Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu hat die Aufklärung der Mordserie mit dem Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan zur Chefsache erklärt. Er lehnt zudem den Begriff „islamischen Terror“ entscheidend ab und will auch keinen Dialog mit Kreisen, die diese Begriffe verwenden.
Ahmet Davutoglu ist im Rahmen seines Deutschland-Besuchs im Berliner Türkeihaus mit Vertretern der türkischen Community zusammen gekommen. In seiner Rede unterstrich der Minister in Zusammenhang mit den rassistischen Morden in Deutschland, dass niemand von „christlichem Terror“ rede, deshalb lehne er Kreise ab, die als Vorwand von „islamischem Terror“ bzw. „islamistischem Terror“ sprechen.
Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu hat zudem die eingeladenen Gäste über das Gespräch mit Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich unterrichtet. Danach habe Hans-Peter Friedrich bei der Unterhaltung betont, dass er gegen den rechten Terror bzw. gegen den islamischen Terror genauso vorgehen wolle. „Daraufhin habe ich geantwortet: Einen Moment bitte! Genau da liegt das Problem. Wir reden bereits über eine Stunde miteinander. Ich habe bei diesem Gespräch die Terroristen niemals als christliche Terroristen bzw. als deutsche Rassisten bezeichnet. Jedesmal wenn Sie von islamischem Terror sprechen, schießen Sie einen Pfeil in die Herzen der Muslime. Diese Krankheit ist auf den 11. September zurückzuführen“, so Davutoglu wörtlich. Ahmet Davutoglu will sich an die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wenden, damit dieser Begriff als offizielle Bezeichnung nicht mehr verwendet wird.
„Nachdem ich hier in Deutschland mit Opferfamilien gesprochen habe, konnte ich zwei Nächte lang nicht schlafen. Es reicht, das kann nicht so weitergehen. Die Morde in Deutschland müssen von der deutschen Seite lückenlos aufgeklärt werden. Von nun an werden wir mit dem Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan die Sache persönlich verfolgen“, sagte Davutoglu.
via Davutoglu hat Serienmorde zur Chefsache erklärt! | SABAH AVRUPA – Die Türkische Tageszeitung..
Kommentare
Eine Antwort zu „Davutoglu hat Serienmorde zur Chefsache erklärt!“
Wie konnte das passieren …
(siehe auch
Manchmal denke ich, dass ich schlafe und mich bald jemand zwickt und sagt: „Aufwachen – Du träumst!“
Seit vielen Jahren höre ich immer wieder von mehr oder weniger brutalen neonazistischen Angriffen, mehr oder weniger stark begleitet von den verschiedensten Kommentaren, jedes Mal gefärbt von entweder klammheimlichem Verständnis für die Motive der Täter oder demonstrativ vehement geäußertem Unverständnis nach dem Motto: „Wie konnte das passieren?“
1990 wurde in Brandenburg: Amadeu Antonio von mehreren „Jugendlichen“ zu Tode geprügelt.
1992 wurden in Rostock-Lichtenhagen Wohnungen von Ausländern in Brand gesteckt, und draußen johlte eine Menschenmenge, einem Kamerateam und Bewohnern gelang in letzter Minute die Flucht über das Dach (die Feuerwehr kam zu spät), eine Würstchenbude verkaufte Snacks für die Meute.
1993 verlor in Solingen Mevlüde Genç ihre drei Töchter und zwei ihrer Enkelkinder bei einem Brandanschlag auf ihr Haus ).
In diesen beiden Jahren brannte fast jeden Tag ein Heim für Asylbewerber, Obdachlose oder Behinderte, Menschen, die auf der Straße schliefen, wurden angezündet.
Immer und immer wieder passierten die entsetzlichsten Verbrechen: Ouri Jalloh verbrannte unter noch immer nicht vollständig aufgeklärten Umständen in einer Gefängniszelle.
Seit 1998 unterstützt die Amadeu Antonio Stiftung Projekte gegen Rechtsextremismus und Rassismus; das Interview mit der Geschäftsführerin Anetta Kahane spricht Bände ).
Panorama berichtete am 7. August 2008 über „Jeden Tag Nazi-Gewalt – alle schauen weg“ ), und am 10. Februar 2011 über „Sieg Heil in der Provinz – Die Politik des Wegschauens“ .
Jetzt ist nur von Thüringen die Rede, vorher war es Sachsen, und während der Fußballweltmeisterschaft gab es „no go-areas“, ganze Landstriche, vor deren Betreten man ausländische Besucher ausdrücklich warnte: ein deutsches Sommermärchen!
Nachdem von zahlreichen Grabschändungen in skandinavischen Ländern zu lesen war, kam es zum „Oslo-Massaker“ ): Ein Rechtsextremist tötete planmäßig 77 Menschen, darunter 69 Teilnehmer eines multikulturellen Jugendcamps der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Norwegens und wurde tatsächlich in mehreren Berichten als „harmlos aussehend“, weil „blond und blauäugig“ beschrieben.
Erst vor wenigen Wochen, am 7. November, verbot das Verwaltungsgericht Düsseldorf eine rechtsextreme Kundgebung am Gedenktag der Reichspogromnacht ): Die Kundgebung „Frei, sozial und national! Gegen antifaschistische Hetze und Presselügen“ durfte nicht „am Abend des 9. November 2011 und vor 10.00 Uhr am Folgetag“ stattfinden und war „stattdessen auf einen Zeitraum außerhalb des Gedenktages für die Opfer des Nationalsozialismus in der Reichspogromnacht zu verlegen“. Unter dem Aktenzeichen Az. 18 L 1668/11 heißt es: „Zur Begründung hat sich das Gericht der Auffassung des Polizeipräsidiums angeschlossen, dass die Durchführung dieser Kundgebung ausgerechnet am Gedenktag zur Reichspogromnacht eine Provokation und Herabwürdigung der Opfer des Nationalsozialismus wäre, wogegen der Veranstalter seine Kundgebung auch an einem anderen Tag realisieren könne.“
„Wir haben Euch was mitgebracht: Haß, Haß,Haß!“, rufen rechtsradikale Demonstranten, und ihre (potentiellen) Opfer fragen sich, woran sie noch glauben können.
Helmut Roewer ist Chef des Thüringer Verfassungsschutzes und hat gut bezahlte V-Leute mit besten Kontakten „in die Szene“: 200 000 (in Worten: zweihunderttausend) Euro wurden an einen V-Mann in der NPD-Spitze gezahlt, der das Geld in Propaganda für die NPD steckte, und André Schulz vom Bund deutscher Kriminalbeamter sagt: „Ich gehe davon aus, dass der Verfassungsschutz mehr wusste“.
In den letzten zehn Jahren hat die deutsche Gesellschaft sich den „islamistischen Terrorismus“ zum Lieblingsfeind erkoren, und viele „Türken“ [darunter auch christliche Armenier, Aleviten aus Dersim ) u.v.a.m.] können Lieder davon singen, was das für viele Menschen bedeutet.
Rechtsextremismus ist nichts Neues: Er ist unter den Augen von Verfassungsschutz und Justiz gewachsen und von vielen nach Kräften ignoriert oder toleriert worden.
Die Vorsichtsmaßnahmen am 9. November bei der Gedenkfeier in der Kölner Synagoge waren ebenso wenig überraschend wie die vielen neonazistischen Provokationen, Übergriffe und Verbrechen.
Meine Bewunderung gilt allen, die diesem Rechtsextremismus tagtäglich ihre Stirn bieten, die erhobenen Hauptes denen begegnen, die Angst und Schrecken verbreiten wollen. Denn Terror findet hauptsächlich in den Köpfen statt. Rechtsextremismus lebt wie jede Art des Terrorismus von der Angst. Gewalttäter wollen einschüchtern, und gegen diese Verbrecher hilft nur Zivilcourage und Solidarität mit allen, die zu Opfern geworden sind oder zu Opfern werden sollen.