Türkei-Investments: Nach der Wahl ist vor der Wahl

Die Wahlen sind gelaufen und bescherten dem türkischen Premierminister Recep Erdogan eine deutliche Mehrheit. Nun muss er beweisen, dass er den wirtschaftlichen Erfolgskurs halten kann. Und genau das wird schwieriger – nicht zuletzt wegen des „heißen Geldes“.

Istanbul/Hamburg – Die Zahl, auf die alle gewartet hatten, wurde vor einer Woche um kurz vor 23 Uhr vermeldet – auf etwas über 49 Prozent kam die Partei Recep Erdogans. Nicht das Wahlergebnis, was der türkische Premierminister sich für seine AKP erhofft hatte. Aber auch nicht das Wahlergebnis, was Gregor Holek befürchtet hatte.

REUTERS Jubel nach dem Wahlsieg der AKP: Investoren erwarten Kontinuität

Holek ist Fondsmanager bei Raiffeisen Capital und verantwortet mit dem Emerging Markets Equities einen Fonds, der das Geld seiner Anleger auch in der Türkei investiert. „Die politische Stabilität ist, wie erwartet, gesichert“, sagt er mit Blick auf die Wahl vor einer Woche. „Kontinuität und Berechenbarkeit sind wichtige Faktoren für die wirtschaftliche Entwicklung von Schwellenländern.“ An der Börse zumindest wurde dieses Ergebnis erwartet – entsprechend hat sie kaum auf den Wahlsieg der AKP reagiert.

Die Zweidrittelmehrheit hat der Politiker also verfehlt. Sie war es gewesen, die auch Politwissenschaftler Atilla Yesilada befürchtet hatte. Denn, so seine Argumentation, dann hätte Erdogan freie Hand gehabt, die Verfassung zu ändern und eine Art Präsidialdemokratie zu errichten. Das ist ihm mit diesem Wahlergebnis nicht möglich. Und er kann sich den türkischen Problemen widmen.

Von denen gibt es mehr, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Denn all das, was die Türkei bislang ausgezeichnet hat, könnte ihr nun zum Verhängnis werden. Zum Beispiel das Wirtschaftswachstum des Jahres 2010 – um 9,2 Prozent wuchs die Wirtschaftslistung des Landes. Solche Zahlen sorgen dafür, dass viele Investoren auf das Land aufmerksam wurden und immer noch werden.

Und entsprechend schwappt einiges Geld in die Türkei, genauer, heißes Geld. Geld also, das ebenso schnell wieder abgesogen wird wie es in ein Land strömt.

Auch eine andere Facette des Wachstums könnte die Türkei bedrohen. Denn ein stetig steigender Binnenkonsum kann eine steigenden Inflation nach sich ziehen. Dabei ist eine robuste Binnennachfrage etwas, was ein Wirtschaftsgefüge grundsätzlich gegen exogene Schocks immunisiert. Das zeigte sich daran, wie die Türkei durch das Kabbelwasser der Finanzkrise pflügte – es war der Binnenkonsum, der es dem Land ermöglichte, Kurs zu halten. Denn die Türkei ist jung; der Altersdurchschnitt der Bevölkerung liegt aktuell bei 28 Jahren. Und junge Menschen neigen eher dazu, Geld auszugeben als ältere.

Außerdem hat das Land einen erheblichen Nachholbedarf. Während in Deutschland mehr als 500 von 1000 Menschen ein Auto besitzen, sind es in der Türkei nur etwas über 100. Private Schulden sind des weiteren in der Türkei längst nicht so verbreitet wie im Westen. Im Schnitt der Eurozone sind die Haushalte in Höhe von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschuldet, in der Türkei liegt diese Quote bei rund 10 Prozent. Das ist gut für den Binnenkonsum – eines Binnenkonsums, von dem sogar „annähernd alle Branchen profitieren“, wie Aziz Unan in einem Bericht schreibt. Unan ist, ebenso wie Holek, Fondsmanager und verwaltet den Griffin Ottoman Fund. Doch der steigende Binnenkonsum kann auch in Inflation münden. Das sieht auch Fondsmanager Holek so. „Die Rohstoffabhängigkeit sowie die weiterhin sehr dynamische Binnennachfrage bleiben Risikofaktoren für die längerfristige Preisstabilität.“

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