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Das verzerrte Bild der Deutschen
VON DANA SCHÜLBE – zuletzt aktualisiert: 09.09.2010
Berlin (RPO). Während sich die Gemüter um Thilo Sarrazins Thesen nur allmählich abkühlen, sorgen schon wieder neue Ereignisse für Unmut in der Welt. Erika Steinbach legt sich erneut mit den Polen an. Und die Kanzlerin bemüht sich um Weltoffenheit, erntet dafür aber von muslimischer Seite Kritik. Die Häufung solcher Ereignisse verzerrt das Bild der Deutschen im Ausland.
„Die Welt zu Gast bei Freunden“ – so begrüßte Deutschland im Jahr 2006 zur Fußball-Weltmeisterschaft seine Besucher. Und konnte damit punkten. Denn das riesige Fan-Fest von Hamburg über Berlin bis Stuttgart gab dem Image der Bundesrepublik einen gehörigen Auftrieb. Die Deutschen können feiern, sind lustig – und eben auch aufgeschlossen gegenüber anderen Nationen.
Doch das Bild der Deutschen hat durch die jüngsten Äußerungen einiger Politiker stark gelitten. Gerade die Thesen von Noch-Bundesbankvorstand Thilo Sarrazin haben nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland für Aufruhr gesorgt. So bezeichneten ihn etwa viele türkische Zeitungen als „Rassisten“.
Das Ansehen in der Welt schien so stark in Mitleidenschaft gezogen zu sein, dass sich Kanzlerin Angela Merkel sogar dazu verleitet sah, ein Interview in der türkischen Zeitung „Hürriyet“ zu geben, um sich von Sarrazins Äußerungen zu distanzieren.
Medienpreis für Karikaturisten
Die Diskussion um die Integration ebbt derweil nicht ab – und sie ist sicherlich auch nötig. Doch die Gemüter haben sich noch nicht einmal beruhigt, da weht schon wieder ein rauer Wind. Hintergrund ist die Verleihung eines Medienpreises durch Merkel an den dänischen Mohammed-Karikaturisten Kurt Westergaard, mit dem sie eigentlich ein Zeichen für die Pressefreiheit setzen wollte.
So warf der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, gegenüber unserer Redaktion Merkel einen Mangel an „interkultureller Kompetenz“ vorgeworfen. „Natürlich muss die Pressefreiheit verteidigt werden, aber der Zeitpunkt der Preisverleihung war mehr als unglücklich“, sagte Kolat. Damit werde die aktuelle, von Thilo Sarrazin angestoßene muslimfeindliche Debatte weiter befeuert.
Und auch vom Zentralrat der Muslime in Deutschland kommt Kritik. „Damit wird nur wieder Öl ins Feuer gegossen“, sagte der Vorsitzende Ayyub Axel Köhker der „Mitteldeutschen Zeitung“. Mit der Auszeichnung gebe Merkel der Islamfeindlichkeit neue Nahrung.
Es ist bekannt, dass die muslimische Welt sehr empfindlich auf Westergaards Zeichnungen, die unter anderem den Propheten Mohammed mit einer Bombe im Turban zeigten, reagiert. Ob die Ehrung gerechtfertigt ist oder nicht, spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle.
Empörung über BdV-Funktionäre
Doch damit nicht genug. Während Sarrazin über Migranten und Juden herzieht und die Auszeichnung Westergaards für Ärger sorgt, legt nun auch noch der Bund der Vertriebenen und deren Vorsitzende Erika Steinbach nach. Die Funktionäre Arnold Tölg und Hartmut Saenger sorgten für Empörung in der Union. So hatte Tölg etwa davon gesprochen, dass Polen bereits im März 1939 mobil gemacht hatte und der deutsche Angriff auf Polen nur der zweite Schritt gewesen sei.
Und Steinbach nahm die beiden in Schutz, legte sogar noch nach. Nach einem Bericht der „Welt“ bestätigte sie, dass sie in der Vorstandssitzung der Unionsfraktion gesagt habe: „Und ich kann es auch leider nicht ändern, dass Polen bereits im März 1939 mobil gemacht habe“ Sie legte demnach aber Wert darauf, dass sie damit nicht die Kriegsschuld Deutschlands bestreiten wollte.
Und dennoch haben die Äußerungen der BdV-Funktionäre mehr als nur ein kleines Geschmäckle. Denn Fakt ist: Tölg greift mit seiner Aussage die Argumentation und Rechtfertigung Hitlers für den Einmarsch am 1. September 1939 in Polen auf. Ein Umstand, der nicht nur die Polen aufhorchen lassen wird.
Fakt ist, dass Hitler angebliche Schüsse Polens auf deutschem Territorium inszenierte, um der Wehrmacht einen Grund zu geben, in das Land einzumarschieren. Denn ihm fehlte noch ein Anlass, um den Krieg, der Millionen tötete und der mit diesem Überfall begann, zu starten.
Ein skeptischer Blick auf die Republik
Dementsprechend wird durch die Äußerungen das Verhältnis zu Polen nicht besser. Denn schon die Diskussion um die Berufung Steinbachs in die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung hatte für ein angespanntes Verhältnis mit den Nachbarn gesorgt. Und so ist auch diesmal zu erwarten, dass die polnische Seite mit Empörung reagieren wird.
Aber genau das kann Deutschland nicht gebrauchen. Und auch wenn Sarrazin und Steinbach zunächst nur als Einzelstimmen vernommen werden, so haben die letzten Tage gerade im Fall des Bundesbank-Vorstands gezeigt, wie sehr populistische Äußerungen doch ihre Wirkung in der Bevölkerung ausbreiten. Dabei sollte eigentlich in Richtung Zukunft geschaut und die Probleme der Integration auf politischem Wege gelöst werden – ohne weitere Ressentiments hervorzurufen.
Dass das Ausland dementsprechend mit Argwohn und Skepsis auf die Geschehnisse in der Bundesrepublik schaut, ist nicht verwunderlich – und sollte auch zu denken geben. Denn alle Bemühungen um Toleranz, Kampf gegen Rechts und Integration werden dadurch in den Schatten gestellt und weniger wahrgenommen, als sie es sollten.
Der Blick zurück auf falsche historische Argumentationen und die populistische Darstellung von gesellschaftlichen Problemen wirft daher Deutschland einen gewaltigen Schritt zurück in der Bemühung, das zeigen zu wollen, was die Bundesrepublik in großen Teilen ist – nämlich weltoffen und tolerant.
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