber unterschiedliche Identitäten sich nicht einander angleichen, sondern in einen Dialog treten.
    Auch Frankreichs Staatschef Sarkozy hat den Multikulturalismus in Europa für gescheitert erklärt. »In allen Demokratien hat man sich zu sehr mit der Identität desjenigen beschäftigt, der zu uns kam, und nicht genug mit der Identität des Landes, das ihn aufgenommen hat«, sagte Sarkozy im französischen Fernsehsender TF1.
    »Wir wollen keine Gesellschaft, in der eine Gemeinschaft neben der anderen besteht.« Wer nach Frankreich komme, müsse »in einer einzigen Gesellschaft, der nationalen Gesellschaft« aufgehen, forderte der Präsident. »Wenn man das nicht akzeptiert, kommt man nicht nach Frankreich.« Im Übrigen könne Frankreich nicht jeden aufnehmen, »sonst explodiert unser Immigrationssystem«.
    Die muslimischen Mitbürger müssten ganz normal leben und ihre Religion ausüben können wie etwa christliche oder jüdische Staatsbürger, so Sarkozy. Aber »wir sind ein laizistisches Land«, Kirche und Staat seien getrennt. »Wir wollen nicht, dass auf demonstrative Weise auf der Straße gebetet wird.« Frankreich wolle, dass Männer und Frauen gleichgestellt seien, dass auch kleine Mädchen zur Schule gehen dürften und dass Prediger nicht zu Gewalt aufriefen, betonte der Staatschef.
    »Meine Antwort ist eindeutig«, sagte Sarkozy auf die Frage, ob der Multikulturalismus gescheitert sei. »Ja, es ist ein Scheitern.« Er sei in dieser Frage der gleichen Meinung wie Bundeskanzlerin Angela Merkel und der britische Premierminister David Cameron.
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  • „Wir brauchen mehr Migranten bei der Polizei“

    „Wir brauchen mehr Migranten bei der Polizei“

    Quote gegen Lücken gefordert
    „Wir brauchen mehr Migranten bei der Polizei“
    VON GREGOR MAYNTZ – zuletzt aktualisiert: 15.02.2011
    (RP) Mehr Migranten in den öffentlichen Dienst, mehr Migranten in den Katastrophenschutz, und auch die Bundeswehr schielt darauf, mit Soldaten aus dem Ausland die Lücken nach dem Wegfall der Wehrpflicht zu schließen. Menschen mit Migrationshintergrund werden zur Lösung für immer mehr Politikbereiche.
    (…)

  • Wie gut sind Krisen prognostizierbar?

    Wie gut sind Krisen prognostizierbar?

    Bifurkation von Systemen

    Wie gut sind Krisen prognostizierbar?

    Die Antwort vorweg: Krisen sind schon recht gut prognostizierbar, es kommt jedoch immer auf die Art, Umfang, Qualität und Beobachtungsdauer der Daten und Informationen an, die betrachtet werden. Und das Wort Krise – aus dem griechischen stammend – bedeutet nicht anderes als eine problematische, mit einem Wendepunkt verknüpfte Entscheidungssituation zu haben. Der Begriff der Bifurkation von Systemen taucht bisher in politischen, sicherheitspolitischen, sozialen, wirtschaftlichen oder militärischen Zusammenhängen so gut wie gar nicht in der Literatur auf, sondern nahezu ausschließlich in der Mathematik, der Physik, der Anatomie, der Biologie und auch in der Geographie. Vereinfacht gesagt handelt es sich bei einer Bifurkation um eine Zustandsänderung, eine Teilung, eine Gabelung, oder eine spontane Veränderung von bisher stabilen oder scheinbar stabilen Zuständen oder Systemen. Vermeintlich „überraschende“ oder „unerwartete“ politische Systemänderungen sind Bifurkationen, die den meisten Fällen absehbar und prognostizierbar sind.

    Tunesien und Ägypten – überraschend?

    Als die Unruhen in Tunesien ausbrachen, als in Ägypten im Ende Januar 2011 das Volk durch Demonstrationen nach Demokratie, nach Freiheit rief, hieß es von vielen Seiten der Politik im In- und Ausland: „Das hat uns überrascht!“ Dass die meisten Medien für gewöhnlich nicht immer unbedingt über analytischen Tiefgang verfügen und eher sehr vereinfacht eben solche Äußerungen aus der Politik ungefiltert wiedergeben, sei mit Nachsicht zur Kenntnis genommen. Es geht in den meisten Medien um Auflagen und Umsatz, und nicht primär um Analysen.

    Haben also die Entwicklungen in Tunesien und Ägypten „alle“ überrascht? Die Antwort lautet ganz klar: Nein.  Spätestens ungefähr Mitte Dezember 2010 waren für Ägypten die Warnsignale deutlich auf rot. Mittlerweile sind Anfragen in US-Gremien anhängig, wieso beispielsweise die Central Intelligence Agency (CIA) nicht rechtzeitig gewarnt habe. Hat sie, so ist politischen Statements aus den USA zu vernehmen. Die gleiche Frage wäre berechtigterweise auch in Deutschland zu stellen: Keiner hat gewarnt – oder hat keiner hingehört? Die Bifurkation in Ägypten war und ist nicht überraschend. Andere Länder werden folgen.

    Indikatoren

    Langfristindikatoren und Daten verschiedenster Art, wie beispielsweise zum Gesundheitswesen, Arbeitslosigkeit, Entwicklung der Kriminalität, Preise von Rohstoffen und Lebensmitteln, Finanzdaten und auch Änderungen im Bruttoinlandsprodukt, um nur einige zu nennen, geben schon Jahre im voraus Indikationen, dass eine Bifurkation eintreten kann. Dies kann nicht nur für einen ganzen Staat – gleich in welcher Rechtsform – indiziert und damit prognostiziert werden, sondern heruntergebrochen werden bis auf einzelne Bundesstaaten, Regionen, Städte oder Stadtteile. Im Wesentlichen kommt es dabei auf eine effiziente Datenaggregation an, um zugleich aus dem vorhandenen und ständig, möglichst kontinuierlich zu erweiternden Datenbestand Korrelationen mit scheinbar nicht zusammenhängenden Daten und Zeitreihen herbeizuführen und diese zu analysieren.

    Es ist insbesondere zu Beginn von Trends bzw. Korrelationen selbstverständlich nicht sofort erkennbar, ob es sich um unwesentliche, zu vernachlässigende Entwicklungen und Trends handelt, oder im Laufe des Beobachtungszeitraumes die Datenaggregation auf einen Megatrend, wenn nicht sogar auf einen Gigatrend hindeutet, der zum Ende des jeweiligen Trends in einer Bifurkation, also in einen Zusammenbruch oder zumindest einer Teilung eines Systems führt. Schon diese kurzen Ausführungen machen deutlich: Kontinuierliche Trendanalysen vielfältigster Art sind unabdingbar, rechtzeitig Entscheidungen treffen zu können.

    Bei genauerer Betrachtungsweise des Verhaltens von politischen System oder Wirtschaftssystemen wird dem Analytiker relativ schnell deutlich, dass es sich hier um sogenannte nicht-lineare, multidimensionale, kybernetische, dynamische Systeme handelt, deren Verhalten in der Mathematik und in der Physik beispielsweise auch in der Chaos-Theorie, also der Theorie komplexer Systeme, beschrieben wird.

    Geht es auch einfacher?

    Für den durchschnittlichen Staatsbürger drängt sich hierbei die Frage auf: Geht das nicht alles ein wenig einfacher? Muss ich das alles verstehen? Doch, es geht einfacher und man muss auch nicht alles über die Hintergründe verstehen. Ein gewisses Grundverständnis für das Verhalten von Systemen sollte allerdings bei hohen und höchsten politischen Staatslenkern oder Wirtschaftsführern zumindest in Grundzügen vorhanden sein, um auf regionale, nationale oder internationale Trends und Entwicklungen rechtzeitig reagieren zu können, damit es nicht irgendwann doch heißt: „Das hat uns aber alle überrascht.“

    Auch schadet es dem oder der üblichen Durchschnittspolitiker(In) im Parlament und in den Landtagen nicht, sich mit dem Verhalten von solchen komplexen Systemen mit sowohl wirtschaftlichen, sozialen und politischen Sekundär- und Tertiärwirkung grundsätzlich auseinanderzusetzen. Die anvertrauten Bürger und Bürgerinnen haben einen politischen Anspruch darauf, dass die bestmöglichen Entscheidungen getroffen werden – rechtzeitig, sinnbringend und vor allem nicht populistisch.

    Es stehen so einige mögliche Bifurkationen in Deutschland, in Europa als auch weltweit in den kommenden Monaten und Jahren „vor der Türe“. Es bedarf schon gewisser Fertigkeiten und Weitsicht damit umzugehen, ohne dass das Chaos nach Eintritt der Bifurkation völlig unbeherrschbar wird. Ansonsten drohen über Jahre Aufstände, Unruhen, Bürgerkriege, kriegsähnliche Zustände oder Kriege.

    Für Wirtschaftsführer gleich welcher Branche ist das Grundverständnis um die Bifurkation überlebenswichtig. Viele Unternehmen – sowohl aus dem Mittelstand als auch Großunternehmen – existieren heute nicht mehr, weil sie sich nicht rechtzeitig damit auseinandergesetzt, nicht rechtzeitig und möglichst vollumfänglich Trends analysiert haben, um daraus weitgreifende, zukunftsweisende Entscheidungen abzuleiten. Das Ende ist auch hier eine Bifurkation. Der Name der Bifurkation: Entweder Schließung oder Konkurs. Hier sind dann zwar unter Umständen auch Hunderte oder Tausende betroffen, was sehr bedauerlich ist, jedoch eher selten eine ganze Region oder ein ganzes Staatswesen.

    Beispiele von Bifurkationen

    Bifurkationen gab es in tausenden von Jahren schon viele. Viele davon endeten im völligen Chaos. Menschen entzogen sich durch Suizid, andere starben durch Genozid und weitere Auswirkungen von Kriegen taten das Übrige dazu. Vermögen nicht nur in Milliardenhöhe, sondern in Billionenhöhe wurde vernichtet. Ganze Staaten verschwanden oder schlossen sich zu einem neuen System zusammen. Großreiche wie beispielsweise die Ausdehnung der Hunnen, das Römische Reich, das Osmanische Reich, das „Großdeutsche Reich“, die Sowjetunion, „The British Empire“, Kolonialstaaten wie zum Beispiel Spanien oder Portugal verschwanden beziehungsweise reduzierten sich auf eine geringere Staatsfläche.

    Nicht immer alles verlief in einem Chaos und nicht alles innerhalb weniger Tage. Manches zog sich über Jahre oder Jahrzehnte hin. Viele Veränderungen waren daher auch nicht überraschend, sondern die Trends waren schon über Monate und Jahre im voraus erkennbar. Dennoch: Haben es alle Zeitgenossen der jeweiligen Zeit immer erkannt?

    DotCom-Blase

    Zu den einfachen Beispielen von sich abzeichnenden Bifurkationen und damit vorausgehenden Trends gehört zum Beispiel die sogenannte „Börsenblase“ bzw. „DotCom-Blase“, die im Jahr 2000 geplatzt ist. Während die Medien nahezu alle noch in Jubelstimmung waren und jeder Anleger beim Kauf einer Telekom-Aktie oder irgendeiner Neuemission sich als Finanzgenie betrachtete, waren hier und dort – verständlicherweise sehr leise und bedachtet – andere Marktteilnehmer am Werke, denen durch sorgfältige Trendbeobachtung schon länger klar war: Das geht nicht gut, das geht nicht so weiter. Das Ergebnis der „DotCom-Blase“ ist allgemein bekannt: „Völlig überraschend.“ Eher weniger bekannt ist: Beim Platzen der Blase und der danach folgenden mehrjährigen Talfahrt wurden auch Milliarden verdient. Nun, so wird man sich fragen, wieso hat kaum jemand gewarnt vor dem Platzen, vor dem Ende dieses unschwer erkennbaren, langjährigen Trends bis zum Eintritt dieser speziellen Bifurkation? Die Antwort hierauf ist recht einfach. Sie lautet rein kriminalistisch formuliert: „Cui bono?“ Die Antwort darauf muss sich jeder selbst geben. Und: Einige wenige haben auch gewarnt. Es hat nur niemand hingehört.

    Wiedervereinigung Deutschlands

    Ein anderes Beispiel – hier aus dem Bereich des Staatswesens: Alle waren völlig überrascht, als 1989 durch eine friedliche Revolution die damalige DDR „zusammenbrach“ und die Grenzen zur Bundesrepublik Deutschland friedfertig geöffnet wurden. Insbesondere die amtierenden Politiker in Regierung und Opposition in Bonn waren auf dem falschen Fuß erwischt worden – diesmal im positiven Sinne. Hat niemand die sozialen Entwicklungen in der DDR im Vorfeld als Trend registriert? Hat niemand die Zunahme der Opposition in der DDR registriert? Hat niemand den Anstieg der Reisen in die sogenannten Bruderländer registriert – speziell nach Ungarn? Alles waren mehr oder weniger offene Informationen.

    Man muss den Trend nur wahrnehmen, analysieren und die Eintrittswahrscheinlichkeit bestimmter Veränderungen (Bifurkation) kontinuierlich betrachten. Es ist müßig im Nachhinein darüber zu reflektieren, wer hier seine Hausaufgaben nicht gemacht und die damalige Bundesregierung nicht entsprechend und frühzeitig ins Bild gesetzt hat. Da es sich bei der damaligen DDR um de facto eine „Auslandsangelegenheit“ handelte, wären hier entweder der Bundesnachrichtendienst (BND) und/oder das Auswärtige Amt (AA) in der Pflicht gewesen die Trends zu beobachten, strukturiert in Zeitreihenform zu analysieren und Eintrittswahrscheinlichkeiten dynamisch zu bewerten. Ein Chaos im Sinne einer gewalttätigen Veränderung oder durch Unruhen oder durch bürgerkriegsähnliche Zustände ist bei diesem Vorgang nicht eingetreten, auch wenn die spontane Entwicklung für die meisten Bürger sicherlich doch überraschend war.

    Finanzmarktcrash 2008

    Eine besonders bemerkenswerte Bifurkation stellt dieses Beispiel dar. Allein die Bezeichnung dieser Bifurkation ist schon falsch beziehungsweise irreführend, auch wenn diese Bezeichnung Millionen mal in nationalen und internationalen Medien verwendet wurde. Es spielt auch keine Rolle, wenn statt der Zahl 2008 abwechselnd die Zahl 2009 genannt wird, denn die Bezeichnung ist genau so falsch, und ändert an der bemerkenswerten Trendentwicklung dieser Bifurkation jedoch auch nichts. Denn es handelt sich hier um einen Crah auf Raten. Das interessante an dieser Bifurkation ist: Wir sind noch mittendrin. Will heißen: Wir sind noch nicht durch – in Deutschland, in Europa, weltweit. Wir haben es bei dieser Bifurkation also auch nicht mit einen Stichtag oder Stichmonat oder Stichjahr zu tun, sondern es ist etwas Größeres. Wie lange es noch dauern wird und welche Konsequenzen allumfänglich und weltweit daraus noch resultieren werden, wird – und ich glaube – möchte auch niemand so ganz genau öffentlich sagen.

    Der Hintergrund zu diesem Finanzmarktcrash ist wie folgt sehr vereinfachend beschrieben: Von einigen wenigen internationalen Finanzmarktteilnehmern wurden hochkomplexe Finanzmarktprodukte entwickelt. Dabei wurden vereinfacht dargestellt Verbindlichkeiten, also Schulden, aus allen nur vorstellbaren Bereichen, wie zum Beispiel Immobilienfinanzierungen, Kreditkartenkredite, KfZ-Finanzierungen und vieles mehr so gebündelt, das daraus wiederum neue Finanzmarktprodukte entstanden. Diese wurden wiederum weiterverkauft an andere Banken, Versicherungen, Anleger sowie zur Rentenvorsorge. Das Konstrukt war bzw. ist so komplex, dass selbst diverse beteiligte Banken nicht mehr durchgeblickt haben, wie die genauen Sachverhalte eigentlich aussehen.

    Über diese Sachverhalte wurden mittlerweile ganze Bücher verfasst und Untersuchungsberichte erstellt. Diverse Strafanzeigen gegen Banken, Makler, Vermittler und ehemalige Bankenvorstände laufen immer noch. Hunderte von Banken speziell in den USA sind mittlerweile „bancarotta“, in Deutschland und Europa haben sich einige Banken unter sogenannte „staatliche Schutzschirme“ geflüchtet. Es bleibt zu beobachten, was mit den nationalen und internationalen Versicherungsgesellschaften zukünftig werden wird. Der Hintergrund ist, dass für den Fall, dass eine solche Rettung nicht erfolgt wäre, es gewisse „systemische Probleme“ gegeben hätte oder geben würde. Mit dieser völlig diffusen (politischen) Formulierung dürften die Meisten so gut wie nichts anfangen können. Vielleicht ist das auch ganz gut so. Daher nur als Kurzerklärung: Stellen Sie sich das Schlimmste vor, was passieren könnte – dann liegen Sie einigermaßen richtig.

    Die Auswirkung auf die internationalen Volkswirtschaften aller Länder ist mittlerweile allgemein bekannt und seit 2008 im Fokus der Medien. Der bisherige Schaden und die Auswirkungen liegt weltweit irgendwo im zweistelligen Billionenbereich (amerikanisch: „Trillions“). Auch wenn diese noch „aktive“ Bifurkation, deren weiterer Verlauf allenfalls spekulativ abgeschätzt werden kann, inhaltlich sehr interessant sein mag, so ist ein viel interessanter Punkt folgender: Durch eine saubere, ungefärbte und emotionslose Trendanalyse diverser Zeitreihen über zwanzig bis dreißig Jahre und daraus abzuleitenden Entscheidungen hätte es nicht so weit kommen müssen, dass wir heute mitten in einer solchen Bifurkation sind und das Ende noch nicht absehbar ist.

    Trends, Bifurkation und die Kanzlerrunde

    Untersuchungsberichte und Medienberichte belegen: Was 2008 / 2009 die „gesamte Politik“ nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Staaten in Europa sowie die USA angeblich „völlig überrascht“ hat, war als zunehmend aufwachsendes Problem in hohen und höchsten Gesprächskreisen längst bekannt und erzeugte sicherlich auch eine gewisse Betroffenheit. Diese Betroffenheit wurde allerdings durch „stilles Aussitzen“ des Problems zum Ausdruck gebracht. Neuere amerikanische Untersuchungsberichte zur Finanzkrise belegen, dass in internationalen Finanzkreisen die Risiken seit ungefähr 1998/99 bekannt waren. Und wer hat diesen Trend, dieses Risiko öffentlich angsprochen? Wer hat etwas unternommen? Niemand.

    In Frühjahr 2003 gab es eine höchst vertrauliche Kanzlerrunde im Bundeskanzleramt. Eigentlich war es eher so etwas wie die Beichte der deutschen Finanzwirtschaft: „Wir haben ein gewisses Problem mit einigen Banken. Und dieses Problem sieht wirklich nicht gut aus.“ Was die Top-Vertreter der deutschen Finanzwirtschaft aufgrund eigener, langfristiger Zahlen- und Trendanalysen festgestellt hatten war: Es ist auf absehbare Zeit wahrscheinlich, dass einige Banken „bancarotta“ anmelden müssen, falls die Bundesregierung nicht in geeigneter Form die Hand darüber hält. Der englische Begriff „bad banks“ machte die Runde im Kanzleramt – klingt ja auch irgendwie vornehmer als das italienische „bancarotta“.

    Wenn schon jemand beichtet – hier also die Top-Vertreter der deutschen Finanzwirtschaft, dann muss es auf der anderen Seite im Bundeskanzleramt 2003 ja auch so etwas wie „Beichtväter“ gegeben haben. Hat es auch: Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), Vizekanzler und Außenminister Joschka Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Bundesfinanzminister Hans Eichel. Doch die Beichtväter wollten 2003 von „bad banks“ nichts hören – das war politisch nicht opportun, das hätte keine Wählerstimmen gebracht.

    Und nur wenige Jahre später, im Jahr 2011, wo das Scherbengericht wegen nicht erfolgter Trendanalyse zu diesem brisanten Finanzmarktthema – es geht immerhin um die Instabilität eines ganzen Staatswesens – immer mehr an die Öffentlichkeit gelangt, da meldet sich Gerhard Schröder in den Medien wieder zu Wort und fordert „die CDU möge sich doch bitte um die Finanzkrise kümmern“. Das Wort Chuzpe scheint Schröder vermutlich völlig fremd zu sein. Schröder als Bundeskanzler sowie die Bundesminister haben einen Eid vor den Mitgliedern des Bundestages geleistet:

    „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“

    Schröder und andere haben Ihren Eid offensichtlich gebrochen. Ist das jetzt Hochverrat? Ist das Landesverrat? Es gibt Staaten, da steht auf Hochverrat die Todesstrafe. Wird das brisante Finanzmarktthema auch auf Bundesebene eventuell von Strafverfolgungsbehörden noch aufgegriffen oder eher „unter Genossen“ unter der Hand geregelt? Waschen sich alle die Hände in Unschuld bei dem erkannten kritischen Trend nicht rechtzeitig gehandelt zu haben?

    Wieso hat die Bundesbank nicht frühzeitig eingegriffen in diese sich abzeichnende Bifurkation? Wenn die Bundesbank nicht Bescheid wusste – wer dann? Wieso haben alle, ausnahmslos alle im Bundestag vertretenen Parteien seit 2003 nichts unternommen, dieser extrem kritischen Bifurkation entgegenzuwirken? Wieso haben alle Parteien erst ab 2008 / 2009 diesen Trend „mit großer Überraschung“ wahrgenommen? Hat überhaupt jemand diesen Trend in politisch verantwortlicher Position verfolgt? Wer? Der möge „hier“ rufen.

    Die Aufzählungen mögen als Beispiele genügen für die Bifurkation von Systemen. Dies lässt sich auf jede Art von beliebigen Datenreihen übertragen. Die Frage „Wie gut sind Krisen prognostizierbar?“ lässt sich dahingehend beantworten, dass einerseits die Qualität von Informationen und Daten sowie die Frühzeitigkeit eine wichtige Rolle spielen verbunden mit der Art der darauf aufbauenden Zeitreihenanalyse.

    In einem Wirtschaftsunternehmen ist die Geschäftsführung dafür verantwortlich, wer Trendanalysen letztendlich durchführt. In einem Staat wie Deutschland verantwortet es der Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin. Ob diese Analysen nun unmittelbar im Bundeskanzleramt erstellt werden, im Wirtschaftsministerium, im Finanzministerium, bei der Bundesbank, beim Bundesnachrichtendienst, bei der Bundeswehr oder irgendwo anders, ist grundsätzlich völlig egal und lediglich von Art und Auftrag abhängig. Im Bedarfsfall werden Einzelanalysen sowie Daten und Zeitreihen zu einem Ganzen zusammengeführt. Man erhält ein vollständiges Lagebild – emotionsfrei. Angemessenes, möglichst frühzeitiges Handeln muss der dann folgende Schritt sein. Sonst nutzt die ganze Prognostizierbarkeit einer Bifurkation nichts, sondern tritt unter Umständen mit voller Wucht und ungebremst ein.

    © Ralf R. Zielonka
    Bonn, 09. Februar 2011

    Quelle:

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  • Rezension: Im Auge des Terrors. Wie viel Islam verträgt Europa?

    Rezension: Im Auge des Terrors. Wie viel Islam verträgt Europa?

    Rezension
    Schoor, Peter, 2010: Im Auge des Terrors. Wie viel Islam verträgt Europa? 190 S. Ueberreuter, Wien, ISBN 978-3-8000-7490-7.

    Wer aus Sicht eines Sicherheitsberaters die aktuelle sicherheitspolitische Lage erfahren möchte, sollte das aktuelle Werk von Peter Schoor lesen. Es ist keine wissenschaftliche Analyse, jedoch sehr leicht und gut verständlich geschrieben. Das Ziel seines Beitrages ist es, eine Diskussion um die sicherheitsrelevanten aktuellen Themengebiete wie Islam, Islamismus, Terrorismus, staatliche Gewalt, Nachrichtendienste zu entfachen.
    Als Sicherheitsexperte geht er auf das Dilemma zwischen Freiheit und Sicherheit ein. Das Spannungsverhältnis verdeutlicht sich seiner Ansicht nach, in der Zunahme staatlicher Macht gegenüber dem Sicherheitsbedürfnis und dem Schutz- und das Freiheitsbedürfnis des Bürgers. Dabei geht er der Frage nach, warum sich das Schutzbedürfnis vergrößert, in dem er die Islamisierung Österreichs als Einstiegsbeispiel anführt. Dies erfolgt insbesondere durch Geburtenrate und statistische Zahlen und Belege zur Untermauerung seiner These . Obwohl der Islam in Österreich seit dem Jahre 1912 eine gesetzlich anerkannte Religion ist, verzeichne sie gerade in den letzten 40 Jahren den stärksten Zuwachs aller Religionsgemeinschaften.
    Die Islamisierung Europas belegt er u.a. mit den Worten Oberst Muammar al-Gaddafis, den“Revolutionsführer“ aus dem Jahre 2008 an: „Es gibt Anzeichen, dass Allah dem Islam den Sieg in Europa gewährt, ohne Schwerter; ohne Eroberung, ohne Gewehre. Wir brauchen keine Terroristen und keine Selbstmörder. Die mehr als 50 Millionen Moslems werden Europa in nur wenigen Jahrzehnten zu einem muslimischen Kontinent machen.“

    Wenn die Gefahr der Islamisierung nun fokussiert wird auf die Geburtenrate, sollten Politikwissenschaftler führenden Staatspräsidenten anraten, diese Form der gesellschaftspolitischen „Unterwanderung“ auch im Irak oder in Afghanistan anzuwenden, anstatt mit Militärgewalt einzumarschieren. Scheint zumindest friedlicher. Die Ansiedlung von geburtenwilligen Christen in mehrheitlich islamischen Ländern könnte eine ähnliche Terrorangst verbreiten. Zumindest diese Art der Gefahrenabwehr sollte in ernstgemeinten sicherheitsrelevanten Schriften und beratenden Tätigkeiten zukünftig genauso in Betracht gezogen werden, wie es scheinbar die Islamisten mit der Geburtenrate in den europäisch-christlichen Gemeinschaften anwenden.

    Askim Müller-Bozkurt, Kerpen

  • Regierung hält an Extremismus-Klausel fest

    Regierung hält an Extremismus-Klausel fest

    Foto: dapd

    SPD und Grüne wollen Streichung beantragen
    Regierung hält an Extremismus-Klausel fest

    zuletzt aktualisiert: 10.02.2011 – 09:08
    Köln (RPO). Die Bundesregierung hält an der umstrittenen Extremismusklausel für Initiativen gegen Rassismus fest. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hatte eine Regelung eingeführt, dass Aktivisten eine Erklärung unterzeichnen müssen, dass sie selbst demokratischer Gesinnung sind.

    (…)

  • EINLADUNG ZUM SONNTAG DER ORTHODOXIE 2011

    EINLADUNG ZUM SONNTAG DER ORTHODOXIE 2011

    Einladung_Sonntag_der_Orthodoxie_2011

    EINLADUNG ZUM SONNTAG DER ORTHODOXIE 2011

  • Türkei wegen Verstöße gegen Menschenrechte verurteilt

    Türkei wegen Verstöße gegen Menschenrechte verurteilt

    Urteil 08. Februar 2011- 14:18 h
    Türkei wegen Verstöße gegen Menschenrechte verurteilt
    Die Türkei ist in zwei Fällen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt worden. Die Richter in Straßburg sprachen einer Klägerin rund 16.000 Euro Schmerzensgeld zu.

    Die Frau wurde vor zehn Jahren bei Protesten in einem Hochsicherheitsgefängnisses verletzt. Das Gericht urteilte, die Polizei habe gegen das Misshandlungsverbot und die Versammlungsfreiheit verstoßen. Auch ein türkischer Verleger bekam Recht. Er klagte in Straßburg den finanziellen Verlust seiner in den 90er Jahren beschlagnahmten Bücher ein.

  • Türkische Werbung für deutsche Ausbildung

    Türkische Werbung für deutsche Ausbildung

    Hürriyet-Logo

    (nicht im nachfolgenden Artikel)

    Es gibt noch zu wenige Türken unter den Facharbeitern in Deutschland

    Integration | 08.02.2011
    Türkische Werbung für deutsche Ausbildung
    Beruflicher Erfolg hat in der deutsche Gesellschaft einen hohen Stellenwert. Nun wollen türkische Medien für bessere Jobs in Deutschland werben und damit die Integration von jungen Türken verbessern.

    Die „Hürriyet“ liegt auf dem Wohnzimmertisch, im Fernsehen läuft TRT und im Auto „Radyo Metropol FM“. Wer will, kann sich in Deutschland von türkischen Medien durch den Alltag begleiten lassen. In einer Umfrage hat das Essener Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung (ZfTI) herausgefunden, dass mehr als 90 Prozent der türkisch-stämmigen Migranten in Deutschland regelmäßig türkischsprachige Medien nutzen.
    (…)

  • Migrantische oder deutsche Sitzbänke?

    Migrantische oder deutsche Sitzbänke?

    Mittwoch 02. Februar 2011
    Migrantische oder deutsche Sitzbänke?

    Kerpen – Wie sich „Apartheid-Politik“ der FDP in Kerpen manifestiert – „Ich werde die Sitzbänke in mehrheitlich migrantischen Gegenden anders behandeln als in deutschen Wohngegenden“, in diesem Sinne äußerte sich Axel Fell, Vorsitzender des Integ-rationsausschusses im Rat der Stadt Kerpen, am 19.1.2011, als es um die Frage der Be-handlung von Anträgen betreffend der Verwaltung und des Ausschusses ging. Dies wirft eine Frage auf, ob die FDP womöglich der Ansicht ist, dass es in Kerpen – ähnlich wie bei Apartheid – tatsächlich Deutsche und migrantische Sitzbänke gibt?

    Besteht die Politik der FDP zu verdeutlichen, dass alles, was die Migranten betrifft etwas anderes ist, als das, was die Deutschen betrifft?

    Bedeutet Integration nicht das Erkennen der Andersartigkeit und der Suche nach gemein-samen Lösungen für offene und herausfordernde Fragen? Nach gemeinsamer Gestaltung der Zukunft unter Wahrung der Unterschiedlichkeit?

    Diese Art der Definition von Integration ist etwas anderes, als das Hervorheben der Unter-schiedlichkeit im Sinne sogar der Sitzbänke. Hier ist eine politische Linie erkennbar, die we-der im Interesse der Migranten, noch der der Deutschen ist. Wenn wir sogar in Sachgegen-ständen Unterschiede zu erkennen glauben, dann sind wir selbst dem Apartheid-Denken verfallen.

    Dies manifestiert sich auch in der Unterstützung durch Nicht-Entegegentreten von Äußerun-gen von Scharping, wonach die Bürgermeisterin Marlies Sieburg Anträge von Migranten als lästig empfinde. Auch hier werden Unterstellungen bei Personen öffentlichen Rechts vorge-nommen, die sachlich und inhaltlich nicht haltbar sind. Der Verweis auf formal richtige Vor-gehensweise bei Anträgen zum einen betreffend der Verwaltung und betreffend der Politik wird zugunsten politischer Zurschaustellung verworfen. Das kann nicht der politischen de-mokratischen Willensbildung dienen.
    gez. Askim Müller-Bozkurt (s. Foto)

    Zusatz der SPD-Fraktion:
    Diese Darstellung unserer Stadtverordneten Askim Müller-Bozkurt gibt nach Überzeugung der SPD-Fraktion Anlass zur Sorge bezüglich einer Fehlentwicklung im Integrationsaus-schuss. Gerade in diesem Ausschuss sollte Parteipolitik sowie Stimmungs- und Meinungs-mache von Stadtverordneten der im Rat vertretenen Parteien keine bestimmende Verhaltensweise sein.
    gez. Ingpeer Meyer
    (Quellen/Foto: SPD-Fraktion)

  • Akhanli | Selek | Hrant Dink – Termine in Köln | Istanbul | München

    Akhanli | Selek | Hrant Dink – Termine in Köln | Istanbul | München

    Sehr geehrte Damen und Herren,
    liebe Freunde des KulturForum,

    auf die folgenden Termine in Köln, Istanbul und München möchten wir Sie gerne aufmerksam machen:

    Unter dem Motto „Freiheit geht nur gemeinsam“ findet am 5. Februar um 19 Uhr in der Alten Feuerwache
    in Köln ein Abend mit Dogan Akhanli, der türkischen Soziologin Pinar Selek und Murat Cakir,
    Rosa-Luxemburg-Stiftung Hessen, statt; das Gespräch wird moderiert von dem Journalisten Albrecht Kieser.

    Der Prozess gegen Pinar Selek wird am 9. Februar in Istanbul fortgesetzt. In Berlin findet am 7. Februar in den Räumen der Heinrich-Böll-Stiftung hierzu eine Pressekonferenz statt. Der Kölner Autor Günter Wallraff wird an der Pressekonferenz teilnehmen und als Prozessbeobachter nach Istanbul reisen.

    Am 7. Februar wird der Prozess im Mordfall Hrant Dink in Istanbul fortgesetzt. Im Januar hatten mehrere tausend Menschen in Istanbul des vor vier Jahren ermordeten armenisch-türkischen Journalisten Hrant Dink gedacht und eine rückhaltlose Aufklärung des Verbrechens gefordert. Zu Gedenkveranstaltungen in Köln und Berlin kamen mehrere hundert Menschen.

    Vom 7.-11. Februar finden an der Ludwig-Maximilians-Universität in München zum zweiten Mal Armenische Tage statt – mit Diskussionen, einem Oral History Project und Filmvorführungen.

    Mehr Informationen unter: www.das-kulturforum.de

    Mit herzlichen Grüßen
    Ihr KulturForum-Team

  • Burka-Verbot in der Stadtverwaltung

    Burka-Verbot in der Stadtverwaltung

    Frankfurt & Islam
    Burka-Verbot in der Stadtverwaltung
    Eine Mitarbeiterin der Stadt Frankfurt will mit Ganzkörperschleier zur Arbeit erscheinen. Notfalls soll das Tragen einer Burka per Gerichtsbeschluss verboten werden.

    (…)

  • Türkei begeht Holocaust-Gedenktag erstmals

    Türkei begeht Holocaust-Gedenktag erstmals

    27. Januar 2011
    Türkei begeht Holocaust-Gedenktag erstmals

    … in der Türkei (wurde) der Holocaust-Gedenktag erstmals mit einem offiziellen Akt begangen. Zu der Feierstunde am Donnerstag wurde unter anderen der Gouverneur von Istanbul, Avni Mutlu, erwartet. Die Regierung in Ankara erklärte, die Türkei werde weiterhin der Opfer des Nationalsozialismus gedenken. Es gelte, Lehren aus dem Holocaust zu ziehen und Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus zu bekämpfen.

    Seit Monaten sind die Beziehungen zwischen der Türkei und Israel wegen des israelischen Angriffs auf eine Gaza-Hilfsflotte angespannt. Elitesoldaten der israelischen Marine hatten am 31. Mai 2010 neun Aktivisten an Bord der „Mavi Marmara“ getötet, nachdem diese sich geweigert hatten, das türkische Schiff in internationalen Gewässern zu übergeben. Ende Dezember hatte die türkische Regierung allerdings erklärt, mit Israel Frieden schließen zu wollen.

    Zuvor müsse sich die Regierung in Jerusalem allerdings für den Angriff entschuldigen und eine Entschädigung anbieten. Die Entscheidung Ankaras, den Holocaust-Gedenktag ausgerechnet dieses Jahr erstmals mit einem offiziellen Akt zu begehen, dürfte als weiterer Schritt gewertet werden, um die Spannungen zu überwinden.