Was man über Zuwanderung wissen muss

VON BIRGIT MARSCHALL UND GREGOR MAYNTZ -zuletzt aktualisiert: 12.10.2010 – 10:16

(RP) Nach dem Islam-Kritiker Thilo Sarrazin hat CSU-Chef Horst Seehofer die Debatte um Integrationsprobleme von Migranten türkischer und arabischer Abstammung angeheizt. Da sich diese mit der Integration schwerer täten als andere, solle es keine zusätzliche Zuwanderung von dort geben, sagte Seehofer. Den Fachkräftemangel „beheben wir nicht durch Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen“, behauptete er – und erntete dafür überwiegend Widerspruch. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.

Wie viele Menschen türkischer und arabischer Abstammung leben derzeit in Deutschland?

Nach Auskunft des Bundesinnenministeriums leben zurzeit insgesamt etwa drei Millionen Menschen mit sogenanntem „türkischen Migrationshintergrund“ in Deutschland, davon etwa 1,6 Millionen türkische Staatsangehörige. Hinzu kommen 330 000 Angehörige arabischer Staaten. Zwischen 2007 und 2009 wanderten insgesamt etwa 400 000 Ausländer pro Jahr nach Deutschland ein, darunter im Jahresschnitt etwa 20 000 Türken. Allein im Jahr 2008 kamen nach Angaben des Statistischen Bundesamtes etwa 28 000 Türken. Doch gleichzeitig verließen auch etwa 38 000 Türken wieder die Bundesrepublik, der Wanderungssaldo der Türken war also negativ. Aus arabischen Staaten kamen 2007 bis 2009 jährlich zwischen 20 000 und 29 000 Menschen nach Deutschland. Die allermeisten davon wanderten als Familienangehörige ein, die wenigsten als Arbeitsmigranten.

Wie viele Ausländer kommen gezielt mit der Absicht nach Deutschland, um hier zu arbeiten?

Eine Studie des Bundesamtes für Migration ermittelte im Jahr 2009 insgesamt lediglich 26 400 Ausländer, die nach Deutschland kamen, um hier zu arbeiten. Von ihnen stammten 1053 aus der Türkei. Zum Vergleich: Aus den USA übersiedelten im gleichen Jahr 3229 Menschen gezielt nach Deutschland, um hier eine Karriere zu starten. Aus Indien stammten 3094 und aus China 2356 Bürger.

Wer darf als Ausländer überhaupt in Deutschland arbeiten?

Für Bürger aus den „alten“ EU-Staaten gilt die sogenannte Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der Staatengemeinschaft bereits seit vielen Jahren: Sie dürfen uneingeschränkt in Deutschland arbeiten. Auch Arbeitnehmer aus den „neuen“ EU-Beitrittstaaten Mittel- und Osteuropas können vom 1. Mai 2011 an ohne Probleme hier arbeiten. Ein erleichtertes Zuwanderungsrecht für qualifizierte Arbeitskräfte gilt zudem für Bürger aus den USA, Kanada, Australien und Japan.

Deutlich schwieriger wird es für Menschen aus sogenannten Drittstaaten, also auch aus der Türkei, die keinen Familiennachzug in Anspruch nehmen können, sondern gezielt in Deutschland arbeiten wollen. Sie müssen neben einem Hochschulabschluss in einem Arbeitsvertrag mit einer deutschen Firma ein Brutto-Jahresgehalt von mindestens 66 000 Euro nachweisen. Dies schafften im Jahr 2009 lediglich 547 Ausländer. Wollen deutsche Firmen ausländische Fachkräfte anstellen, die weniger als 66 000 Euro im Jahr verdienen sollen, müssen sie erst nachweisen, dass der Arbeitsplatz nicht auch von einem Deutschen oder einem EU-Bürger besetzt werden kann.

Welche Regeln gelten speziell für ausländische Ingenieure?

Da in Deutschland bereits mehrere zehntausend Ingenieursstellen nicht besetzt werden können, hat die Bundesregierung die Gehaltsgrenze speziell für diese Berufsgruppe aufgehoben. Besonders eklatant ist der Fachkräftemangel bei den Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT). Nach einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit kamen im vergangenen Jahr jedoch nur 2445 IKT-Fachleute nach Deutschland, davon lediglich 30 aus der Türkei.

Wie sehen die Arbeitsmarktchancen der Migranten aus?

Menschen mit Migrationshintergrund sind etwa doppelt so häufig arbeitslos wie Deutsche. Dies geht einher mit der schlechteren Qualifikation: 14 Prozent der Migranten hatten laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2009 keinen Schulabschluss, sogar 42,8 Prozent von ihnen verfügten über keine berufliche Ausbildung. Bei den Menschen ohne Migrationshintergrund waren es immerhin „nur“ 19,2 Prozent.

Erwerbstätige mit Migrationshintergrund sind fast doppelt so häufig als Arbeiterinnen oder Arbeiter tätig als jene ohne ausländische Wurzeln. Menschen mit Migrationshintergrund sind zweimal so häufig von Hartz IV abhängig wie deutsche Bürger. Besonders von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind Jugendliche mit ausländischen Wurzeln. Die Statistik der Bundesagentur für Arbeit belegt, dass unter ihnen mit 10,1 Prozent mehr als doppelt so viele ohne Arbeit sind wie bei denen mit deutscher Herkunft.

Welche Regeln gelten seit der Reform des Zuwanderungsrechts 2007?

Ehegatten von Ausländern, die ein Aufenthaltsrecht erworben haben, dürfen seit 2007 nur noch nachziehen, wenn sie 18 Jahre oder älter sind. Zudem müssen sie einen leichten Sprachtest absolvieren, bevor sie einwandern. Nachziehen dürfen auch minderjährige Kinder, für andere Verwandte gelten deutlich strengere Regeln.

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