Deutschland muss Zuwanderung endlich steuern

Statt Zustrom aus den Unterschichten zu fördern, sollte Deutschland Talente aus aller Welt anziehen. Dafür sind neue Werkzeuge nötig.

Im weltweiten Kampf um die besten Talente sollte Deutschland nicht nur Zuschauer sein, sondern aktiv werden

von Dorothea Siems

Wenn es um Zuwanderung und Integration geht, lügen sich die Deutschen gerne in die Tasche. Statt nüchtern Chancen und Probleme zu beleuchten, sind die Meinungsführer nahezu einhellig um politische Korrektheit bemüht. Dieser pawlowsche Reflex funktioniert auch jetzt wieder, nachdem der CDU-Innenpolitiker Peter Trapp Intelligenztests für Migranten gefordert hat: Allseits ist Empörung zu hören; kein Politiker will schließlich als ausländerfeindlich abgestempelt werden.

Sicherlich sind Intelligenztests kein probates Instrument, um Zuwanderung zu steuern. Dennoch ist die Forderung Trapps im Kern richtig. Deutschland muss endlich aufhören, Migration vor allem als soziale Aufgabe zu begreifen. Es geht vielmehr um die Sicherung des hiesigen Standorts. Angesichts der drohenden Überalterung brauchen wir Zuwanderer. Nötig sind jedoch kluge Köpfe und nicht bildungsferne Ausländer, die auf dem hiesigen Arbeitsmarkt nicht unterzubringen sind.

Bildungsniveau der Einwanderer über dem der Einheimischen

Klassische Einwanderungsländer wie Kanada oder Australien haben seit Jahrzehnten überhaupt kein Problem damit, Zuwanderung ausschließlich nach nationalen Eigeninteressen zu lenken. Ohne Ansehen der Rasse oder Religion sind die Fremden willkommen – jedoch nur, wenn es sich um qualifizierte Arbeitskräfte handelt. Für andere Menschen sind die Grenzen dicht.

Kein Intelligenztest, aber ein anspruchsvolles Punktesystem, das weit mehr als nur einen Sprachtest umfasst, sorgt für die zielgenaue Auswahl. Wer in diese Länder einwandert, steht in der Bildung deshalb in aller Regel über dem Durchschnitt der heimischen Bevölkerung. In Kanada trifft dies auf fast jeden Einwanderer zu, in Australien nach Angaben des Bremer Sozialwissenschaftlers Gunnar Heinsohn immerhin auf 85 Prozent der Migranten.

In Deutschland liegt dagegen das Bildungsniveau beim Gros der Zugewanderten unter dem Durchschnitt der einheimischen Bevölkerung. Und weil einfache Arbeit hierzulande Mangelware ist, richten sich viele der Migranten gezwungenermaßen im Sozialsystem ein. Während Deutschland mit viel Geld, aber wenig Erfolg versucht, seine Integrationsprobleme in den Griff zu bekommen, treten solche Schwierigkeiten in Kanada oder Australien selten auf. Dort sind die Ausländer oft von der ersten Stunde an ein Gewinn für die Volkswirtschaft und die Gesellschaft.

Kostenspielige Förderung ohne Erfolge

Die hiesigen Politiker vertrauen darauf, Migrantenkinder durch „frühkindliche Bildung“ fit für die Schule und später für den Arbeitsmarkt machen zu können. Doch auch Krippen, Kindergärten und Ganztagsschulen werden nur begrenzt erfolgreich sein, wenn Eltern ihren Kindern keinen Aufstiegswillen vermitteln und sie nicht zum Lernen anspornen. In der hiesigen Unterschicht – die keineswegs nur aus Migranten besteht – ist dies leider oft der Fall.

Schon heute besucht das Gros der ausländischen Kinder spätestens mit drei Jahren eine Kita. Die Deutschkenntnisse beim Schulbeginn sind dennoch oft verheerend. Solche Fakten bedeuten nicht, dass Förderung zwecklos ist. Doch realistischerweise sollte man sich eingestehen, dass es schon ein Erfolg wäre, wenn es mit der teuren Infrastruktur gelänge, den hohen Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss deutlich zu senken. Den in der Wirtschaft beklagten Mangel an Ingenieuren, Naturwissenschaftlern und Computerspezialisten wird Deutschland auf diesem Weg jedenfalls nicht beheben.

Zuwanderung kann unsere Probleme lösen

In der Debatte wird oft übersehen, dass die verschiedenen Ausländergruppen hierzulande sehr unterschiedlich integriert sind. Während Türken und Araber häufiger als andere auch in der dritten Generation noch nicht in der hiesigen Gesellschaft angekommen sind, gelangen die Kinder mit russischen, iranischen oder vietnamesischen Wurzeln sogar überdurchschnittlich oft zum Abitur. Und auch unter den Türken sind diejenigen, die schon in ihrer Heimat eine gute Bildung genossen haben, in Deutschland erfolgreich.

Diese Arrivierten unter den Zugewanderten leiden darunter, dass die Deutschen sie oft mit den Hartz-IV-Ausländern in einen Topf werfen und sie entweder als Störenfriede oder als Opfer behandeln. Den internationalen Wettbewerb um Talente werden wir grandios verlieren, wenn wir nicht die Hochgebildeten im eigenen Land – gleich welcher Herkunft – mit guten Bedingungen zum Hierbleiben veranlassen.

Gleichzeitig muss Deutschland aktiv in Ländern wie Indien, Polen oder China um die Klugen werben und umgekehrt die Hürden für Unqualifizierte erhöhen. Richtig gesteuert, ist Zuwanderung kein Problem, sondern ein Teil der Lösung unserer Zukunftsprobleme.

Quelle: Welt