Monat: Dezember 2010

  • Beda Stadler über die nicht christliche Kultur Europas

    Beda Stadler über die nicht christliche Kultur Europas

    Bildquelle: FR-Online

    Die Weltwoche – Schweiz
    Beda Stadler über die nicht christliche Kultur Europas
    Eine europäische Leitkultur basiert vor allem auf griechisch-römischen Werten und weniger auf dem Christentum, meint der Professor an der Universität Bern Beda M. Stadler in der Wochenzeitung Weltwoche mit Blick auf die Sarrazin-Debatte: „Messen wir also die christliche Kultur an der Realität, an ihren geschaffenen materiellen Gütern und, als vielleicht wichtigstes Kulturgut, an der Anhäufung wissenschaftlicher Erkenntnis. Seit der kulturellen Wiege der Menschheit bei den Assyrern steigerten die darauf folgenden Hochkulturen der Ägypter, Griechen und Römer ihre Kulturleistungen. Was folgte darauf? Ein tausend Jahre währendes Kulturloch. Die Christen waren Meister im Schleifen von Vorgängerkulturen. Mancher Tempelfries ziert noch heute eine hässliche Kirchenfassade. Gemessen an dem, was vorher an Kultur vorhanden war, sind die ersten tausend Jahre Christentum eine Katastrophe, die erst mit der Aufklärung gestoppt werden konnte. Sogenannt christliche Kulturgüter entstanden erst dank neuer säkularer Werte, basierend auf Wissenschaft und Philosophie, welche bis heute unser Leben prägen. Die europäische Leitkultur baut somit weiterhin auf den Werten des einstigen Abendlandes, etwa der griechischen Philosophie und dem römischen Recht, nicht aber auf Judentum und Christentum.“ (01.12.2010)

    Quelle:

  • Gül bewertet Wikileaks Dokumente

    Gül bewertet Wikileaks Dokumente

    Staatspräsident Abdullah Gül hat eine erste Bewertung über die Wikileaks Dokumente abgegeben.

    In einem Interview für den türkischen Kanal der Euronews vermerkte Gül, dass Informationen veröffentlicht wurden, die eigentlich zum Teil angenommen werden könnten. Es sei notwendig, zu beobachten, was diese Informationen mit sich bringen. Laut dem Staatspräsidenten werde mit diesen veröffentlichten Dokumenten ein bestimmtes Ziel verfolgt.

    Staatspräsident Gül gab diese Erklärung vor seiner Reise nach Kasachstan ab. Dort wird Gül am Gipfeltreffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) teilnehmen.

  • Kölner Dähnepokal-Vorausscheidung erstmalig vom Satranç Club 2000 ausgerichtet und erfolgreich abgeschlossen!

    Kölner Dähnepokal-Vorausscheidung erstmalig vom Satranç Club 2000 ausgerichtet und erfolgreich abgeschlossen!

    Der ursprünglich von türkischstämmigen Schachfreunden gegründete, multikulturellen Schachverein Satranç Club 2000 hat zum ersten Mal die Ausrichtung der Kölner Vorausscheidung zum Dähnepokal übernommen. Durch diese und andere Aktivitäten zeigt der mittlerweile zu bundesweiter Bekanntheit gelangte Verein, dass er auch gerne ein Stück Verantwortung für die Schach-Allgemeinheit übernimmt und somit seinen kleinen, aber feinen Beitrag zur Integration in seinem bescheidenen Rahmen leistet.

    Dieses fünfrundige Turnier begann am 30. Oktober 2010 und hat am Samstag, den 27. November 2010 seinen Sieger gefunden. Es ist Schachfreund Stefan Proba von den Schachfreunden Ford-Köln. Er setzte sich im Finale gegen den Arnd Goldenstein vom Klub Kölner Schachfreunde durch.

    Der Ausrichter Satranç Club 2000 gratuliert beiden Finalisten zum erfolgreichen Wettbewerb und bedankt sich auch bei allen Teilnehmern und Helfern für die gelungene Veranstaltung.

    Das erhaltene positive Feedback zum Austragungsort und die sehr gute Leitung von Izzet Yilmaz und Edgar Hennig spornt uns weiterhin an.

    Bis zum nächsten Mal beim Satranç Club!

    Hier die Finalpartie:

    KSV-Dähne-Pokal (Finale) beim Satranç Club 2000

    1.d4 Sf6

    2.c4 e6

    3.Sc3 Lb4

    4.g3 0-0

    5.Lg2 d6

    6.Sf3 Lxc3+

    7.bxc3 De7

    8.0-0 Sbd7

    9.Sd2 e5

    10.e4 Sb6

    11.a4 a5

    12.h3 Le6

    13.c5 dxc5

    14.dxe5 Sfd7

    15.f4 f5

    16.Kh2 Tad8

    17.De2 Sb8

    18.exf5 Lxf5

    19.Se4 Le6

    20.Df2 Lc4

    21.Te1 S6d7

    22.Le3 b6

    23.Dc2 Tfe8

    24.Sg5 Sf8

    25.Le4 h6

    26.Sf3 Df7

    27.f5 Kh8

    28.e6 Df6

    29.Lf4 Sh7

    30.Lxc7 Sg5

    31.Sxg5 hxg5

    32.Lxd8 Txd8

    33.Tad1 Te8

    34.Ld5 Lxd5

    35.Txd5 Sc6

    36.g4 Kh7

    37.Dd2 Kh8

    38.De3 Kh7

    39.Td6 Se7

    40.De5 Dxe5+

    41.Txe5 Sc8

    42.Td7 Kg8

    43.Ted5 Kf8

    44.Tf7+ Kg8

    45.Tdd7 aufgegeben

    1-0

    Spielort: Satranç Club 2000 im City Hotel Köln am Neumarkt, Clemensstr. 8, 50676 Köln (www.satranc.de.vu)

    Bericht: Güven Manay, erster Vorsitzender des Satranç Club 2000

    Fotos: Christine Westphal, Mitglied des Satranç Club 2000

  • Langzeitstudie: Mehr Islamfeindlichkeit bei Reichen

    Langzeitstudie: Mehr Islamfeindlichkeit bei Reichen

    Die Bürgerlichkeit verroht, so das Fazit der Langzeitstudie „Deutsche Zustände“. Besonders gegenüber Armen und Muslimen steige die Aggressivität der Besserverdienenden.

    Die Feindseligkeit gegenüber in Muslimen in Deutschland nimmt zu, besonders bei Besserverdienenden. Das ist ein Ergebnis der neuen Ausgabe der Deutschen Zustände von Wilhelm Heitmeyer. Der Bielefelder Sozialwissenschaftler untersucht seit zehn Jahren in seiner Langzeitstudie Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Deutschland die Entwicklung und die Ursachen von Vorurteilen. „Islamfeindlichkeit ist konsensfähig, auch bei jenen, bei denen es bisher nicht zu erwarten war“, sagt Heitmeyer.

    Eine abwertende Haltung zeigt sich der Studie zufolge auch gegenüber sozial Schwachen. Die Hälfte der Besserverdienenden wertet Langzeitarbeitslose ab. Es steigt der Anteil der Reichen, die glauben, weniger zu haben, als ihnen gerechterweise zustehe.

    Heitmeyer kommt zu dem Schluss, das Bürgertum trage zu einer „Vereisung des sozialen Klimas“ bei. Die höhere durchschnittliche Bildung dieses Milieus wirke dem keineswegs entgegen. Heitmeyer spricht von einer „entsicherten wie entkultivierten Bürgerlichkeit“, die auch über „angeblich liberale Tages- und Wochenzeitungen“ verbreitet werde.

    Die sozialpolitischen Kernansichten des Milieus lauten: Abbau des sozialsstaatlichen Unterstützungsanrechts, stattdessen Gnade durch Wohlhabende und Selbstverantwortung der sozial Schwachen.

    Die Studie sieht auch negative Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die Zustimmung zur Demokratie. Das Verhältnis von regierender Politik und gesellschaftlichen Gruppen sei gestört. Der Anteil jener steige, die es für sinnlos halten, sich politisch zu engagieren. 34 Prozent der Befragten bezeichnen sich als zornig, weil sie sich von der Krise bedroht fühlen. Diese „Demokratieentleerung“ sei in unruhigen Zeiten gefährlich für die Akzeptanz des demokratischen Systems. Das zeige das zunehmende rechtspopulistische Potential.

    Seit 2008 deutet sich ein Anstieg von Antisemitismus an, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus stagnieren, doch das rechtspopulistische Potenzial wachse, vor allem wegen der Feindseligkeit der höheren Einkommensschichten. Und fast die Hälfte der Deutschen (49 Prozent) der Ansicht: „Es leben zu viele Ausländer in Deutschland.“

    Langzeitstudie: Mehr Islamfeindlichkeit bei Reichen | Politik | ZEIT ONLINE.

  • Und die Türkei hat recht

    Und die Türkei hat recht

    Enthüllungen: Wie aus den Wikileaks-Depeschen hervorgeht, mögen Europas Staatsmänner sie in der EU nicht haben

    Was Sarkozy nicht sehen mag: Türken vor dem Eiffelturm in Paris, der in den türkischen Nationalfarben erstrahlt. Foto: AFP
    Was Sarkozy nicht sehen mag: Türken vor dem Eiffelturm in Paris, der in den türkischen Nationalfarben erstrahlt. Foto: AFP

    Wenn die Europäer die Türkei nicht in der Europäischen Union haben wollten, dann sollten sie es laut und deutlich sagen. So lautet einer der Standardsätze in außenpolitischen Reden des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Damit beschreibt Erdogan den wachsenden Frust in seinem Land angesichts der abweisenden Haltung von EU-Staaten wie Frankreich, Deutschland oder Österreich nach fünf Jahren Beitrittsverhandlungen mit der Türkei.

    Die klaren Worte, die der türkische Premier fordert, kann er nun bei Wikileaks nachlesen: US-Vertreter haben in Gesprächen mit europäischen Diplomaten den deutlichen Eindruck gewonnen, dass die türkische Bewerbung hoffnungslos ist.

    Die USA treten seit langem – und häufig zum Ärger der Europäer – offen für eine türkische EU-Mitgliedschaft ein. Mit dem Beitritt Ankaras würde die Türkei noch fester im Westen verankert und zudem aller Welt zeigen, dass die Union der europäischen Demokratien kein Christenklub ist. Doch in Europa stieß Phillip Gordon, europapolitischer Abteilungsleiter im amerikanischen Außenministerium, in den vergangenen Jahren auf wenig Verständnis für die strategischen Visionen Washingtons.

    Besonders deutliche Worte sprachen die Franzosen. So sagte der französische Präsidentenberater Jean-David Levitte bei einem Treffen mit Gordon in Paris im September 2009, seine Regierung hoffe auf einen freiwilligen Verzicht der Türken. Dass die Türkei trotz aller Widrigkeiten die Voraussetzungen für einen EU-Beitritt erfüllt, mag offiziell das Ziel der Türkei-Verhandlungen in Brüssel sein – für die französische Regierung ist es ein Horrorszenario, wie Levitte erläuterte: Denn dann würde der türkische Beitritt in einer Volksabstimmung in Frankreich abgelehnt.

    Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy wird in den Depeschen als fast hysterischer Türkei-Gegner beschrieben. Aus Angst vor dem Groll ihres Chefs hätten Sarkozys Berater einmal sogar das Flugzeug des Präsidenten umgeleitet: Sarkozy sollte nicht den Eiffelturm sehen müssen, der an diesem Abend zu Ehren eines Besuches von Erdogan in Paris in den Nationalfarben der Türkei illuminiert wurde.

    Wie die Wikileaks-Berichte zeigen, gibt es aber auch ernstzunehmende Verärgerung in Europa über die Türkei. So notierten amerikanische Diplomaten Anfang dieses Jahres, die Europäer seien sauer darüber gewesen, dass sich die Türkei im Streit um die Wahl von Anders Fogh Rasmussen zum neuen Nato-Generalsekretär als »islamische Stimme« innerhalb der Allianz aufgespielt hätten. Für Europa-Anhänger in der Türkei sind die Wikileaks-Depeschen keine erfreuliche Lektüre.

    Aufgrund ihrer Kontakte mit EU-Vertretern glaubten die USA nicht mehr an einen EU-Beitritt der Türkei, analysierte die Istanbuler Politologin Beril Dedeoglu in der Zeitung »Today’s Zaman«. Die Europäer wollten die Türkei als Pufferzone benutzen, um sich Probleme in Ländern wie Irak, Syrien und Iran so weit wie möglich vom Halse zu halten. Gleichzeitig aber sollten die Türken in Bereichen wie Migration und Energie eng mit Europa zusammenarbeiten.

    Nicht nur die Amerikaner merken, dass dieses Konzept auf die Türkei abstoßend wirkt. Israelische Regierungsvertreter werfen den Europäern vor, die Türkei mit ihrer abweisenden Haltung auf einen pro-islamischen und anti-israelischen Kurs zu treiben. »Wenn Europa die Türkei herzlicher aufgenommen hätte, wäre die Türkei nicht bestrebt, ihr Ansehen in der arabischen und moslemischen Welt auf Kosten Israels zu erhöhen«, wird die israelische Seite in einem Treffen mit französischen Vertretern im vergangenen Jahr zitiert.

    Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel tragen nach den Beobachtungen amerikanischer Diplomaten in Ankara viel zur europapolitischen Enttäuschung in der Türkei bei. Doch auch in der türkischen Hauptstadt gibt es viele Vorbehalte. So stünden Teile von Erdogans Regierungspartei AKP dem Projekt EU-Beitritt skeptisch gegenüber, notierten die Diplomaten im Jahr 2004: Einige fromme AKP-Politiker befürchteten demnach, »dass die Harmonisierung (mit der EU) und die Mitgliedschaft den Islam und die damit verbundenen Traditionen in der Türkei verwässern könnten«.

    Trotz dieser Probleme und der westlichen Sorgen über eine mögliche Neuausrichtung der türkischen Außenpolitik in Richtung der islamischen Welt kamen die amerikanischen Diplomaten im Januar dieses Jahres zu dem Schluss, dass der »Kern« der türkischen Weltsicht nach wie vor von drei Faktoren bestimmt werde: von der türkischen Nato-Mitgliedschaft, von der Zollunion mit der Europäischen Union und von der EU-Bewerbung selbst.

    Demnächst werden die Türken diesen Kern ihrer Politik mit einem der prominentesten Türkei-Kritiker in der Europäischen Union erörtern können: Nicolas Sarkozy wird im Januar oder Februar in Ankara erwartet.

    Und die Türkei hat recht | Echo Online – Nachrichten aus Südhessen.

  • Debatte – Wowereit: Merkel leugnet die Realität bei der Integration

    Debatte – Wowereit: Merkel leugnet die Realität bei der Integration

    Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der Integrationsdebatte eine Ausblendung der Realität und Diffamierung vorgeworfen.

    Ihr Satz „Multikulti ist tot“ negiere vielfältige Beispiele gelungener Integration von Zuwanderern in Deutschland, sagte Wowereit am Donnerstag bei einer Podiumsdiskussion der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung zur Integrationspolitik. „Multikulti ist Realität, und Realität kann nicht scheitern“, betonte der SPD-Bundesvize. Der Satz der K…

    via Debatte – Wowereit: Merkel leugnet die Realität bei der Integration – Politik – Berliner Morgenpost – Berlin.

  • Gül: EU-Mitgliedschaft ist vorrangiges Ziel der Türkei

    Gül: EU-Mitgliedschaft ist vorrangiges Ziel der Türkei

    Nach Angaben von Staatspräsident Abdullah Gül ist die EU-Mitgliedschaft immer noch vorrangiges Ziel der Türkei.

    Doch sei die Rolle der Türkei in Zentralasien bedeutender geworden. In einem Reutersinterview in Astana sagte Gül, die EU-Mitgliedschaft der Türkei sei zu einem politischen Thema geworden. Anhand von künstlichen Hindernissen werde der Mitgliedschaftsprozess der Türkei hinausgeschoben. Ankara sei entschlossen die Vollmitgliedschaftsverhandlungen abzuschließen. Zudem sei die Türkei ein wichtiges Land im Energiekorridor und bilde eine alternative Energieroute für Europa. Die Türkei leiste auch Beiträge zu regionalen Probleme und bemühe sich zusammen mit Russland um die Lösung der Berg-Karabach-Frage.

  • Integration: Innenminister lädt Imame zum Gespräch ein

    Integration: Innenminister lädt Imame zum Gespräch ein

    Sie lehren den Islam in Deutschland, formen viele junge Muslime und sind deshalb ein Schlüssel zur Integration: die Imame. Nun lädt Innenminister Thomas de Maizière erstmals Imame zum Dialog ein.

    CDU-Innenminister de Maizière trifft Mittwoch in Bonn 15 Vorbeter zu einem informellen Gespräch, wie sein Ministerium in Berlin mitteilte. Die Imame sind allesamt in Deutschland tätig und gehören islamischen Organisationen an, die zur Deutschen Islam-Konferenz (DIK) gehören.

    In Deutschland sind den Angaben zufolge gut 2000 Imame in etwa 2600 Moscheegemeinden und weiteren Gebetsstätten tätig. „Imame tragen als Vermittler zwischen Moscheen und Öffentlichkeit, als Multiplikatoren im Integrationsprozess und bei der Verhinderung von Extremismus eine große Verantwortung“, erklärte das Innenministerium.

    Die Islam-Konferenz entwickelt zurzeit ein Konzept für die Fortbildung von Imamen, religiösem Personal und anderen Multiplikatoren in punkto Sprache und Gesellschaftskunde. Dieses Konzept wird auf dem nächsten DIK-Plenum im Frühjahr vorgestellt.

    nb/dapd

    via Integration: Innenminister lädt Imame zum Gespräch ein – Deutschland – FOCUS Online.

  • Erdogan: Strafverfolgung für US-Diplomaten

    Erdogan: Strafverfolgung für US-Diplomaten

    Türkischer Regierungschef erwägt gerichtliche Schritte

    Laut Erdogan sind die Wikileaks-Enthüllungen Lügen und Fehlinterpretationen.
    Laut Erdogan sind die Wikileaks-Enthüllungen Lügen und Fehlinterpretationen.

    Istanbul – Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan reagiert zunehmend gereizt auf die Wikileaks-Enthüllungen und erwägt nun gerichtliche Schritte. Ihm reiche eine Entschuldigung der US-Regierung für die von Wikileaks veröffentlichten kritischen Analysen zur Türkei nicht mehr aus, hieß es in den türkischen Medien am Donnerstag.

    Erdogan fordere eine Strafverfolgung von US-Diplomaten, die in ihren Berichten über angebliche Konten des Politikers in der Schweiz geschrieben hatten. Erdogan berate sich mit dem türkischen Justizministerium. Dies wurde als politisches Signal verstanden, auch wenn Aussichten auf eine Anklage verschwindend gering seien.

    Erdogan hatte am Vortag erklärt, die Berichte der US-Botschaft in Ankara über ihn und die Politik seiner Regierung seien voller Lügen und Fehlinterpretationen. Er bestritt insbesondere, Geld auf Konten in der Schweiz zu haben.

    Ein geheimes Schreiben vom Februar dieses Jahres befasst sich mit Bemühungen türkischer Firmen, Waffengeschäfte mit dem benachbarten Iran ungeachtet des Atomstreits abzuschließen. In den US-Unterlagen finden sich dazu genaue Angaben, die von türkischer Seite allerdings inzwischen bestritten wurden.

    Die Autoren der Berichte zeichnen ein Bild der Türkei, in dem islamistische Berater und Wirtschaftsleute zunehmenden Einfluss bekommen. Erdogan selbst informiere sich nur aus einer islamistisch geprägten Presse, kabelte die Botschaft. Er verlasse sich auf „Charisma, Instinkt und die gefilterten Informationen von Beratern, die Verschwörungstheorien aus dem Netz ziehen oder sich neo-osmanischen, islamistischen Fantasien hingeben“. (APA)

    Erdogan: Strafverfolgung für US-Diplomaten – Türkei – derStandard.at › International.

  • Istanbul: Boom am Rande Europas

    Istanbul: Boom am Rande Europas

    von Dirk-Hinrich Heilmann und Gerd Höhler

    Die Bevölkerung ist von 1993 bis 2007 um ein Fünftel gewachsen, auch dank eines Zuzugs aus Ostanatolien. Die Folgen der Asienkrise hat die Stadt ebenso weggesteckt wie das schwere Erdbeben des Jahres 1999.

    Istanbul: Die Stadt am Bosporus floriert. Quelle: Reuters
    Istanbul: Die Stadt am Bosporus floriert. Quelle: Reuters

    Istanbul ist heute jung, chic und konsumfreudig. Der Gegensatz zwischen den Minaretten der Moscheen und den modernen Glastürmen der Geschäftsviertel Levent und Maslak erzeugt Spannung.

    Ein Grund für den Boom am Bosporus ist die Lage der Stadt an der Nahtstelle zwischen Europa und dem Nahen Osten. Die Türkei hat sich in beide Richtungen geöffnet – der Handel mit der arabischen Welt und mit Russland ist in den vergangenen Jahren noch stärker gewachsen als der mit der Europäischen Union. Rund die Hälfte der türkischen Exporte stammen aus der Metropole Istanbul und deren Umland. Die Region ist für 27 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes verantwortlich.

    Istanbul ist vor allem ein Dienstleistungszentrum mit Finanzwirtschaft, Medien und Handels- und Logistikfirmen. Unter den Industriebranchen ragen Nutzfahrzeuge, Textilien und Nahrungsmittel hervor. Auch als Touristenziel gewinnt die geschichtsträchtige Metropole, die dieses Jahr eine der europäischen Kulturhauptstädte ist, an Beliebtheit. Bei Besuchern aus Europa und der Golfregion steht sie als „Partystadt“ hoch im Kurs.

    Auch wenn die Stadt von ihrer Drehkreuzfunktion profitiert, so ruhen die Hoffnungen für eine Fortsetzung des Booms zu großen Teilen auf dem florierenden Binnenmarkt. Die türkische Wirtschaft ist im ersten Halbjahr um elf Prozent gewachsen. Die Hälfte der Bevölkerung ist jünger als 30 und ihre Kaufkraft hat sich von 2002 bis 2008 verdreifacht. Gemessen am Pro-Kopf-Einkommen, liegt die Türkei weltweit bereits auf Rang 15 – vor allem dank des Booms am Bosporus. Die Bars und Basars sind dort entsprechend voll. Ein Ende des Wachstums ist nicht abzusehen – also drehen sich auch die Baukräne über der Stadt weiter.

    Istanbul: Boom am Rande Europas – Politik – International – Handelsblatt.com.

  • Türkische Tiraden

    Türkische Tiraden

    „Der König ist nackt“: Titel einer links-liberalen türkischen Zeitung.
    Bild: dpa

    Istanbul
    Türkische Tiraden

    Nach Wikileaks-Depeschen ist Premierminister Erdogan für die USA immer noch ein Rätsel – und die Welt für ihn.

    Wenn die Europäer die Türkei nicht in der EU haben wollten, dann sollten sie es laut und deutlich sagen: So lautet einer der Standardsätze in außenpolitischen Reden des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Damit beschreibt Erdogan den wachsenden Frust in seinem Land angesichts der abweisenden Haltung von EU-Staaten wie Frankreich, Deutschland oder Österreich nach fünf Jahren türkischer Beitrittsverhandlungen. Die klaren Worte, die der türkische Premier fordert, kann er nun bei Wikileaks nachlesen: US-Vertreter haben in Gesprächen mit europäischen Diplomaten den deutlichen Eindruck gewonnen, dass die türkische Bewerbung hoffnungslos ist.
    In den von Wikileaks veröffentlichten Memos der amerikanischen Botschaft in Ankara erscheint Erdogan außerdem als machthungriger und möglicherweiser korrupter Islamist und Israel-Feind. Doch amerikanische Diplomaten bezeichnen ihn auch als Reformer, Demokraten und als den besten Partner, den Washington sich in Ankara nur wünschen kann. Nach fast acht Jahren als türkischer Regierungschef ist Erdogan für die westliche Führungmacht USA demnach immer noch ein Rätsel.
    Rund zwei Dutzend Depeschen aus der Ankaraner US-Botschaft von 2004 bis zum Februar dieses Jahres zeichnen den Weg Erdogans und seiner Regierungspartei AKP nach. Von Putschvorbereitungen gegen Erdogan ist die Rede – ein General sagte den Amerikanern im Jahr 2007, die Militärs hätten damals „leicht die Panzer rollen lassen können“. Das Verbotsverfahren gegen die AKP ein Jahr später erscheint aus US-Sicht als „Racheakt einer ungewählten und unkontrollierbaren Bürokratie“ gegen die Demokratisierungsversuche der religiös-konservativen Regierungspartei. Erdogan, so heißt es an einer Stelle, sei der einzige Politiker, der die Vision der USA von einer erfolgreichen, demokratischen und europäisch integrierten Türkei voranbringen könne.
    Doch so manche Depesche entwirft ein wesentlich finsteres Bild des türkischen Premiers. Für Erdogan drehe sich alles um ein Ziel: Macht. Er habe acht verschiedene Konten in der Schweiz und umgebe sich mit Ja-Sagern, die ebenso wenig von der Welt außerhalb der Türkei verstünden wie er selbst.

    Quelle:

  • Wehrpflicht bei Doppelstaatlern Im Gleichschritt – in die Türkei

    Wehrpflicht bei Doppelstaatlern Im Gleichschritt – in die Türkei

    Wehrpflicht bei Doppelstaatlern Im Gleichschritt – in die Türkei
    (© AFP)

    01.12.2010
    Von Roland Preuß
    Mit der Abschaffung der Wehrpflicht droht jungen Deutsch-Türken mit doppelter Staatsbürgerschaft der Wehrdienst im Land ihrer Eltern. Auch junge Deutsch-Griechen und Russlanddeutsche sind betroffen. Aber es gibt einen Ausweg.
    Für die meisten jungen Männer ist es eine feine Sache: Vom kommenden Juli an muss keiner mehr monatelang Panzer putzen und Kasernen bewachen, wenn er nicht will – die Wehrpflicht soll ausgesetzt werden. Doch nicht alle Jugendlichen haben Grund zum Jubeln: Wer neben dem deutschen Pass einen zweiten hat, den erwartet ein neues Problem: die Einberufung in seiner zweiten Heimat.

    Türkische Soldaten bei einer Militärzeremonie. Wenn die Wehrpflicht in Deutschland entfällt, könnten junge Deutsch-Türken mit doppelter Staatsbürgerchaft in der Türkei eingezogen werden.
    Bislang wird die Wehrpflicht von Doppelstaatlern meist durch gegenseitige Anerkennung geregelt. Wer in Deutschland lebt, muss in der Bundeswehr dienen, wird aber nicht noch einmal in der Türkei oder in Griechenland einberufen. So sehen es internationale Abkommen oder wenigstens die Praxis vor. Das Auswärtige Amt rät Deutsch-Griechen zum Beispiel, ihre Wehr- oder Zivildienstbescheinigung vorab dem griechischen Konsulat vorzulegen, damit der Ägäisurlaub nicht ungeahnt in der Kaserne verlängert werden muss. Doch mit dem Wegfall der deutschen Wehrpflicht entfällt diese Möglichkeit.
    Wie viele Doppelstaatler betroffen sind, lässt sich schwer sagen. Fachleute schätzen die Zahl der Doppelpass-Inhaber in Deutschland auf mehrere Millionen, allerdings trifft es nur die, deren Zweit-Staat noch an der Wehrpflicht festhält, wie etwa Griechenland, Zypern, Finnland, Russland oder die Türkei. Allein von den Deutsch-Türken werden in den kommenden fünf Jahren mehr als 10.000 volljährig und damit reif für eine türkische Kaserne.
    Durch die anatolische Steppe robben oder PKK-Guerilleros im Kurdengebiet bekämpfen – die Perspektive der Doppelstaatler ist wenig verlockend. Die türkische Armee ist für harten Drill bekannt, die Wehrzeit dauert zwischen acht und 15 Monate, einen Zivildienst gibt es nicht. Ähnliches gilt für die russische Armee, wo bereits zahlreiche Misshandlungen von Rekruten bekannt wurden. Die meisten Deutsch-Türken leisteten ihren Dienst denn auch in Deutschland ab, sagt Peter Tobiassen, Geschäftsführer der Zentralstelle für Kriegsdienstverweigerer (KDV). Doch dieses Ventil wird nun verschlossen. „Vermutlich berufen die Türken Tausende Doppelstaatler ein, die nicht mal richtig Türkisch können.“
    Ein paar Ausweichmöglichkeiten gibt es, immerhin. Die naheliegendste ist: Den ausländischen Pass abgeben. Die meisten Deutsch-Türken müssen sich nach deutschem Recht ohnehin bis zum 23. Lebensjahr für einen der beiden Pässe entscheiden, die Einberufung aus Ankara kann diese Entscheidung durchaus beschleunigen. Doch nicht alle Staaten entlassen ihre Wehrpflichtigen aus der Staatsbürgerschaft. Wer als „Fahnenflüchtiger“ gilt, dem tut man diesen Gefallen nicht. Jeder Besuch in der alten Heimat kann dann vor dem Richter enden. Manche Staaten wie die Türkei bieten ihren Ausgewanderten an, sich freizukaufen. Je nach Alter sind zwischen 5100 und 10.000 Euro zu zahlen. Dann schrumpft die Wehrpflicht auf einen dreiwöchigen Militärdienst in einer Brigadekommandantur in Südwestanatolien zusammen. Dieses Kopfgeld ist für viele junge Männer allerdings eine kaum erschwingliche Summe.
    Deutsche Stellen halten da andere Lösungsvorschläge bereit, je nachdem welche Seite man fragt: Die Betroffenen müssten sich dafür einsetzen, dass auch anderswo die Wehrpflicht abgeschafft wird, sagt Tobiassen vom KDV. Das Verteidigungsministerium dagegen verweist auf ein neues Angebot, das im Juli eingeführt werden soll: Jeder könne sich dann zwölf Monate oder länger freiwillig zum Wehrdienst melden.
    URL:

  • Migrantenkinder sind extrem lernfreudig

    Migrantenkinder sind extrem lernfreudig

    Schülerin: Schulbegeisterung von Einwanderern führt nicht zu guten Noten (Foto: pixelio.de/Schütz)

    Migrantenkinder sind extrem lernfreudig
    Bildungsforscher: „System Schule verhindert Umsetzung in Leistung“

    Entgegen gängiger Auffassungen sind Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund hoch lernmotiviert und haben tendenziell eine überaus positive Einstellung zur Schule. Es gelingt der Schule jedoch nicht, dieses Kapital in entsprechende Leistungen umzumünzen. Zu diesem Schluss kommt der Bildungsforscher Carsten Rohlfs von der Universität Jena

  • Er betete für die Juden

    Er betete für die Juden

    03.12.2010
    Er betete für die Juden
    Vor 135 Jahren wurde Dompropst Bernhard Lichtenberg geboren
    Von Heinrich Fink

    In der Unterkirche der Sankt Hedwigs Kathedrale in Berlin ist eine Seitenkapelle, die den Namen Bernhard Lichtenbergs trägt. Sie ist eine Gedenkstätte für die durch den Faschismus Ermordeten des Bistums Berlin, jene Unerschrockenen, die ihr Eintreten für »unwertes Leben« mit dem eigenen Leben bezahlten.
    Hier steht der schlichte Eichensarg von Dompropst Lichtenberg (Foto: dpa), der am 3. Dezember 1875 in Ohlau/Schlesien geboren wurde. Er studierte Theologie an den Universitäten Innsbruck und Breslau und wurde 1900 Kaplan in der damaligen Vorortsgemeinde Berlin-Lichtenberg. Hier lernte er den Alltag und das soziale Elend von Berliner Arbeitern und ihren Kindern kennen. Er verstand sich bald selbst als Anwalt der Ausgebeuteten.
    Von den Friedensbestrebungen Papst Benedict dem XV. beeindruckt und ermutigt, schloss er sich schon 1919 dem »Friedensbund Deutscher Katholiken« an und stand später an der Spitze des gemeinsamen Ausschusses des Friedensbundes und des Internationalen Versöhnungsbundes. Der Friedensbund befürwortete außenpolitisch den Völkerbund, die vertragliche Ächtung des Angriffskrieges im Kriegsvölkerrecht und eine europäische Friedensordnung auf der Basis des Versailler Vertrages von 1919. Er bekämpfte Militarismus und Nationalismus, besonders den Bau der Panzerkreuzer (1928), die Bildung von Wehrsportgruppen und die damals häufige strafrechtliche Verurteilung von Pazifisten als Landesverräter. 1933 wurde er wie andere pazifistische Organisationen verboten.
    Lichtenbergs Eintreten für Frieden und Gerechtigkeit brachte ihm schon vor der Wahl Hitlers zum Kanzler in Konflikt mit der NSDAP. Für ein Flugblatt mit einer Einladung des Friedensbundes zum Antikriegsfilm Remarques, »Im Westen nichts Neues», das er namentlich und mit vollem Titel unterschrieben hatte, wurde gegen ihn offen in der Presse gehetzt. »Prälat Lichtenberg verhöhnt unsere Gefallenen! Viehische Totenschändung! Katholisches Separatistenzentrum für Remarque-Film!«
    Als am 1. April 1933 die Nazis zum Boykott aller nichtarischen Geschäfte aufgerufen hatten, klärte Lichtenberg seine Gemeinde auf, dass dies nur der Anfang eines unmenschlichen Kesseltreibens gegen die jüdische Schwestern und Brüder sei.
    Am Abend nach der Pogromnacht, am 10. November 1938, betete Lichtenberg in der Hedwigskathedrale für die verfolgten, »nichtarischen« Christen und Juden. Er ermahnte seine Gemeinde: »Was gestern war, wissen wir. Was morgen ist, wissen wir nicht. Aber was heute geschehen ist, das haben wir erlebt: Draußen brennt der Tempel, das ist auch ein Gotteshaus.« Trotz Warnungen und Bitten seiner Gemeindeglieder, betete der nunmehrige Domprobst unerschrocken weiterhin öffentlich ausdrücklich für die verfolgten Juden. Am 23. Oktober 1941 wurde er verhaftet, von der Gestapo gequält und wegen »Kanzelmissbrauchs« und wiederholtem »Vergehen gegen das Heimtückegesetz« zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Lichtenberg bat, als katholischer Seelsorger ins Ghetto Litzmannstadt (Lodz) gehen zu dürfen. Am 5. November 1943 starb er auf dem Weg ins KZ Dachau. Sein Begräbnis in Berlin wurde zum stillen Protest gegen seine Mörder.
    URL:

  • Araber und Nazi-Deutschland

    Araber und Nazi-Deutschland

    Treffen von Adolf Hitler mit dem Antisemiten Al-Husseini: Die Geschichtswissenschaft bearbeitet seit 50 Jahren die Geschichte der Kollaborateure; die der arabischen Hälftlinge in deutschen Lagern ist aber noch nicht erzählt.

    Araber und Nazi-Deutschland
    Kollaborateure und Widersacher

    In den letzten zehn Jahren hat ein sensibles Thema zunehmend an Aufmerksamkeit gewonnen: Araber als „Täter im Holocaust“. Was wussten sie? Und wie viele handelten aus Überzeugung? Beide Fragen sind bis heute offen. Vielmehr ist das Thema selbst unter Historikern in den Strudel des Nahost-Konflikts geraten. Von Sonja Hegasy

    Treffen von Adolf Hitler mit dem Antisemiten Al-Husseini: Die Geschichtswissenschaft bearbeitet seit 50 Jahren die Geschichte der Kollaborateure; die der arabischen Hälftlinge in deutschen Lagern ist aber noch nicht erzählt. Selbst Wissenschaftler fühlen sich derzeit bemüßigt, moralische Klarheit über die Frage zu schaffen, ob Araber in Nordafrika in der Mehrheit Kollaborateure der Wehrmacht und der SS waren oder Widerstand leisteten. Mit Blick in lokale Zeitungen aus jener Zeit weiß man, dass Reaktionen in der arabischen Welt ähnlich unterschiedlich waren wie in Europa. Dies ist natürlich ein Gemeinplatz. Er scheint jedoch heute nötig, angesichts von Debatten, die einen historisch verankerten Antisemitismus in der muslimischen Welt für die Ursache des Nahost-Konfliktes halten und die Araber als willige (oder unwillige) Vollstrecker betrachten.

    Fragen, ob diese Helfer in der Mehr- oder Minderheit waren, können bisher nicht beantwortet werden, da nicht genügend Quellen erschlossen sind und die historische Forschung noch ganz am Anfang steht, um verallgemeinernde Aussagen zu treffen. Aus den zugänglichen Quellen wissen wir, dass es sowohl Kollaborateure gab, wie auch jene, die sich aktiv für den Schutz von Juden einsetzten.

    Doch um über die Reaktion von Palästinensern oder Ägyptern zu jener Zeit ein gesichertes Urteil fällen zu können, sind zwei Dinge nötig: Zum einen darf man keine kontrafaktische Geschichtsschreibung betreiben nach dem Motto, was wäre gewesen, wenn die Briten die Deutschen nicht aus Ägypten vertrieben hätten? Zum anderen sollten Wissenschaftler ihr Urteil nicht nur auf der Grundlage einseitiger Quellen fällen, wie die arabisch-sprachige Radiopropaganda aus Berlin.

    Arabische Häftlinge in Konzentrationslagern

    Viele arabische Quellen aus den 1930er und 1940er Jahren, wie Tageszeitungen, Kulturzeitschriften, Cartoons oder auch Memoiren, belegen eine erstaunlich weitsichtige Ablehnung des europäischen Antisemitismus und der Diskriminierung von Juden in Deutschland. Sie berichten über die deutschen Angriffe auf Nachbarländer als immanenten Bestandteil eines faschistischen Imperialismus, den die Araber durch den Aufstieg Mussolinis bereits kennengelernt hatten.

    Obwohl es zahlreiche Fälle gibt, in denen Araber das Leben ihrer jüdischen Nachbarn retteten, wird kein Araber in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem geehrt. Die Kollaboration eines notorischen Antisemiten wie Amin Al-Husseini, dem Mufti von Jerusalem, der Hitler unmittelbar nach der Machtergreifung der NSDAP seine aktive Unterstützung anbot, wird von der Geschichtswissenschaft seit rund 50 Jahren bearbeitet. Die Geschichte von arabischen Häftlingen in deutschen Konzentrationslagern wurde hingegen noch nicht erzählt. Heute tut man sich besonders schwer damit.

    Der Historiker Gerhard Höpp recherchierte die Schicksale muslimischer Araber in fast allen Archiven von Konzentrationslagern in Deutschland. Doch er verstarb im Jahr 2003 zu früh, um seine Ergebnisse veröffentlichen zu können.

    Mit dem Stillstand im Nahost-Konflikt in den letzten zehn Jahren wurden arabische Erfahrungen (jüdische wie muslimische!) im Holocaust endlos politisiert. Das „Museum zur Geschichte des Holocaust“ in Yad Vashem richtete eine neue Abteilung über die jüdischen Gemeinden in Nordafrika ein, weil ihre Schicksale in der Ausstellung bisher nicht thematisiert wurden. Yad Vashem widerstand jedoch der Politisierung und konzentrierte sich auf die Darstellungen der von Europäern in Nordafrika verübten Gräueltaten.

    Ein Araber als „Gerechter unter den Völkern“?

    Auch Robert Satloff, Direktor des Washington Institute for Near East Policy, machte sich auf die Suche nach der verlorenen Geschichte und entdeckte Fälle, in denen Araber das Leben ihrer jüdischen Nachbarn retteten. 2007 schlug er vor, den Tunesier Khaled Abdulwahab als ersten Araber in Yad Vashem als Gerechter unter den Völkern zu ehren.

    Verfeindete Verbündete: Deutschland und Italien lieferten sich im Zweiten Weltkrieg einen Wettlauf um nordafrikanische Territorien. Der Antrag wurde mit der Begründung abgewiesen, dass Abdulwahab sein Leben nicht hatte riskieren müssen, als er zwei jüdische Familien unterbrachte, deren Häuser durch die deutsche Besatzungsmacht konfisziert worden waren, weil er damit nicht gegen geltendes tunesisches Recht verstieß. Das eigene Leben riskiert zu haben, gilt als eine elementare Voraussetzung für den Ehrentitel.

    Diese Entscheidung entfachte eine rege Debatte zwischen Mordecai Paldiel, ehemaliger Direktor der Abteilung „Gerechte unter den Völkern“ in Yad Vashem, und seiner Nachfolgerin Irena Steinfeldt über das „Prinzip des persönlichen Risikos“. Paldiel plädierte für die Anerkennung Abdulwahabs als Gerechter, da einige Europäer bereits aufgrund der „Gefahr einer möglichen Bestrafung“ ausgezeichnet wurden. Doch bis heute wird kein Araber in Yad Vashem geehrt.

    Der Zweite Weltkrieg

    Wie alle französischen Kolonien und Protektorate, kamen auch Marokko, Algerien und Tunesien ab 1940 unter die Herrschaft des Vichy-Regimes. Sofort wurden auch in Übersee antisemitische Gesetze und Richtlinien eingeführt. Zum zweiten Mal entfaltete sich ein großer europäischer Krieg vor den Augen und Haustüren der Nordafrikaner. Deutschland und Italien lieferten sich einen Wettlauf um nordafrikanische Territorien.

    Ägyptisches Kulturmagazin Al-Risala: In der Zwischenkriegszeit wurde die Verfolgung der Juden in Deutschland hier schon frühzeitig aufs Schärfste kritisiert. (Mit freundlicher Genehmigung von Israel Gershoni) Der israelische Historiker Nir Arielli rekonstruierte einen im Juli-August 1940 entworfenen Plan der italienischen Regierung zur zukünftigen Aufteilung des Mittleren Ostens. Dazu nutzte er zwei Dokumente der Ufficio Operazioni der italienischen Armee.

    Dieser Plan sah nicht nur die italienische Dominanz über ihre „klassischen“ Hochburgen wie das Horn von Afrika, Libyen oder dem Tschad vor, sondern auch über den Nahen Osten; ein Plan, der mit Adolf Hitlers Vorstellungen für die Region deutlich kollidierte. Diese Aufteilungspläne wurden den regionalen Herrschern natürlich vorenthalten, um eine mögliche Zusammenarbeit mit den Aufständischen gegen die Briten und Franzosen nicht zu gefährden.

    Für die Unabhängigkeitsbewegungen stellte sich die Frage, welcher Macht man sich in der Hoffnung auf Unterstützung anschließen sollte. Im Kampf gegen Frankreich konnten sowohl England als auch Italien als mögliche Partner erscheinen. Viele schenkten den Versprechungen der Alliierten von Freiheit und Unabhängigkeit für alle Glauben. Die ägyptische Wafd-Regierung erwies sich bis zum Kriegsende als loyaler Partner der Briten. Andere Unabhängigkeitsbewegungen wiederum erhofften sich von den Achsenmächten, dass sie die britischen und französischen Kolonialisten aus der Region vertreiben würden.

    Natürlich spielten auch militärische Erfolge, wie Erwin Rommels rasanter Vormarsch auf El-Alamein eine Rolle bei der Entscheidung, welche europäische Macht gerade hoch im Kurs stand. Doch für die nationalen Bewegungen blieb die Erlangung nationaler Unabhängigkeit das erste Ziel.

    Angst vor dem Krieg

    Einige verstanden die faschistische Ideologie als eine Form von Ultra-Nationalismus und sympathisierten von dieser Warte aus mit den Italienern. Doch all das sagt noch nichts über die dahinter liegenden Überzeugungen arabischer Sympathisanten aus: Während einige Nationalisten unverblümte Antisemiten waren, hatten andere keine Zweifel an der rassistischen Natur des Faschismus und Nationalsozialismus. Sie waren entsetzt, wie sich das so aufgeklärte Deutschland solch einer „barbarischen Kriegerhorde“ (Ahmed Zayyat) hingeben konnte.

    Viele arabische Schriften berichten über die deutschen Angriffe auf Nachbarländer als immanenten Bestandteil eines faschistischen Imperialismus. Der Historiker Israel Gershoni hat eine Reihe ägyptischer Kulturmagazine aus der Zwischenkriegszeit untersucht, wie Al-Hillal (Der Halbmond) oder Al-Risala (Die Botschaft): Die Verfolgung der Juden in Deutschland wurde hier schon frühzeitig aufs Schärfste kritisiert.

    Wieder andere Teile der Bevölkerung waren vollkommen unpolitisch. Informationen über den Holocaust sickerten nur dürftig zur nordafrikanischen Bevölkerung durch. Und man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass viele, ebenso wie Mitglieder des Widerstandes in anderen Teilen der Welt, kaum glauben konnten, was aus den Vernichtungslagern in Osteuropa berichtet wurde.

    In Ägypten waren die Menschen vor allem damit beschäftigt, ob die Umstellung auf die Kriegswirtschaft den Niedergang der Baumwollpreise mit sich bringen würde, wie der Historiker James Jankowski in einem bisher unveröffentlichten Aufsatz zeigt. Später fürchteten sie, dass die britischen Besatzungstruppen sie in den Krieg hineinziehen könnten, denn die Briten erstickten die Bemühungen des ägyptischen Parlaments, Kairo wie Nanking zur „offenen Stadt“ zu erklären. Jankowskis Beitrag weist auch nach, dass sich die für die Briten „potentiell gefährliche Bewegung der Muslimbrüder mit der Wafd-Partei geeinigt hatte und sich politisch still verhielt“.

    Jankowski wertete die Berichte britischer Botschaftsbeamter aus, die durch Ägypten reisten, um pro-faschistische Tendenzen innerhalb der Bevölkerung abschätzen zu können. Jankowskis Quellen zeigen eine „beinahe uneingeschränkte Zustimmung“ zu den militärischen Fortschritten der britischen und französischen Truppen von 1941. Berichte für die britische Botschaft in Kairo spielten Sympathien für Hitler sicher nicht herunter (auch wenn nicht ganz ausgeschlossen werden kann, dass Informanten das weitergaben, was gewünscht war).

    John Hamilton, der stellvertretende Nahost-Referent der britischen Botschaft, berichtete 1939, dass „das ägyptische Staatsradio am beliebtesten war, während ausländische Sender nur unter bestimmten Hörern verbreitet waren.“ Unter diesen war wiederum der italienische Sender am populärsten. Jankowski beschreibt, wie ein Ägypter Hamilton erzählte, „das deutsche Radio schalten die Leute schnell wieder ab, da in ihm offensichtlicher Stuss verbreitet werde“.

    Die Gründung der Arabischen Liga

    Noch bevor der Zweite Weltkrieg zu Ende ging, verurteilten die arabischen Regime den deutschen Genozid. Während der Vorbereitungen für die Gründung der Arabischen Liga im Jahr 1944, gab das Komitee ein Erklärung heraus, in der zu lesen war, dass das Komitee „an erster Stelle stehe (im Original: „second to none“), wenn es darum gehe das Leid, das die Juden Europas durch die europäischen Diktaturen erlitten haben, zu betrauern.“ „Aber“, so fügte das Komitee hinzu „diese Frage dürfe nicht mit dem Zionismus verwechselt werden. Denn es kann kein größeres Unrecht und keine größere Aggression geben, als das Problem der Juden in Europa durch ein weiteres Unrecht lösen zu wollen, d.h. indem man den palästinensischen Arabern unterschiedlicher Religion und Konfession ein weiteres Unrecht antut.“

    Holocaustleugnung als Antwort auf die sogenannte Holocaust-Industrie: „Der Holocaust wird mittlerweile im Nahost-Konflikt von Israelis wie Arabern instrumentalisiert“, schreibt Hegasy. Mit Blick auf den Nahost-Konflikt droht heute eine ganz andere Wahrnehmung dieser Geschichte. Oder wie es ein israelischer Historiker kürzlich zusammenfasste: „Die Politik des Muftis von Jerusalem ist nach hinten losgegangen. Nun trifft es sein eigenes Volk; sie haben auf das falsche Pferd gewettet – jetzt ist ihr Land weg.“

    Der Holocaust wird mittlerweile im Nahost-Konflikt von Israelis wie Arabern instrumentalisiert. Meir Litvak und Esther Webman zeigen in ihrem neusten Buch „From Empathy to Denial: Arab Responses to the Holocaust“ wie Holocaustleugnung auch zu einer Antwort auf die sogenannte Holocaust-Industrie (Finkelstein 2000) wurde. Wie Ha’aretz berichtete, schickte der israelische Außenminister Avigdor Lieberman 2009 das bekannte Foto eines Treffens von Hitler mit dem Mufti 1941 an die PR-Abteilungen der israelischen Botschaften, um mit diesem Foto „der weltweiten Kritik an den israelischen Siedlungsplänen zu begegnen“.

    Die „arabische Beteiligung“ am Holocaust wird aus politischen Gründen übertrieben dargestellt. Kollaboration darf nicht übersehen werden. Aber die Täter als Repräsentanten einer arabischen Mehr- oder gar Einheit darzustellen, und dazu geflissentlich die arabischen Opfer sowie den arabischen Widerstand gegen Faschismus und Nationalsozialismus zu verdrängen, wird der gemeinsamen Geschichte nicht gerecht.

    Sonja Hegasy

    Sonja Hegasy ist Islamwissenschaftlerin und Vizedirektorin des Zentrums Moderner Orient in Berlin.

    Übersetzung aus dem Englischen: Christian Horbach

    Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de

    Quelle:

  • ANALYSE: Erdogan für Türken bisher Wikileaks-Gewinner

    ANALYSE: Erdogan für Türken bisher Wikileaks-Gewinner

    ANALYSE: Erdogan für Türken bisher Wikileaks-Gewinner

    Mal war Uncle Sam ganz nackt, mal erschien die Symbolfigur der Weltmacht USA mit heruntergelassenen Hosen: Karikaturisten in vielen türkischen Tageszeitungen sahen die Regierung in Washington als den klaren Verlierer der Wikileaks-Enthüllungen.

    Mal war Uncle Sam ganz nackt, mal erschien die Symbolfigur der Weltmacht USA mit heruntergelassenen Hosen: Karikaturisten in vielen türkischen Tageszeitungen sahen die Regierung in Washington als den klaren Verlierer der Wikileaks-Enthüllungen. Zwar kommt die türkische Führung in den Depeschen der US-Diplomaten bei weitem nicht immer gut weg: Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und sein Führungszirkel werden mitunter als machtversessen, islamistisch, amateurhaft und korrupt beschrieben. Doch großen innenpolitischen Flurschaden muss Erdogan nach Meinung von Beobachtern nach derzeitigem Stand trotzdem nicht befürchten.

    Bis zum Mittag waren knapp 300 der insgesamt mehr als 250.000 US-Dokumente veröffentlicht. In den rund zwei Dutzend Depeschen von US-Diplomaten in der Türkei zwischen dem Jahr 2004 und Anfang dieses Jahres erscheinen Erdogan und seine Leute mal als islamistische Eiferer, die eine höchst verdächtige Iran-Politik betreiben und Großmachtsambitionen haben, und mal als pragmatische Reformer und Demokraten, die von autoritären Kräften in Justiz und Armee angegriffen werden. Erdogan sei der einzige Partner, der die US-Vision einer demokratischen und europäisch integrierten Türkei voranbringen könne, heißt es an einer Stelle,

    Dem Regierungschef wird aber auch vorgehalten, er halte sich für einen von Allah auserkorenen Führer seines Landes. Erdogans langjähriger Berater und heutiger Außenminister, Ahmet Davutoglu, sei sogar von einem Kabinettskollegen als islamistischer Hardliner und „extrem gefährlich“ bezeichnet worden, schrieben die US-Diplomaten. Der israelische Botschafter in Ankara, Gaby Levy, gab zu Protokoll, es müsse nicht lange nach tiefgründigen Motiven für die Krise im Verhältnis zwischen der Türkei und Israel gefahndet werden, weil es ganz persönliche Faktoren bei Erdogan gebe: „Er ist ein Fundamentalist. Er hasst uns aus religiösen Gründen.“

    Doch es sieht bisher nicht danach aus, als ob das dem türkischen Regierungschef ein halbes Jahr vor den nächsten Parlamentswahlen im Juni politisch schadet. „Wenn die Amerikaner etwa den Außenminister Davutoglu wegen einer neo-osmanischen Politik kritisieren, dann kommt das bei den Türken gut an“, sagt der Soziologe Ferhat Kentel. Sollte sich der Eindruck durchsetzen, dass die Erdogan-Regierung eine von den USA unabhängige Außenpolitik betreibe, so werde das dem Ministerpräsidenten nützen. Schließlich sind weder die USA noch Israel in der Türkei sonderlich beliebt. Auch die Erwähnung diverser Erdogan-Minister wegen angeblicher Korruption in den US-Geheimdepeschen reißt in der Türkei niemanden vom Stuhl. „Das weiß ohnehin jeder“, sagt Kentel.

    Nur eine Angelegenheit könnte für Erdogan innenpolitisch unangenehm werden: In einer Nachricht für Washington schreiben die US-Diplomaten von Informationen, wonach der türkische Ministerpräsident acht verschiedene Konten in der Schweiz hat. Erdogans eigene Erklärungen, wonach er sein Vermögen unter anderem großzügigen Geschenken von Hochzeitsgästen verdankt, seien „lahm“, schreiben die Diplomaten. Die Ankaraner Opposition will die Vorwürfe sehr genau prüfen, doch bisher gebe es keinerlei Beweise für die Schweizer Kontenvorwürfe gegen Erdogan, merkte die an sich regierungskritische Zeitung „Milliyet“ an.

    Angesichts der für sie günstigen Stimmungslage im eigenen Land sieht die türkische Regierung bisher keinen Grund dafür, öffentlich Verärgerung über die nicht immer schmeichelhaften Lagebeschreibungen der US-Diplomaten zu äußern. Der viel gescholtene Außenminister Davutoglu, der zur Zeit der Wikileaks-Veröffentlichungen einen Termin mit Hillary Clinton in Washington hatte, war bei seinen öffentlichen Auftritten die Ruhe und Freundlichkeit selbst. Aber er versäumte es nicht, eine Nachricht über den großen Teich zu schicken, die vielen Türken gefallen dürfte: Ministerin Clinton habe sich bei der Türkei entschuldigt, sagte Davutoglu.

    Von Thomas Seibert / 30.11.10 / AFP

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  • Kritik an Erdogan: US-Diplomaten fürchten islamistische Tendenzen in der Türkei

    Kritik an Erdogan: US-Diplomaten fürchten islamistische Tendenzen in der Türkei

    Türkischer Ministerpräsident Erdogan: US-Diplomaten sehen islamistische Tendenzen

    Der Nato-Partner Türkei ist den USA unheimlich. Die Botschaftsdepeschen schildern Premier Erdogan als ignoranten Islamisten – berichtet wird außerdem von Korruption, Vetternwirtschaft und heiklen Großmachtvisionen.

    Hamburg – Diplomaten der Vereinigten Staaten haben tiefe Zweifel an der Verlässlichkeit der Türkei. Geheime oder vertrauliche Depeschen der US-Botschaft in Ankara, die WikiLeaks enthüllt hat und die dem SPIEGEL vorliegen, beschreiben islamistische Tendenzen in der Regierung des Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan.

    Das Urteil der US-Diplomaten über den Nato-Partner mit der zweitgrößten Bündnis-Armee ist insgesamt verheerend. Die türkische Führung sei zerstritten. Erdogans Berater sowie sein Außenminister Ahmet Davutoglu verstünden wenig von der Politik außerhalb Ankaras. Die Amerikaner sind besorgt über angebliche neoosmanische Visionen Davutoglus. Ein hochrangiger Regierungsbeamter warnte in Gesprächen, aus denen die US-Diplomaten zitieren, Davutoglu würde islamistischen Einfluss auf Erdogan ausüben: „Er ist besonders gefährlich.“

    Mehr im neuen SPIEGEL: Die umfassende Berichterstattung zu den Geheimdepeschen finden Sie ab diesem Montag im SPIEGEL – außerdem sofort auf dem iPad und iPhone (mehr…) sowie als E-Paper (mehr…). SPIEGEL ONLINE veröffentlicht in den kommenden Tagen die wichtigsten Erkenntnisse in einer Artikelserie.

    Ein Berater der Regierungspartei AKP überspitzte es wohl ironisch nach einem US-Dokument so: „Wir wollen Andalusien zurück und uns für die Niederlage bei der Belagerung Wiens 1683 revanchieren.“

    Viele Spitzenkräfte der Regierungspartei AKP seien Mitglieder einer muslimischen Bruderschaft, so die Amerikaner, Erdogan habe islamistische Banker in einflussreiche Positionen gehoben. Er informiere sich fast ausschließlich über Islamisten-nahe Zeitungen. Der Regierungschef, so die US-Depeschen weiter, habe sich mit einem „eisernen Ring von unterwürfigen (aber hochnäsigen) Beratern“ umgeben und inszeniere sich als „Volkstribun von Anatolien“.

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  • Einwanderung: Türkisch zu Hause, Deutsch in der Kita

    Einwanderung: Türkisch zu Hause, Deutsch in der Kita

    Kinder mit Migrationshintergrund sollen besser Deutsch lernen. Das Potenzial ihrer Mehrsprachigkeit wird in vielen Kitas einfach ignoriert.

    © Federico Gambarini/dpa

    Zweisprachige Kinder können in der Kita gezielt gefördert werden

    Zweisprachige Kinder können in der Kita gezielt gefördert werden

    Als Merih Ergün letztens in einer Berliner Bäckerei seine fünfjährige Tochter auf Türkisch fragte, was sie denn gerne hätte, war die Verkäuferin schlichtweg entsetzt. Wie könne er mit ihr nicht auf Deutsch reden, fuhr sie ihn an. So verbaue er dem Kind doch seine Zukunft.

    Für Ergün, Sohn eines Gastarbeiters aus der Türkei, ist das eine schwierige Situation. Natürlich will er, dass seine Kinder gut Deutsch können. Aber gleichzeitig möchte er auch seine Muttersprache an sie weitergeben. Doch das, findet er, werde in Deutschland oft nicht akzeptiert. Auch wenn Mehrsprachigkeit hierzulande auf dem Arbeitsmarkt andererseits oft groß geschrieben wird.

    Die Vorurteile gegenüber der Zweisprachigkeit von Migranten waren diese Woche Thema bei einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung. Unter dem Motto Sprache ist der Schlüssel zur Integration. Bedingungen des Sprachlernens von Menschen mit Migrationshintergrund hatte die Stiftung gemeinsam mit der Arbeiterwohlfahrt Erzieher und Interessierte nach Berlin geladen.

    In der politischen und öffentlichen Debatte werde oft stillschweigend vorausgesetzt, dass nur die deutsche Sprache Integration ermögliche, finden die Veranstalter. Die Heimatsprachen der Migrantenfamilien hingegen würden „eher als lästiges Integrationshindernis denn als individuelle Ressource“ behandelt. Höchste Zeit sei es also, sich weitergehend mit diesem Thema zu beschäftigen.

    Auch Bernt Ahrenholz, Professor für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an der Universität Jena, hat seine Erfahrungen mit der fehlenden Toleranz der deutschen Gesellschaft gegenüber mehrsprachigen Familien gemacht. So werde die Erstsprache der Kinder zu selten in der Kita mit einbezogen, findet Ahrenholz. Doch für kleine Kinder sei es wichtig, beim Spracherwerb an ihre Vorerfahrungen aus der Familie anknüpfen zu können.

    Durch eine Kombination aus Deutschunterricht und der in der Familie gesprochenen Sprache und viel Förderung durch Erzieher könnte man diese Kinder und ihre Zweisprachigkeit gezielt fördern, sagt Ahrenholz. Man könne von bilingual erzogenen Kindern außerdem nicht erwarten, dass sie vor dem Schulbeginn gleich gut Deutsch sprechen, wie ihre einsprachig erzogenen Altersgenossen. Zweisprachig erzogene Kinder bräuchten länger zum Spracherwerb.

    Gute Erfahrungen mit der Förderung von Mehrsprachigkeit in Kitas hat man in Bonn gemacht, wie Donja Amirpur erzählt. Sie leitete das Modellprojekt Vielfalt gestalten – Integration im Kindergartendes Vereins AktionCourage e.V, das allerdings im Februar 2010 auslief. Man hatte keine neuen Geldgeber gefunden.

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  • Kernkraftwerke in der Türkei

    Kernkraftwerke in der Türkei

    Im Zusammenhang mit dem Bau eines Kernkraftwerks nähert man sich dem Finale. Minister für Energie und Bodenschätze, Taner Yildiz hat den russischen Energieminister zu Gesprächen über den Bau von Kernkraftwerken in die Türkei eingeladen. Nach Angaben von Yildiz sollen im Zusammenhang mit dem Bau von Atomkraftwerken in Akkuyu und Sinop zur Bildung von Projektunternehmen innerhalb von zwei Wochen Konferenzen mit Russland veranstaltet werden. Er hoffe dass diese Treffen noch innerhalb von zwei Wochen stattfinden. Daher habe er seinen russischen Amtskollegen in die Türkei eingeladen, so Davutoglu.

  • Ankaras Außenpolitik verunsichert USA

    Ankaras Außenpolitik verunsichert USA

    Jüngste populistische Reden Erdogans stützen Kritik in Wikileaks-Depeschen

    Den Großteil des Respekts, der ihm entgegengebracht wird, verdankt Ahmet Davutoglu, der türkische Außenminister, dem Umstand, dass er Universitätsdozent war und ein Buch mit dem Titel „Strategische Tiefe“ veröffentlicht hat. Die türkische Außenpolitik erscheint dem Westen jedoch weder strategisch, noch sonderlich tief gehend. Die „Wikileaks“ -Depeschen zeigen die Verunsicherung der USA über die Gewichtsverlagerung des Nato-Partners Türkei Richtung Osten, die Anbiederung an die „arabische Straße“ , das Herunterspielen des iranischen Atomprogramms.

    Der türkische Premierminister Tayyip Erdogan hat erst letzte Woche wieder ein Beispiel für diesen Kurswechsel geliefert. Kritiker nennt er dabei „bösartig“ und unterstellt ihnen „andere Absichten“. In einer Rede in einem Dorf im Norden des Libanon griff Erdogan erneut Israel wegen des Sturms auf die Gaza-Hilfsflotte an: „Du begehst einen Akt der Piraterie im Mittelmeer, du beginnst Staatsterror im Mittelmeer, du schlachtest blutdürstig meine neun Mitbürger, die Nahrung für Babies brachten, und dann erwartest du von uns, ruhig zu sein. Wir werden nicht ruhig sein!“

    Bewunderung für Ankara

    Populistische Reden in arabischen Ländern, die an den Regimen vorbei direkt ihre Hörer im Volk finden sollen, sind Teil der Davutoglu-Strategie, wie in den Depeschen der US-Botschaft in Ankara festgestellt wird. Der türkische Außenminister und sein Regierungschef glaubten an die Bewunderung des wirtschaftlichen Erfolgs und der Macht der Türkei in der Bevölkerung in Nahost, heißt es etwa in einem Schreiben des damaligen Botschafters James Jeffrey an das State Department vom Jänner dieses Jahres.

    Davutoglu, ein Historiker aus der Region um die konservativ-islamische Stadt Konya in Zentralanatolien, verfolgt seine Außenpolitik mit der Idee des osmanischen Reichs im Hinterkopf, wo der Balkan wie der Nahe Osten in einem harmonischen Verbund gelebt hätten. Einen „außerordentlich gefährlichen Mann“ , soll Verteidigungsminister Vecdi Gönül seinen Kabinettskollegen genannt haben, was Gönül allerdings dementiert hat. Vor allem die Amerikaner reagieren aber allergisch auf Davutoglus und Erdogans Politik der „null Probleme mit den Nachbarn“ und deren Behauptung, nur die Türkei begreife wirklich die Interessen der Region.

    In Wirklichkeit aber, so halten politische Beobachter in der Türkei entgegen, sei niemand auf dem Balkan oder in Nahost von der Idee einer Rückkehr des osmanischen Reichs begeistert. Davutoglus Außenpolitik habe Schwierigkeiten, sich der Realität anzupassen. „Sie hat außerdem keinen einzigen nennenswerten Erfolg erzielt“, urteilte Jeffrey. (Markus Bernath aus Ankara/DER STANDARD, Printausgabe, 2.12.2010)

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