Prof.Dr. Hakkı Keskin
MdB 2005-2009; Politikwissenschaftler undEhrenvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland e.V.
11.4.2010
Herrn Peter Boudgoust
ARD Intendant
SÜDWESTRUNDFUNK
Neckarstr. 230
70190 Stuttgart
Die Sendung der ARD am 9.4.2010,um 23.30 über „Völkermord an Armeniern“
Sehr geehrter Herr Boudgast,
während meines Studiums, meiner Promotion, Hochschultätigkeit und als Abgeordneter des Deutschen Bundestags sowie im Laufe meines 42jährigen Lebens in Deutschland habe ich gelernt, dass bei Berichterstattungen, gerade in öffentlich rechtlichen Anstalten, auf Ausgewogenheit und Objektivität zu achten ist.
Ausgewogenheit bedeutet, wie Sie sicherlich wissen, dass ein Thema nicht aus der Sicht einer Seite dargestellt und erörtet werden sollte. Das Kriterium der Objektivität hingegen bedeutet, dass das verwendete Material einer Sendung unverfälscht und die Sachlage korrekt dargelegt werden sollte.
Ihre Sendung war, zu meinem großen Bedauern, weder ausgewogen noch objektiv. Zu diesem höchst komplexen Thema von 1915 gibt es unzählige Dokumente und Publikationen, die diese menschlich höchst bedauerliche Lage ganz unterschiedlich darstellen und belegen.
In der Sendung der ARD wurden die Ereignisse lediglich aus der Sicht der armenischen Seite, also völlig einseitig dargelegt. Es wurde gänzlich ignoriert, weshalb es überhaupt zu einer Deportation der Armenier vor allem aus der Ost-Türkei kam. Es wurde unterschlagen, dass bewaffnete armenische Aufständische auf der Seite der rusischen Armee gegen die osmanischen Armee in der Osttürkei gekämpft haben, gemeinsam mit russischen Besetzern Massaker gegen die türkische und muslimische Bevölkerung in der ganzen Osttürkei verübt und dabei hunderttausende Menschen getötet haben.
Die Deportation war also eine Reaktion des sich mit Russland im Krieg befindenden Osmanischen Reich auf diese höchst dramatische Situation.
Ihre Berichterstattung war nicht objektiv, weil sie zumeist nachweislich verfälschtes Material in Ihrem Film und Darlegungen benutzt haben.
Sicher kann das harte Vorgehen der osmanischen Führung, die übrigens von der deutschen Generalität maßgeblich beeinflusst war, kritisiert werden. Nicht vergessen werden darf jedoch die äußerst schwierige Lage des Landes, welches sich im Ersten Weltkrieg befand, und dass die armenischen Aufständischen für die Gründung eines eigenen Staates auf der Seite Ruslands gegen das eigene Land und Volk kämpften.
Wenn der ARD-Film diese ganz elementare Sachlage ausblendet und lediglich von der Deportation und Ermordung Armenern spricht, ist dies gewollt einseitig und manipulativ.
Wenn die ARD etwa mit dem „Völkermord“, wie gegen die Juden in Deutschland und in Europa Parallelen ziehen will, dann ist dies fahrlässig und in keinster Weise hinnehmbar. Kein einziger Jude in Deutschland hat, bevor er in ein Konzentrationslager gebracht wurde, die Waffe in die Hand genommen und Aufstände gegen das eigene deutsche Volk organisiert oder je einen Menschen getötet.
Die Verwendung des Begriffs „Völkermord“ ist dann erlaubt, wenn eine Minderheit wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder Kultur vom Staat geplant und gewollt ausgerottet wird, wie die Juden in Deutschland und in Europa. Dies war bei den Armeniern keineswegs der Fall. In westlichen Teilen der Türkei wurden die Armenier weder deportiert noch kamen sie zu Schaden, wenn sie nicht zu den Aufständischen gehörten.
Meine ausführliche Position zu diesen höchst bedauerlichen Erreignissen füge ich zu Ihrer Information bei.
Wenn die ARD sachlich über diese Erreignisse informieren will, wäre es sicherlich angebracht, die beiden Sichtweisen zur Sprache zu bringen. Daher möchte ich Ihnen vorschlagen, Kenner der Materie von armenischer und türkischer Seite zur Ihren Sendunden einzuladen.
Mit freudlichen Grüssen.
Hakkı Keskin