Berlin – Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich in der Zuwanderungsdebatte hinter den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) gestellt. Dem Fachkräftemangel müsse zunächst durch eine verstärkte Qualifizierung der deutschen Bevölkerung begegnet werden, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Sabine Heimbach. Vor dem Hintergrund der Arbeitslosenzahlen und der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU müssten das „vorhandene Potenzial“ ausgeschöpft und Langzeitarbeitslose besser qualifiziert werden.
Seehofer sagte gestern, er habe das Wort Zuwanderungsstopp nicht in den Mund genommen (siehe Kasten unten). Die Türkische Gemeinde forderte eine Entschuldigung für die Forderung, den Zuzug von Türken und Arabern zu begrenzen. Dies lehnte Seehofer ab. „Ich habe – und das ist meine Pflicht – ganz sachlich Fragestellungen für die Zukunft beschrieben, auch Schwierigkeiten, die wir zu bewältigen haben“, sagte er.
In seiner Partei, der CSU, gehen die Forderungen aber schon viel weiter. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Partei und Integrationsbeauftragte der Unionsfraktion im Bundestag, Stefan Müller, stellt hohe Bedingungen für eine weitere Zuwanderung auf. „Alle Langzeitarbeitslosen müssen qualifiziert werden, egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund“, sagte Müller der WELT. „Bevor das nicht passiert ist, kann es keine weitere Zuwanderung geben, unabhängig aus welchem Land oder Kulturkreis“, sagte Müller.
Von anderen Seiten gab es Kritik. „Ich bin sehr schockiert über die Äußerungen des bayerischen Ministerpräsidenten“, sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), der „Bild“-Zeitung. Grünen-Chefin Claudia Roth warf Seehofer Rechtspopulismus vor. Seine Forderung sei unanständig und brandgefährlich.
Ein erheblicher Teil der deutschen Bevölkerung hat allerdings Vorbehalte gegen den Islam, ergab eine Umfrage von Infratest Dimap. 37 Prozent der Befragten hätten der These „Ein Deutschland ohne Islam wäre besser“ zugestimmt, berichtete der SWR. Nach Angaben von „Report Mainz“ kommt eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zu dem Schluss, der Anteil der Deutschen mit islamfeindlichen Einstellungen sei in jüngster Zeit von einem Drittel auf mehr als die Hälfte gestiegen.
Quelle: Welt