Essen, den 10.06.2009
Qualitätsoffensive Hauptschule: Unterricht in der Herkunftssprache an Hauptschulen als zweite Fremdsprache
Hintergrund:
Im Rahmen der Qualitätsoffensive Hauptschule strebt das Schulministerium des Landes NRW ein Schulversuch mit einer Laufzeit von sechs Jahren an. Im Rahmen dieses Schulversuches sollen die Voraussetzungen erprobt werden unter denen die Herkunftssprache als zweite Fremdsprache in die Stundentafel aufgenommen werden kann. Nach diesem Konzept sollen die Herkunftssprachen in der Regel ab der 6. Klasse oder als Wahlpflichtfach in Klasse 7 beginnen. Die Anzahl der Wochenstunden bis Klasse 10 soll der Anforderung des Kultusministeriums (14 Wochenstunden) genügen. Die Leistungen werden in die Zeugnisse aufgenommen und es soll durch mindestens eine gute Leistung eine mangelhafte Leistung in English ausgleichen können. Der Schulversuch soll mit den Sprachen Türkisch und Russisch beginnen und auf weitere Sprachen ausgeweitet werden, wenn die personellen und sächlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Der Unterricht soll von Lehrkräften erteilt werden, die (i) eine in NRW anerkannte Lehrbefähigung für das entsprechende Fach erworben haben, oder (ii) eine in NRW anerkannte Lehrbefähigung haben und ein C1 Zertifikat für die entsprechende Sprache nachweisen können. Der Stellenbedarf soll durch Stellen gedeckt werden, die für den muttersprachlichen Unterricht zur Verfügung stehen.
Unsere Stellungnahme:
Die Überlegungen des Ministeriums, im Rahmen der Qualitätsoffensive Hauptschule, den Herkunftssprachenunterricht in eine zweite Fremdsprache, neben Englisch, einzuführen ist ein wichtiger Schritt auf dem richtigen Weg und ist nach unserer Ansicht auch längst überfällig. Die Herkunftssprachen gehören zu den individuellen Stärken von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund. Diese sollten auch unter den Anforderungen des Schulministeriums „Individuelle Förderung und Stärkung“ gezielt und systematisch gefördert werden. Die Möglichkeit zur Anerkennung insbesondere der türkischen und der russischen Sprache als zweite Fremdsprache, neben Englisch, ist daher sehr wünschenswert. Auch die Wahlmöglichkeit dieser Fächer für alle Schülerinnen und Schüler ist wünschenswert. Trotzdem sollte die Möglichkeit des Fremdsprachenangebotes in der jeweiligen Herkunftssprache primär dazu dienen die natürliche Mehrsprachigkeit der Kinder mit Migrationshintergrund zu stärken, um dadurch ihre beruflichen Perspektiven und Ihr Selbstwertgefühl zu stärken.
Strukturell sollte der Unterricht so gestaltet werden, dass der Herkunftssprachenunterricht in den Klassen 5+6 als Muttersprachlicher Ergänzungsunterricht erteilt wird. Ab der Klasse 7 sollte dies dann als Wahlpflichtfach angeboten werden. Zusätzlich sollte der muttersprachliche Unterricht in den Grundschulen, als Vorbereitung auf den Fremdsprachenunterricht ab der 7. Klasse, inhaltlich und strukturell ausgebaut werden.
Die Einschränkung der Einführung weiterer Sprachen insbesondere hinsichtlich personeller Voraussetzungen ist, unter Berücksichtigung der Gleichstellungsregelung der verschiedenen Sprachen, aus unserer Sicht sachlich nicht begründet. Allein die Teilnehmerzahl und die langfristigen Entwicklungspotenziale sollten als Kriterium des Ausschlusses herangezogen werden. So sollten z.B. in ausgewählten Schulen auch die Sprachen Spanisch, Griechisch, Italienisch als mögliche Angebote hinzugezogen werden.
Die Rahmenbedingungen für die Einstellung von Lehrern sollte genauer definiert und eventuell ausgeweitet werden. Nach unserem Kenntnistand gibt es bisher keine Institution, weder in Deutschland noch in der Türkei, die ein C1 Zertifikat für Türkisch, gemäß den Anforderungen der EU vergeben kann.
Die Deckung des Stellenbedarfs für den Fremdsprachenunterricht aus dem Kontingent des muttersprachlichen Unterrichtes lässt befürchten, dass die Grundschulen in der Versorgung benachteiligt werden. Die in NRW noch verfügbaren 886 muttersprachlichen Stellen sind Zweckgebunden und sollten auch vornehmlich für die Klassen 1-6 zur Verfügung gestellt werden. Gerade in den Grundschulen ist eine gezielte und ganzheitliche sprachliche Förderung, zu der auch die Herkunftssprachen gehören, sehr wichtig.
Lehrkräfte, die eine Herkunftssprache als Fremdsprache unterrichten, sollten in der Vergütung dem der übrigen Kollegen angeglichen werden. Inhaltlich und strukturell werden diese Lehrer eine Fremdsprache unterrichten und sollten auch entsprechend vergütet werden. Dies steigert nicht nur den Leistungswillen und Motivation der Lehrer, vielmehr dient es zur Gleichstellung mit den übrigen Kollegen.
Besonders wichtig erscheint uns, dass die Möglichkeit des Fremdsprachenunterrichtes in den Herkunftssprachen als Wahlpflichtfach auch anderen Schulformen offen stehen sollte. Insbesondere Gesamtschulen und Realschulen, sowie Gymnasien mit einem hohen Anteil von Schülern und Schülerinnen mit Migrationshintergrund sollten von diesem Angebot profitieren um sich zu profilieren.
Mit freundlichen Grüssen
Im Namen des Vorstandes
Dr. A. Sak
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