Foto: AFP Der Koran verbietet unschickliche Investitionen, Spekulationsgeschäfte und Zinsen
Korankonformes Sparen
15.12.2010
Islam-Bank eröffnet erste Filiale in Mannheim
Ein türkisches Geldhaus hat eine erste deutsche Filiale eröffnet. Das Interesse an korankonformen Geldanlagen ist Experten zufolge riesig.
Glücksspiel, Waffen oder Pornografie – was der Mensch meiden soll, damit soll er keinen Handel treiben. So sieht das auch der Koran. Entsprechend hat sich in der streng islamisch geprägten Welt ein Bankwesen etabliert, das im Einklang mit der muslimischen Rechtslehre steht. Verboten, weil sündhaft, sind danach unschickliche Investitionen, Spekulationsgeschäfte und Zinsen. Nach einigen Startschwierigkeiten könnten islamgerechte Finanzgeschäfte wie Fonds oder die zinslose Baufinanzierung nun auch in Deutschland an Bedeutung gewinnen.
15 Prozent der rund vier Millionen in Deutschland lebenden Muslime dürften ein ernsthaftes Interesse daran haben, ihr Geld im Einklang mit dem Koran anzulegen, schätzt Unternehmensberater Philipp Wackerbeck von Booz & Company. Dabei bestünde ein Marktpotenzial von rund 1,6 Milliarden Euro. Der Berater ist nicht der einzige, der an die Zukunft der islamkonformen Branche in Deutschland glaubt. Die Kuveyt Turk Bank hat eine erste deutsche Filiale in Mannheim eröffnet, mit der Absicht, „sobald wie möglich“ die Lizenz zur Vollbank zu erhalten, so Geschäftsführer Ugurlu Soylu. Dann wäre sie die erste islamkonforme Bank in Deutschland. Bisher hat sie lediglich die Erlaubnis, Geld in Drittstaaten einzulagern – die Kunden könnten ein zinsloses Konto in der Türkei eröffnen.
„Die Quintessenz des Islamic Bankings ist, dass jedem Transfer ein reales Gut zugrunde liegen muss“, erklärt Volkswirt Soylu. Daher erhalte der Anleger keine Zinsen, sondern werde am wirtschaftlichen Erfolg der Bank beteiligt. Das Finanzhaus gestalte im Gegenzug seine Tätigkeiten transparent, vermeide unangemessen riskante Geschäfte und setze nicht auf die Branchen, die der Koran ablehnt. In stark muslimisch geprägten Ländern legt die Kuveyt Turk schariakonforme Fonds im dreistelligen Millionenbereich auf, doch in Deutschland betritt die Bank fast noch unbestellten Boden mit ihrem Vorstoß.
Einige wenige Finanzdienstleister wie die Schweizer UBS-Bank, die Allianz oder der Vermögensverwalter Meridio führen Fonds, die nach den Regeln des Islam aufgelegt und von einem Scharia-Rat geprüft wurden. Deren Volumina nehmen sich mit unteren zweistelligen Millionenbeträgen aber eher klein aus. „Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage auch in Deutschland langfristig steigen wird“, erklärt eine Sprecherin der Allianz. Die meisten großen Finanzhäuser zeigen dem Thema jedoch in Deutschland noch die kalte Schulter. Ihre Kunden hätten ihnen bisher kein Interesse an die Filialen herangetragen, erklären Union Investment und Deka, die Investmentfondssparten der Volksbanken und Sparkassen auf Anfrage.
Deutsche Bank ist im islamkonformen Geschäft aktiv
Die Deutsche Bank ist im Ausland längst ins islamkonforme Bankgeschäft eingestiegen. Doch für Deutschland verweist sie auf ihre 54 „Bankamiz“-Filialen, welche die Kunden auch auf Türkisch beraten: „Unsere muslimischen Kunden kaufen die klassischen Produkte der Deutschen Bank.“ Soylu von der Kuveyt Turk glaubt, dass viele deutsche Banken kaum Interesse daran haben, eine Nachfrage aktiv bei Kunden zu wecken, denen sie auch konventionelle Produkte verkaufen können.
Die vorwiegend aus der Türkei stammenden Einwanderer seien ihrerseits eher durch eine pragmatische Rechtslehre des Islam geprägt, die sie gerade bei Finanzen eher auf das vorhandene Angebot zurückgreifen lasse, anstatt islamkonforme Produkte aktiv einzufordern. „Das ist in England mit seinen vielen Einwanderern aus Indien und Pakistan anders.“ Das größte Potenzial sieht Booz-Berater Wackerbeck im Baufinanzierungsgeschäft. „In Deutschland liegt die Immobilienbesitzquote unter Muslimen bei etwa 20 Prozent, in der Türkei dagegen bei 80 Prozent.“ Dies zeige, dass der eigene Hausbesitz sehr wichtig für Bürger mit türkischen Wurzeln sei.
Durch das Zinsverbot ist beispielsweise ein Hauskauf über ein normales Darlehen aber nicht erlaubt. Ein Investor – oder eine Bank – müsste die Immobilie erwerben, um sie dann mit einem Gewinnaufschlag per Raten an den eigentlichen Käufer weiterzuverkaufen. Doch dabei fiele in Deutschland gleich zweimal die Grunderwerbssteuer an – ein Wettbewerbsnachteil für die islamkonforme Variante.
Diese und andere steuerliche Details will die Kuveyt Turk Bank noch mit der deutschen Finanzaufsichtsbehörde klären. Auch in Frankreich, so betont Soylu, habe sich der Staat bereits flexibel gezeigt: Hier wurden für islamgerechte Transaktionen steuerliche Sonderregelungen geschaffen. Auch Taoufik Bouhmidi, der Ende 2008 die Finanzberatung für Muslime und Freunde (FMF) gründete, sieht in der Möglichkeit einer schariagerechten Baufinanzierung große Chancen: „Das wäre der Durchbruch.“
Quelle: