Türkei: Warum Istanbul ein Paradies für Straßenkatzen ist

Andere Länder, andere Sitten: In Deutschland haben viele Familien Haustiere, in der Türkei ist das weitaus seltener der Fall. Dafür kümmern sie sich um die Straßentiere, als wären es ihre eigenen. Von Boris Kalnoky

© picture alliance/Rainer Hackenbe Tierlieb: Manche Istanbuler, wie dieser Teppichhändler, spielen mit den Katzen wie Kinder

Morgens gegen neun Uhr, wenn die Ladenbesitzer in der Galip-Dede-Gasse ihre Läden aufschließen, kommen Dutzende Katzen wer weiß woher. Sie wissen, dass es gleich Frühstück gibt. Noch nicht sofort, denn die Männer fuhrwerken erst einmal in den Regalen rum, packen Kisten aus, checken die Kasse.

Aber dann stellen sie den Katzen, die bis dahin geduldig und aufmerksam gewartet haben, Wasser auf den Gehweg und verstreuen großzügig Trockenfutter. Danach trinken sie ihren Morgentee, vor ihren Läden stehend, und plaudern miteinander über die schmale Kopfsteinpflasterstraße hinweg. Manchmal spielen sie wie Kinder mit den Tieren, necken sie, streicheln sie.

Es ist die Tageszeit, da ich meine Tochter schon in die Schule gebracht, auf der Istiklal-Straße einen Kaffee getrunken und die Zeitungen gelesen habe und langsam nach Hause schlendere. Immer wieder staune ich über die tierliebe Kultur der Istanbuler – und über die vielen Straßenkatzen.

Vor einigen Sommern war es extrem heiß, in ganz Istanbul lief eine Kampagne an, über Radio und Internet: Jeder möge für die Tiere Wasser vor die Haustür stellen. Viele Tausend Menschen nahmen sich den Appell zu Herzen, überall stand tatsächlich Wasser an den Straßen, in Plastikschalen oder Joghurtbechern.

Die Istanbuler mögen die vielen Katzen auf ihren Straßen

Touristen lieben die Moscheekatzen

Andere Länder, andere Sitten: In Deutschland haben viele Familien Haustiere, in der Türkei weitaus seltener. Dafür kümmern sie sich um die Straßentiere, als wären es ihre eigenen.

Besonders vor manchen Moscheen. In der Galip Dede (die Straße ist eine der beliebtesten Spazierrouten in der Innenstadt) sind die Moscheekatzen inzwischen zu einer regelrechten Attraktion geworden, massenhaft gestreichelt und fotografiert von Touristen.

Dieses Jahr haben die Istanbuler ihren Straßenkatzen zum ersten Mal richtige Kuschelkisten für Katzenbabys hingestellt, darin ziehen die Straßenkatzenmamis ihre Kleinen groß, und die Menschenkinder haben ihre Freude daran, laufen vom Spielplatz herüber und knuddeln die kleinen Wollknäuel.

Vom Metzger gibt es Futter

Es sind nicht nur Katzen, die ihre Fans unter Anwohnern und Touristen haben. Am Galataturm, der Mittelpunkt meiner persönlichen kleinen Welt enger Gassen und alter Häuser, hat neben den Katzen auch ein Hunderudel sein Revier.

Jeden Morgen wirft ihnen der Metzger nebenan einen riesigen Rinderknochen hin, daran mühen sie sich dann stundenlang ab. Danach liegen sie träge herum und lassen sich nicht stören, wenn man über sie steigt oder fotografiert.

Es ist eigentlich für alle Beteiligten eine angenehme Lösung: Die Menschen können das tun, wozu man sich Haustiere hält, nämlich sich um sie sorgen und den Alltag mit allerlei Schabernack etwas lustiger und freundlicher machen. Und die Tiere haben genug zu essen, sie wissen, zu wem sie gehen können.

Aber sie haben sehr viel mehr Freiheit und vielleicht ein sehr viel interessanteres, wenngleich wohl auch etwas härteres Leben, als wenn sie in eine kleine Wohnung oder einen Vorgarten gesperrt wären, wie bei uns in Deutschland.

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