Ein in Würzburg lebender Türke soll in seine Heimat abgeschoben werden. Gesetzlich hat die Stadt angeblich keine Spielräume. Landespolitiker sehen das anders. Vielleicht muss am Ende die Härtefallkommission des Innenministeriums entscheiden.
Hakan Cengiz kümmert sich seit Jahren in Würzburg um die Integration von Migranten. Der 29-Jährige organisiert Integrationskurse und unterstützt Eltern, die wegen Sprachproblemen nicht mit den Lehrern ihrer Kinder reden können. Cengiz kommt aus der Türkei. Dorthin soll er nach mehr als sechs Jahren in Franken abgeschoben werden.
Während sich die Stadt im Recht sieht und sich das auch gerichtlich bestätigen ließ, ist die Empörung bei Bürgern, Politikern, dem Ausländerbeirat und Weggefährten des 29-Jährigen groß. Denn nicht nur der Türke soll zurück in seine Heimat. Auch seine hochschwangere Ehefrau und sein zweijähriger Sohn müssten Würzburg vier Monate nach der Entbindung verlassen.
Vorbild für alle Migranten
Der Fall ist verzwickt: „Ich bin für ein Studium hergekommen“, erklärt Cengiz, der zu Hause nicht politisch verfolgt wurde. Nur dafür erhielt er eine Aufenthaltserlaubnis. Doch dann kam alles anders. Krankheit und Trauerfälle in der Familie, finanzielle Sorgen, die Heirat. „Ich habe viel Unterrichtsstoff verpasst“, sagt der Bauingenieur. Das Studium in Darmstadt hat Cengiz nicht beendet, stattdessen vor dreieinhalb Jahren eine Teilzeitstelle beim Förderverein Main-Bildung in Würzburg angenommen. Mehr darf er derzeit laut Gesetz nicht arbeiten.
Beim Förderverein Main-Bildung engagiert sich Cengiz für die Integration von Türken in Würzburg.
(Foto: dpa)
Bei dem Verein wird vor allem das Organisationstalent des Türken geschätzt. „Außerdem waren die Sprachkenntnisse von Herrn Cengiz im Türkischen und Kurdischen von enormer Wichtigkeit, um die entsprechenden Bevölkerungsgruppen anzusprechen“, erklärt Vereinsgeschäftsführer Ismail Temel. Er will den 29-Jährigen gerne voll einstellen. „Er gehört zu unseren wichtigsten Mitarbeitern, daher garantieren wir Herrn Cengiz einen Job und ein entsprechendes Gehalt.“ Der Familienvater sei ein Vorbild für alle Migranten.
Stadtverwaltung verlangt Studiennachweise
Doch die Stadt sind angeblich die Hände gebunden. „Herr Cengiz konnte trotz wiederholter Aufforderungen der verschiedenen zuständigen Ausländerbehörden seit 2006 keine Nachweise über sein Studium vorlegen. Selbst naheliegende Dinge wie Vorlesungsmitschriften, Manuskripte, Bestätigungen von Dozenten oder Studienkollegen konnten nicht vorgelegt werden“, heißt es bei der Stadtverwaltung.
Der 29-Jährige gibt unumwunden zu, nur wenig Zeit an der Uni verbracht zu haben. Dass er aufgrund gesetzlicher Vorgaben nun gehen soll, versteht er sogar, dennoch: „Es gibt viele Leute, die sind seit 30 Jahren hier und können kaum Deutsch“, berichtet Cengiz. „Ich zahle meine Steuern, ich bin integriert in Deutschland.“
Verwaltungsgericht rät Prüfung
Cengiz lehrt Deutsch, ist ein Vorbild.
(Foto: dpa)
Die Integrationsleistung des Türken – für sich selbst und andere Migranten – erkennt auch das Verwaltungsgericht Würzburg an. Dort hatte der Familienvater gegen die Abschiebeentscheidung der Stadt geklagt. Das Gericht gab der Kommune zwar Recht. Zugleich könne die Stadt vielleicht prüfen, ob der Aufenthalt des Mannes nicht aus „humanitären Gründen“ zu sichern sei. Schließlich sei Cengiz in Würzburg familiär und beruflich verwurzelt.
Die Ausländerbehörde aber blieb hart: Cengiz soll gehen, weil aus ihrer Sicht die rechtlichen Voraussetzungen für seinen Aufenthalt nicht erfüllt sind. Die Stadt vollziehe Bundesrecht und habe keine Entscheidungsspielräume, heißt es.
Fall fürs Innenministerium
Landtagsabgeordnete der Region haben den Fall seit längerem im Blick. Günther Felbinger von den Freien Wählern etwa überlegt, den Fall der beim Innenministerium angesiedelten Härtefallkommission vorzustellen. Die Kommission besteht aus Vertretern der christlichen Kirchen, der Landesarbeitsgemeinschaften der freien Wohlfahrtspflege und der kommunalen Spitzenverbände. Sie arbeitet nicht auf Antrag des Betroffenen, sondern aus eigenen Erwägungen.
Auch Bürger protestieren gegen die drohende Abschiebung. „Endlich mal ein Türke, der sich hier einbringt, was arbeitet, sich integriert und solche Leute müssen dann gehen“, heißt es in einer Stellungnahme im Online-Forum der Tageszeitung „Main-Post“. „Mag sein, dass diese Entscheidung ungerecht ist, aber ein Richter muss sich an das Gesetz halten und nicht an die Gerechtigkeit“, schreibt ein anderer Leser und ergänzt: „Und dass viele Gesetze nichts mit Gerechtigkeit zu tun haben, das wissen wir doch alle.“
Angelika Röpcke, dpa
Zurück in die Türkei: Integrationsfachmann soll gehen – n-tv.de.