Eine andere Türkei

Eine andere Türkei
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Von Michael Herzog

Machen wir uns nichts vor. Die türkischen Löschflugzeuge haben das Feuer, das die Beziehungen zwischen der Türkei und Israel erfasst hat, nicht erstickt. Selbst wenn eine Formulierung gefunden werden sollte, die die Forderung der Türkei nach einer Entschuldigung und Entschädigung für die Opfer der Gaza-Flottille befriedigt, würden wir weiter mit einer von Grund auf problematischen türkischen Außenpolitik zurückbleiben.

Dies ist nicht die Türkei, die wir gekannt haben. Sie durchläuft einen Wandel, der sich in ihrer Außenpolitik ausdrückt: von einem zuverlässigen NATO-Mitglied und engem Verbündeten Israels hin zu einer Macht mit eigenständiger außenpolitischer Linie, die westliche Interessen hintertreibt, mit radikalen Akteuren flirtet und sich feindselig gegenüber Israel gebärdet.

Die Gründe hierfür sind vor allem anderen in der Eigenart der Führungsriege der „Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung“ zu suchen, die seit 2002 in der Türkei regiert. Es ist dies eine Führung mit einer „weichen“ kulturislamischen Weltanschauung, die vom säkular-kemalistischen Erbe abweicht und ein islamisches Solidaritätsgefühl auf dem internationalen Schauplatz pflegt. Auf dieser Grundlage hat der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu eine von wirtschaftlichen und außenpolitischen Ambitionen herrührende Doktrin entwickelt, die darauf angelegt ist, die Türkei zu einer dominanten Macht in ihren historischen Einflusssphären zu machen (eine Art „Neoottomanismus“) und auf dem Prinzip „Null Probleme mit den Nachbarn“ beruht.

All dies steht hinter Schritten wie der Annäherung der Türkei an Syrien und den Iran, dem Abstimmungsverhalten im UN-Sicherheitsrat gegen die Verhängung von Sanktionen gegen den Iran, dem Widerstand gegen die Anklage gegen den Präsidenten des Sudans wegen Völkermords in Darfur (Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan: „Undenkbar, dass Muslime einen Völkermord begehen“) oder dem – letztlich aufgegebenen – Widerstand gegen die Ernennung des früheren dänischen Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen zum NATO-Generalsekretär als „weiche“ Antwort auf die in der dänischen Presse veröffentlichten Mohammed-Karikaturen.

Israel ist das natürliche Opfer dieses Wandels gewesen. Das Feuer, dass nach der Operation Gegossenes Blei – vor dem Hintergrund einer volkstümlichen türkischen Identifizierung mit den Palästinensern – in den Beziehungen ausgebrochen ist, ist seither angesichts des auf der Stelle tretenden diplomatischen Prozesses noch angefacht worden. Auch Israel hat Fehler begangen, aber die türkische Gaza-Flottille war ein Ergebnis der Krise und nicht deren Grund.

So ist nur ein Schatten der einst prächtigen sicherheitspolitischen Zusammenarbeit übrig geblieben. Die Türkei hat ihre Teilnahme an dem NATO-Raketenabwehrprogramm davon abhängig gemacht, dass Israel die relevanten Informationen nicht zugänglich gemacht werden, und in der türkischen Denkschrift zu den nationalen Bedrohungen wird Israels Politik als Quelle der regionalen Instabilität bezeichnet, die türkische Interessen bedroht. Erdogan attackiert regelmäßig Israel und seinen Ministerpräsidenten, und gerade sieht es so aus, als werde er der Bitte von Mahmoud Abbas entsprechen, das Vorantreiben der Anerkennung Palästinas durch die europäischen Staaten anzuführen.

Möglicherweise hat die Türkei die Gelegenheit zu einer humanitären Geste – gegenüber dem israelischen Volk, nicht gegenüber der Regierung – wegen des Preises genutzt, den sie in ihrem Verhältnis mit den USA für ihre Wendung gegen Israel zu entrichten hat. Aber wenn Israel eine Versöhnungsgeste erwägt, sollte es das strategische Bild in den Blick nehmen und sich fragen, wohin die Dinge führen könnten – zu einer kosmetischen Änderung, die Erdogan vor den Wahlen im Juni 2011 auf dem internationalen wie heimischen Schauplatz helfen würde oder zu einer wirklichen Versöhnung, die eine Rückkehr zur Zusammenarbeit ermöglichen würde.

Die Türkei ist ein großer und wichtiger Staat, und man darf nicht auf Beziehungen mit ihr verzichten. Israel muss der Türkei jedoch, wenn es ihr die Hand reicht, klar machen, dass sie den Stab nicht von beiden Seiten anpacken kann – eine antiisraelische Position einzunehmen und gleichzeitig zu behaupten, nicht die Richtung geändert zu haben, und zwischen Israel und seinen Nachbarn vermitteln zu wollen.

Brigadegeneral d. Res. Michael Herzog war früher Stabschef des Verteidigungsministers und ist derzeit Fellow am Washington Institute for Near East Policy.

(Haaretz, 15.12.10)