Die EU und die Türkei sind seit der Zollunion 1996 eigentlich schon verheiratet. Millionen Türken sind bereits in der EU. Wie in einer katholischen Ehe, die nicht geschieden werden kann, gibt es gute und schlechte Phasen. Aber keine Seite kann vom Tisch aufstehen und sagen, ich gehe.“ So beschrieb Gerald Knaus, Vorsitzender der Europäischen Stabilitätsinitiative „Politische Zukunft der Türkei“, bei den Gesprächen des Raiffeisen Wirtschaftsforums in Istanbul, das derzeitige Verhältnis.
Alper Hakan Yüksel von der Akbank TAS meinte, der EU-Beitritt der Türkei sei mehr eine politische als wirtschaftliche Frage. Die Wirtschaft könne mit der jetzigen Situation ganz gut leben. Es werde viel Zeit brauchen, die Vorbehalte gegenüber der Türkei abzubauen.
Das 80-köpfige Wirtschaftsforum der Raiffeisen-Landesbank Oberösterreich tagte dieses Jahr in Istanbul. Angeführt wurde es von Generaldirektor Ludwig Scharinger, Wirtschaftskammerchef, Christoph Leitl und dem Präsidenten der Industriellenvereinigung, Veit Sorger. Zum EU-Beitritt meinte Leitl: „Meine Botschaft ist, fürchten wir uns nicht vor der Türkei, sondern schließen wir eine Partnerschaft.“
Drei-Stufen-Plan
Die EU sollte sich nach seiner Vorstellung dreistufig weiterentwickeln. In eine vertiefte Kernunion mit einer gemeinsamen Wirtschafts-, Steuer-, Sozial- und Währungspolitik. In eine zweite Gruppe, der jene Staaten angehören, die bereits in der EU sind, aber nicht der Kerngruppe angehören. Und drittens in eine Wirtschaftsunion, die auch Länder wie Russland, die Ukraine, die Türkei und alle Mittelmeer-Anrainerstaaten umfassen. Diese Wirtschaftsunion sollte das europäische Gegengewicht zu den USA und Asien bilden. Scharinger appellierte – beeindruckt von der Wirtschaftsdynamik – die „stereotypen Wahrnehmungen“ über das aufstrebende Land zurechtzurücken.
via „EU und Türkei eigentlich verheiratet“ | kurier.at.