Seehofers Sieben-Punkte-Plan
Deutschland streitet über Integration
Sind Kanada und Australien Vorbild?
VON DANA SCHÜLBE –
zuletzt aktualisiert: 18.10.2010
Berlin (RPO). Im Streit um die Integration von Ausländern in Deutschland mischt sich jetzt der Wirtschaftsminister ein. Rainer Brüderle möchte eine gezielte Einwanderung, indem er ein Punktesystem einführen will. Eine Regelung, die es in Australien und Kanada schon lange gibt. Und die Hürden werden auch dort von mal zu mal höher.
Ein Aufschrei war unter den Migranten zu hören, als die australische Regierung im Sommer ihre Einwanderungsregeln erneut verschärft hat. Doch die Regierung blieb von dem Protest unbeeindruckt. Hintergrund war die „skilled Occupation List“. Auf dieser steht, welche Berufe in Australien gerade gesucht werden und welche nicht. Und diese wurde extrem gekürzt.
Eigentlich gilt Australien als ein Beispiel für eine gelungene Einwanderungspolitik. Denn Immigranten gehörten seit jeher zu dem Land, so wie auch zu Kanada. Und so wurde das System über Jahre immer wieder geändert – je nach wirtschaftlicher Lage verschärft oder gelockert. Und die wichtigste Grundlage bietet dabei eben jenes Punktesystem.
Wer ins Outback auswandern will, hat zwei Möglichkeiten. Wenn er sich direkt von einer australischen Firma anwerben lässt, dann kann er das Punktesystem umgehen. Allerdings ist das Visum dann befristet – auf maximal vier Jahre.
Australien bepunktet seit 1972
Das Punktesystem selbst wurde 1972 eingeführt. Bis dahin, so erläutert das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung auf seiner Webseite, gab es die „White-Australia“-Politik, die Einwanderern aus Europa den Vorzug gab. Dann sei der Markt auch für den asiatischen Raum geöffnet worden.
Nachdem es zunächst nur wenige Punkte gab, ist das System nun auch umfänglicher geworden. Qualifikation, Alter, Englisch-Kenntnisse – all das wird berücksichtigt und dürfte damit auch dem Bundeswirtschaftsminister imponieren. Schließlich wird bei den Migranten in der Bundesrepublik vor allem eines bemängelt: dass sie nur schlecht Deutsch können. Und eben solche Sprachanforderungen wurden laut dem Berlin-Institut auch immer wieder in Australien verschärft.
Doch das Wichtigste ist auch weiterhin oben genannte Liste. Denn Menschen mit Berufen, die nicht gesucht werden – also auch nicht auf der Liste stehen – haben keine Chance, auf den fünften Kontinent zu kommen.
Für Kanada mindestens 67 Punkte nötig
Auch in Kanada muss nachgewiesen werden, dass man einen Job hat, der gerade in dem Land gebraucht wird. Und auch in dem nordamerikanischen Land gibt es ein strenges Punktesystem, bei dem ebenfalls großer Wert auf Englisch-Kenntnisse und berufliche Qualifikation gelegt wird.
1967 war das Jahr, seit dem Kanada die Einwanderung per Punktvergabe regelt. Und so ist es auch seitdem völlig unterschiedlich, wie viele Punkte man tatsächlich braucht, um eine Chance auf Immigration zu haben. Wohl bemerkt kann sich dieses Verfahren zudem bis zu zwei Jahre hinziehen.
100 Punkte vergibt Kanada insgesamt, derzeit hat man nur eine Chance, wenn man 67 Punkte erlangt. So kann man für einen Doktortitel logischerweise mehr Punkte bekommen als für einen Realschulabschluss. Auch eine Jobzusage bringt noch einmal extra Punkte. Zudem spielen Sprachkenntnisse ebenfalls eine sehr große Rolle.
Laut Berlin-Institut gibt es aber auch in Kanada Probleme, denn es sei nicht immer sicher, ob eine Ausbildung aus einem anderen Land in dem Staat tatsächlich anerkannt wird.
Übrigens darf in beiden Ländern die Familie mitreisen, ohne dass es Bedingungen dafür gibt. Da sind die Regeln in Deutschland schon jetzt schärfer. Denn Ehefrauen etwa müssen ebenfalls Sprachkenntnisse nachweisen.
Die Diskussion um die Einführung eines Punktesystems jedenfalls könnte ein Ansatz sein, tatsächlich benötigte Fachkräfte ins Land zu bekommen, wenn es sich bewährt.
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